der chinesische Präsident Xi Jinping
AP/Gonzalo Fuentes
Neue Vermittlerrolle

China fordert USA heraus

China bemüht sich derzeit, sich als Vermittler in regionalen Konflikten zu etablieren. So initiierte es die im März verkündete Normalisierung der Beziehung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, kurz darauf brachte es sich als Friedensstifter im Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ins Spiel. Dabei geht es auch um geopolitische Interessen – und nicht zuletzt um einen Wettbewerb mit den USA, der sich zunehmend verschärft.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, bot der chinesische Außenminister Qin Gang in separaten Telefonaten mit dem israelischen und dem palästinensischen Chefdiplomaten eine Vermittlung seines Landes in dem seit Jahrzehnten währenden Konflikt an. Qin habe beide Seiten zu „Schritten zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen“ ermutigt. China sei bereit, dafür einen Rahmen zu schaffen, sagte er laut Xinhua in seinem Telefonat mit dem israelischen Außenminister Eli Cohen.

Dem palästinensischen Außenminister Rijad al-Maliki sagte Qin dem Bericht zufolge, China unterstütze eine schnellstmögliche Wiederaufnahme von Nahost-Friedensgesprächen. Diese sollten auf Grundlage einer Zweistaatenlösung erfolgen. Die Lage im Nahen Osten ist derzeit äußerst angespannt, seit Jahresbeginn forderte der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern bereits zahlreiche Todesfälle. Die Friedensverhandlungen liegen seit 2014 auf Eis.

der chinesische Präsident Xi Jinping und der israelische Prime Minister Benjamin Netanjahu
Reuters/Etienne Oliveau
Chinas Präsident Xi bei einem Treffen mit Israels Premier Netanjahu

Zudem teilte das israelische Außenministerium mit, es habe China gebeten, auf den Iran einzuwirken, um ihn an der Erlangung von Atomwaffen zu hindern. „Ich habe mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang über die Gefahr gesprochen, die wir im iranischen Atomprogramm sehen, eine Gefahr, die von vielen Ländern in der Region geteilt wird, einschließlich der Länder, die diplomatische Beziehungen zum Iran unterhalten“, sagte der israelische Außenminister Eli Cohen in einer Erklärung.

Auch zwischen Saudi-Arabien und dem Iran vermittelt

Die Ankündigung einer möglichen Vermittlung zwischen Israel und Palästina folgte wenige Wochen nach der von China initiierten Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Die Länder sind eigentlich aufgrund von religiösen, politischen und militärischen Spannungen regionale Rivalen. Der Iran versteht sich als Schutzmacht der Schiiten, Saudi-Arabien beansprucht diese Rolle für Sunniten.

Der Iran und Saudi-Arabien unterstützen zudem unterschiedliche Seiten in Konflikten, die die Region seit Jahren belasten, allen voran die Bürgerkriege im Jemen und in Syrien. Eine Normalisierung der Beziehungen gilt als wichtige Deeskalation der Spannungen, die auch über die Nachbarn am Persischen Golf hinausreichen, schreibt etwa die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“). Auch auf den Syrien-Konflikt könnte die Annäherung Auswirkungen haben.

der russische Präsident Wladimir Putin und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman
APA/AFP
Xi wurde in Saudi-Arabien zuletzt überschwänglich empfangen

China als „verantwortungsvolle Großmacht“

Einerseits sind die Bemühungen im Nahen Osten daher wohl als klarer diplomatischer Erfolg zu verbuchen. Gleichzeitig erhofft sich China durch seine Positionierung als Friedensstifter laut Fachleuten auch geopolitische Vorteile. „China will unter Beweis stellen, dass es eine verantwortungsvolle Weltmacht ist“, so die Sinologin und Politikwissenschaftlerin Susanne Weigelin-Schwiedrzik gegenüber ORF.at.

Die Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien werde in Peking als Präzedenzfall für die Ambitionen gesehen, international als Sicherheitsakteur aufzutreten, so auch die „FAZ“. Auch Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi nannte sein Land einen „verlässlichen Vermittler“ und bekräftigte damit eine neue, bisher unbekannte Rolle Chinas in einer Welt, in der es „nicht nur um den Krieg in der Ukraine“ geht.

Es gebe auch andere Probleme, so Wang, „die mit Frieden und den Existenzgrundlagen der Menschen zu tun haben, die die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft erfordern“. Wang wisse, dass der Vorwurf, der Westen interessiere sich nur für die eigenen Opfer, im Globalen Süden auf fruchtbaren Boden falle, so die „FAZ“.

Wettstreit mit USA

Ein weiterer, wesentlicher Punkt sei der Wettbewerb um internationale Vorherrschaft mit den USA, betont Weigelin-Schwiedrzik im Gespräch mit ORF.at. „China will zeigen, dass es Konflikte, die seit Jahren schwelen und die früher von den USA angegangen wurden, zu Ende bringen kann und sagen: Wir füllen nicht nur das Vakuum, sondern wir lösen die Probleme auch.“ Dabei gehe es auch darum, neue Verbündete zu gewinnen.

Laut „FAZ“ gibt etwa Saudi-Arabien mit der Anerkennung der Rolle Chinas in den Friedensgesprächen zu verstehen, dass es sich in einer bipolaren Welt zunehmend auf China verlasse. China wiederum sei an Stabilität in den Regionen interessiert, um seine Energieversorgung nicht zu gefährden, schreibt das deutsche „Handelsblatt“. Der Erdölstaat ist mit Blick auf die Energiewende auf der Suche nach verlässlichen Partnern. China ist bereits jetzt der wichtigste Abnehmer von saudischem Erdöl.

Eine diplomatische Verschlechterung zwischen den USA und Saudi-Arabien spielt China weiter in die Hände: So hatte die Regierung Saudi-Arabiens im Streit um die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi die USA vor Einmischung und ein „Aufzwingen der Werte“ gewarnt. Kritik der USA an der Lage der Menschenrechte und am Krieg im Jemen haben haben die Lage weiter verschärft.

Ukraine-Krieg machte China „Strich durch die Rechnung“

Auch im Ukraine-Krieg hat China zuletzt Vermittlungsambitionen erkennen lassen und in einem mit Spannung erwarteten Positionspapier zu einem Waffenstillstand und einer Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen den Ländern aufgerufen. Der Westen reagierte jedoch mit Skepsis auf Chinas Initiative. NATO und EU kritisierten etwa, dass China wiederholt für Russland Partei ergriffen habe.

der russische Präsident Wladimir Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping
AP/Pavel Byrkin
China profitiert in vielerlei Hinsicht von einem guten Verhältnis zu Russland

Laut Weigelin-Schwiedrzik hat China jedoch sehr wohl ein starkes Interesse daran, dass der Krieg rasch beendet wird. „Der Krieg in der Ukraine hat China einen Strich durch die Rechnung gemacht“, so die Sinologin. „China wollte ursprünglich mit den USA eine einvernehmliche Lösung finden, wie man sich die Welt teilt. Durch den Krieg sind die Pläne durcheinandergeraten und die Hoffnung, dass man sich mit den Amerikanern noch einigen kann, geschwunden.“

Militärische Eskalation „jeden Tag“ möglich

China wolle zudem nicht nur die eigene Wirtschaft ankurbeln und in Russland investieren – es brauche auch einen starken Partner im Fall einer militärischen Auseinandersetzung mit Taiwan. Denn ungeachtet der Bemühungen, international als friedensstiftende Partei aufzutreten, hält Weigelin-Schwiedrzik den Ausbruch eines Krieges zwischen China und Taiwan jederzeit für möglich.

Die kommunistische Führung in Peking betrachtet das unabhängig regierte Taiwan als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. „Der Konflikt könnte jeden Tag militärisch eskalieren, es braucht nur ein Unfall passieren, und dann haben wir den Schlamassel“, so die Sinologin. Profitieren würde davon auch in Hinblick auf zerstörte taiwanische Produktionsanlagen für avancierte Chips niemand – auch nicht China.