Krankenschwester betritt ein Krankenzimmer
ORF/Birgit Hajek
Prekäre Lage in Spitälern

Med-Uni-Rektor ortet „Abwärtsspirale“

Viele Spitäler in Österreich sind am Limit, sie leiden unter Personalmangel – gesperrte Betten sind die Folge. Zuletzt brachte etwa die Wiener Klinik Ottakring eine Gefährdungsanzeige ein, gewarnt wurde vor einem zeitweiligen Ausfall der Notaufnahme wegen Personalmangels. Doch das ist nur ein Beispiel für die österreichweit prekäre Lage. Der Rektor der Med Uni Graz, Hellmut Samonigg, sagte, man müsse die „Abwärtsspirale stoppen“ – die Lage sei teils „besorgniserregend“.

Die Gefährdungsanzeige der Klinik Ottakring zeigte zuletzt verheerende Zustände auf – 200 Betten seien im Spital wegen Personalmangels gesperrt. Wegen mehrerer Kündigungen könne das Dienstrad für Oberärztinnen und Oberärzte an einzelnen Tagen „zukünftig intern nicht mehr besetzt werden“, hieß es in der Anzeige zudem – mehr dazu in wien.ORF.at. Bewerberinnen und Bewerber für Nachbesetzungen sind kaum zu finden, obwohl zuletzt auch ein Headhunter eingesetzt wurde.

Doch nicht nur in Wiens Spitälern müssen Akuterkrankte teils stundenlang auf die Versorgung warten. Im Kepler Universitätsklinikum Linz, dem zweitgrößten Spital Österreichs, sind derzeit 140 von 1.620 Betten gesperrt. „Zu wenige, sagen Kollegen“, so Betriebsratschef Helmut Freudenthaler am Mittwoch gegenüber dem Ö1-Morgenjournal. Das Personal würde sich wünschen, mit weniger Patienten konfrontiert zu sein, um eine „würdige“ Versorgung garantieren zu können.

Situation „in einzelnen Bereichen besorgniserregend“

Samonigg bestätigte die angespannte Lage für das dortige LKH und darüber hinaus. Die Probleme bestünden schon länger und hätten seit Herbst 2021 zugenommen. „In einzelnen Bereichen“ sei die Situation besorgniserregend, so Samonigg. Es könne derzeit gar nicht gelingen, die Lage zu verbessern, sagte der Med-Uni-Rektor – es gehe darum, die „Abwärtsspirale zu stoppen“ und Maßnahmen zu ergreifen, „damit es nicht noch schlimmer wird“.

Anders als in anderen Spitälern gebe es am LKH-Universitätsklinikum Graz aktuell „kaum oder keinen“ Ärztemangel, berichtete Samonigg. „Hier ist das Riesenthema der Mangel an Pflegekräften und damit die erforderliche Reduktion im stationären Bereich und im Bereich der Intensivstationen und OPs.“ Das wirke sich gravierend aus.

„Ärzte nicht dort, wo sie gebraucht werden“

Samonigg sprach von einer „Abwärtsbewegung“: Viele Ärztinnen und Ärzte würden die Spitäler verlassen, eigene Praxen eröffnen oder in den niedergelassenen Bereich wechseln. „Es ist nicht die Zahl der Ärzte, die zu gering ist, sondern das Problem ist, dass Ärzte nicht dort sind, wo sie gebraucht werden.“ Es gebe „sicher nicht nur das Thema der Bezahlung“, so Samonigg, es habe organisatorische Gründe, wieso man in diese Situation geraten sei.

Kandioler-Kiml über die Situation in den Spitälern

Andrea Kandioler-Kiml von der ZIB-Chronikredaktion spricht unter anderem über die derzeitige Situation der Spitäler und ob Österreich wirklich ein Personalproblem hat. Des Weiteren bespricht sie, dass der Dienst im Spital für Ärztinnen und Ärzte weniger attraktiv ist als eine eigene Wahlarztpraxis.

Für das verbliebene Personal in den Spitälern sei das ein „sehr massives Problem“, dieses würde von den Verantwortlichen oftmals nicht auf den Tisch gelegt, so Samonigg. Das führe dazu, dass sich jene, die unter enormem Druck arbeiten, nicht ernst genommen und wertgeschätzt fühlen. All das führe zu einer eingeschränkten Behandlungsqualität und einem erhöhten Fehlerrisiko. Viele würden dem enormen Druck nicht mehr standhalten wollen oder können.

„Alle müssen an Tisch kommen“

Die zu niedrige Bezahlung sei nicht das einzige Problem: „Wer glaubt, wir schütten da einfach mehr Geld hinein und lösen das Problem: Das stimmt nicht“, sagte der Grazer Med-Uni-Rektor. Zwar müsse die finanzielle Attraktivität der Pflegedienste gesteigert werden. Samonigg verwies jedoch auf „organisatorische und strukturelle Hintergründe“, die zu den aktuellen Engpässen geführt hätten.

„Die Spitalsbetreiber sind nicht die alleinige Ursache für diese Situation, sondern auch der niedergelassene Bereich.“ Für mittelfristige Verbesserungen müssten alle an den Tisch kommen und die Versorgungssituation im niedergelassenen Bereich „mindestens so intensiv“ angeschaut werden wie jene im Spitalsbereich: „Die Spitäler sind überlastet, weil man im niedergelassenen Bereich zu wenige offene Arztordinationen hat. Das ist ein komplexes Thema.“

Sinkendes Vertrauen „das Letzte, was wir brauchen“

Landespolitik und Spitalsträger seien sich des Ernstes der Lage sehr wohl bewusst, so Samonigg. Was fehle, sei eine offene Kommunikation. Das führe zu Ängsten von potenziellen Patientinnen und Patienten. Wenn man nicht offen kommuniziere, „wird das Vertrauen in das System noch mehr eingeschränkt – und das ist das Letzte, was wir brauchen“. Man bringe damit ein hochqualitatives Versorgungssystem in eine Situation, die gar nicht gerechtfertigt sei.