Lebensmittel
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Warten auf „normale“ Preise

Die Inflation in Österreich ist zuletzt leicht gesunken und befindet sich nun unter der Zehnprozentmarke. An der Supermarktkassa ist der Rückgang nicht zu spüren. Die Teuerung von Lebensmitteln folgt zwar langsam dem Inflationstrend, das Niveau bleibt aber hoch. Ein geplantes Gespräch Anfang Mai soll Klarheit über die hohen Preise bringen, doch die Aussichten für die Zukunft bleiben vage.

Die Lebensmittelpreise werden bereits seit Monaten mit Argusaugen beobachtet. Nachdem zuerst die Energiepreise in Folge des russischen Angriffskrieges enorm gestiegen waren, mussten wenig später Kundinnen und Kunden im Handel tiefer in die Tasche greifen. Zum Jahreswechsel erreichte der Verbraucherpreis seinen Höhepunkt, mittlerweile geht es langsam abwärts. Die Lebensmittel verteuerten sich laut Statistik Austria zwar im März weniger stark als im Februar. Trotzdem ist das Niveau deutlich höher als noch vor einem Jahr.

In den vergangenen Wochen rückte wieder stärker die „Schuldfrage“ in den Vordergrund. Während die eine Seite eine „Preistreiberei“ durch Unternehmen ortet, argumentiert die andere, die Branche würde nur die erhöhten Weltmarktpreise weitergegeben. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) lädt den Handel und Fachleute zu einem Gipfel ein, um zu klären, wie es zu den hohen Preisen gekommen ist. Rauch meinte, dass bei Lebensmitteln die Teuerung überdurchschnittlich sei. Bereits seit Herbst untersucht die Bundeswettbewerbsbehörde die Branche.

Kostenabwälzung bis zum Schluss

Die Branche verweist gegenüber ORF.at aber auf ihre eigenen Kosten. Rohstoffpreise, Personalaufwände, die Energiesituation, Engpässe bei Vorprodukten: „All das hat Auswirkungen darauf, wie Hersteller ihre Preise kalkulieren müssen“, teilte Spar mit. Die Verkaufspreise würde man „nur nach den Einkaufspreisen“ gestalten. Mit den Lieferanten werde zwar stark verhandelt, die Preise müssten aber nicht nur leistbar, sondern auch für Produzenten lebbar sein, so der Konzern, der vergangenes Jahr ein Umsatzplus von 4,7 Prozent erwirtschaftete.

Auch der REWE-Konzern verwies auf die gestiegenen Kosten. „Nicht alles können wir abfedern, wir achten aber darauf, nur dort Preisanpassungen vorzunehmen, wo es tatsächlich einen hohen Kostendruck gibt“, betonte das Unternehmen, zu dem Billa, Penny und ADEG gehören. REWE konnte im vergangenen Jahr seinen Umsatz im Lebensmittelbereich um 4,6 Prozent steigern, beim Diskonter Penny allein waren es 9,2 Prozent. Zahlen von Hofer und Lidl sind noch nicht öffentlich, die Diskonter betonten mit Blick auf die Preise aber die hohen Kosten, mit denen man konfrontiert sei.

Nach der Ankündigung von Minister Rauch, sich die Preise anschauen zu wollen, ging der Handelsverband in die Offensive. Der heimische Lebensmittelhandel agiere „inflationsdämpfend“ und habe 2022 ein „inflationsbereinigtes Umsatzminus von 3,2 Prozent“ erwirtschaftet. Gleichzeitig verwies der Handelsverband auf eine aktuelle Analyse der industrienahen Agenda Austria, laut der die Lebensmittelpreise im EU-Vergleich unterdurchschnittlich stark gestiegen sind. Zum Gespräch müssten deshalb auch internationale Markenartikelproduzenten und die Landwirtschaft eingeladen werden.

Frisch verpackte Lebensmittel auf einem Förderband
IMAGO/Westend61/Imago Stock&people
Der Handel verweist auf die Industrie, die Industrie verweist auf den Handel

Angespanntes Verhältnis zwischen Handel und Industrie

Zwischen Produzenten und Handel donnert es in den letzten Monaten öfters. Der Handel warf den Lieferanten Preistreiberei vor, die Industrie sah sich wegen der vielen Eigenmarken des Handels ausgebremst. An der angespannten Lage dürfte sich seither wenig geändert haben. So hielt Spar fest, dass man nach wie vor mit „starken Preisforderungen seitens der Hersteller“ konfrontiert sei. Der REWE-Konzern verwies auf laufende Gespräche. Mit einigen Industriepartnern sei man sich bereits einig, bei den anderen sei man zuversichtlich. In der Zwischenzeit biete man „sehr erfolgreich Alternativprodukte“ an, betonte REWE.

Die Gespräche mit dem Handel seien „traditionell herausfordernd“, in diesen Zeiten gestalten sie sich allerdings als „besonders schwierig“, teilt die Lebensmittelindustrie mit – mit dem Verweis auf die starke Konzentration im Handelssektor und einer „Kostenwelle“. Die Kosten für Rohwaren, Energie, Verpackung und Logistik würden bereits 80 Prozent der Herstellungskosten eines Lebensmittels ausmachen. Lange habe man die Steigerungen selbst getragen. Doch zuletzt habe der Einkaufspreis, den der Handel zahlen muss, die gestiegenen Herstellungskosten nicht mehr „bestmöglich abgedeckt“. Klar sei aber, so die Industrie, dass die Verkaufspreise der Handel festlegt.

Dabei kalkulieren alle auch mit den gestiegenen Rohstoffpreisen. Laut einer ersten Schätzung der Statistik Austria fuhr die Landwirtschaft im Jahr 2022 ein deutliches Plus ein. Die Landwirtschaftskammer mahnt allerdings ein, dass die eigenen Kosten auch gestiegen und die Produktpreise der Bauern und Bäuerinnen „viele Jahre viel zu niedrig“ gewesen seien. Der „kurzfristige Preisanstieg“ für landwirtschaftliche Rohstoffe sei daher auch in einem längeren Zeitraum zu beurteilen, so die Kammer. Der Preis des Bauern mache zudem oft einen „viel zu geringen Anteil“ des Konsumentenpreises aus.

Keine Maßnahmen geplant

Die Suche nach dem oder den „Schuldigen“ ist allerdings nur eine Seite der Debatte. Im Raum stehen abermals politische Maßnahmen, um die Preise nach unten zu drücken. Eine Senkung der Umsatzsteuer wird in unregelmäßigen Abständen ventiliert. Befürworterinnen sehen darin eine spürbare Entlastung für ökonomisch schwache Haushalte, Kritiker hingegen eine Maßnahme, die nicht treffsicher sei. Laut einer Analyse des Budgetdiensts würden insbesondere die finanziell schwächsten Haushalte von der Senkung der Umsatzsteuer profitieren: je höher das Einkommen, desto geringer die relative Entlastungswirkung.

Allerdings wird auch die Frage in den Raum gestellt, ob eine Senkung tatsächlich eins zu eins an die Verbraucher und Verbraucherinnen weitergegeben wird. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut hat zuletzt analysiert, dass Profitstreben der Unternehmen die Inflation befeuern. Speziell die SPÖ, aber auch die FPÖ ventiliert daher neue Maßnahmen der Regierung. Daraus dürfte so schnell allerdings nichts werden. ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher meinte zuletzt, ein funktionierender Wettbewerb würde „am besten“ zu Preisen führen, „die im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten sind“.

Hohe Teuerung bei Lebensmitteln

Die Lebensmittelpreise haben in den letzten Monaten eine Achterbahnfahrt erlebt. Der Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) möchte nun herausfinden, wie diese Preise eigentlich zustande kommen.

Vage Ansagen für die Zukunft

Und was sagen die Marktteilnehmenden selbst? Wann kann mit niedrigen Preisen gerechnet werden? Während die Preise der Rohstoffe seit längerer Zeit rückläufig sind, würden andere Kosten weiterhin auf hohem Niveau bleiben, betonte die Landwirtschaftskammer. So sei der Weizenpreis pro Tonne wieder deutlich unter 300 Euro gefallen. Kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges lag der Preis bei über 400 Euro. Ähnliche Entwicklungen gebe es auch bei anderen Produkten, was aus Sicht der Landwirtinnen und Landwirte herausfordernd sei, so die Interessensvertretung.

Weizenfeld
ORF.at/Viviane Koth
Rohstoffpreise gehen langsam zurück, die Kosten für Vorleistungen bleiben laut Branchenvertretern hoch

Laut der Lebensmittelindustrie wirken sich diese Entwicklungen noch nicht unmittelbar dämpfend auf den Preis produzierter Lebensmittel aus. Diese wurden nämlich mit den damals vorherrschenden Kosten kalkuliert. Zudem gebe es auch noch Lieferverträge, „die in der Zeit der Preishausse abgeschlossen werden mussten“, so die Branche. Wie es künftig weitergeht, sei schwer abzuschätzen. „Kostentreiber werden weiterhin die Energie- und Treibstoffpreise und die Menge und Qualität der verfügbaren landwirtschaftlichen Rohwaren bleiben.“

Der Handel bleibt mit Prognosen ebenfalls auf der vorsichtigen Seite. Zwar sehe man leichte Anzeichen einer Besserung. Wann es zu einem signifikanten Preisrückgang kommt, könne man allerdings nicht sagen. Viele Faktoren seien nicht planbar oder vorhersehbar, so die Argumentation. Ändert sich etwas an den Konditionen der Lieferanten, würde das in die Kalkulationen der Verkaufspreise einfließen und an die Kunden und Kundinnen weitergegeben werden, so die Lebensmittelhändler.