Ein Glas Bier in einem Wirtshaus
ORF.at/Christian Öser
Über EU-Schnitt

Höhere Inflation liegt an Gastronomie

Die deutliche höhere Teuerung in Österreich als in Deutschland und der Euro-Zone liegt laut dem interimistischen IHS-Chef Klaus Neusser vor allem an der Gastronomie. Die Gewichtung von Restaurantausgaben im Warenkorb für die Berechnung der Inflation sei in Deutschland „wesentlich niedriger“ als in Österreich. Außerdem seien die Preissteigerungen in der Gastronomie hierzulande „wesentlich höher“.

Das erkläre rund die Hälfte der Inflationsdifferenz zu Deutschland, so Neusser am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Die Inflationsrate in Österreich lag im März laut Schnellschätzung bei 9,1 Prozent, in Deutschland bei 7,4 Prozent und in der Euro-Zone bei 6,9 Prozent.

Die Gastronomiepreise würden in Österreich durch den „relativ gut laufenden“ Tourismus, weniger Gasthausangebot durch Personalknappheit und weniger Gasthäuser auf dem Land deutlich nach oben klettern, so der IHS-Chef. Auch die Preise für Möbel und Neuwagen seien in Österreich „stärker gestiegen“ als in Deutschland.

Neusser sprach sich gegen Preiseingriffe zur Inflationsbekämpfung aus. „Viel besser wäre es, den Wettbewerb zu fördern.“ Es sei wichtig, dass sich die Preise auf dem Markt bilden.

Brunner verteidigt Regierungsmaßnahmen

Erst am Montag hatte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) einmal mehr die Maßnahmen der Regierung gegen die hohe Inflation verteidigt. Man habe diese immer mit Experten abgestimmt und sich „zurückgehalten, was die Gießkanne betrifft“, sagte Brunner im Klub der Wirtschaftspublizisten. „Dass der Staat alles richten kann und zu 100 Prozent kompensieren kann, davon muss man sich verabschieden“, sagte er.

Weil die Inflation über dem EU-Durchschnitt liegt, werden die Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Inflation häufig kritisiert. Kritiker orten vor allem zu wenig Treffsicherheit, Überförderung und Gießkannenmethoden.

„Nicht überall gelungen“

„Die Inflation ist weiterhin viel zu hoch, keine Frage“, so Brunner. „Unser Job ist zu unterstützen, das haben wir massiv gemacht.“ Bei Maßnahmen gegen die Teuerung müsse aber immer abgewogen werden zwischen Treffsicherheit, Geschwindigkeit und sozialem Ausgleich.

Es sei „nicht überall gelungen“, treffsicher genug zu sein, räumte Brunner ein. Allerdings sei die Möglichkeit für treffsichere Maßnahmen auch nicht immer ausreichend gegeben gewesen – beispielsweise mangle es oft an den notwendigen Datenschnittstellen. Hier erhofft sich der Minister in Zukunft Verbesserungen.

Wichtig sei, in den kommenden Jahren eine Normalisierung des Budgets zu erreichen. „Ein Budget wird ja nicht in einer Krisensituation ruiniert. Man ruiniert ein Budget, wenn man die Abzweigung nicht schafft, nach der Krise richtig herauszukommen“, so Brunner.

Brunner: Inflationsbekämpfung obliegt auch EZB

Generell müsse in der Gesellschaft die Erwartungshaltung an den Staat heruntergeschraubt werden. Der Staat könne nicht alles richten und alles zu 100 Prozent kompensieren, sagte er. Das hatte Brunner zuletzt auch in Interviews öfters betont.

Die Inflationsbekämpfung obliege auch nicht nur dem Staat, sondern „im großen Stil“ vor allem der Europäischen Zentralbank (EZB). Ob auf dieser Ebene alles richtig gemacht wurde, sei fraglich, allerdings habe es auch der EZB an Spielraum gemangelt, da ein zu frühes Drehen an der Zinsschraube die Schuldensituation in einigen EU-Ländern stark beeinträchtigt hätte.

Kritik von FPÖ und SPÖ an Regierung

Die FPÖ übte Kritik an den Aussagen des IHS-Chefs. „Anstatt dass Neusser die Wurzel des Übels beim Namen nennt, nämlich das Regierungsversagen, versucht er dem österreichischen Bürger die Verantwortung zuzuschreiben“, schrieb die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung. Es sei „an der Zeit, Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel sowie Treibstoffpreise zu senken und Mietpreise zu deckeln“, forderte Belakowitsch.

Die SPÖ machte die Bundesregierung für die hohe Teuerung mitverantwortlich. „Die Teuerung in Österreich ist zum guten Teil hausgemacht, weil die Regierung keinerlei Maßnahmen umsetzt, um Preise zu senken und damit die Inflation nachhaltig zu dämpfen“, sagte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter.