Skifahrer verlassen in der Bergstation eine Seilbahngondel
ORF/Christian Öser
Seilbahnbilanz

Hörl sieht Skifahren für 50 Jahre gesichert

Weiße Schneebänder auf Österreichs Talabfahrten haben auch in der abgelaufenen Wintersaison den Tourismus mehrmals ins mediale Rampenlicht gerückt. Der Wirtschaftskammer-Fachverbandsobmann und Nationalratsabgeordnete Franz Hörl (ÖVP) sah bei der Seilbahntagung in Innsbruck am Rande der Interalpin-Messe indes die Zukunft des Skifahrens für mindestens 50 Jahre gesichert. Stimmen aus der Wissenschaft sehen das anders.

Hörl nannte am Mittwoch als Argument die kräftigen Investitionen der Branche und brachte als Beispiel seine Heimat, die Zillertal Arena. Dort werden heuer rund 30 Mio. Euro in Neubauten investiert: „Wir wären ja alle schlechte und verantwortungslose Kaufleute, wenn wir nicht daran glauben, dass diese Anlagen in den nächsten 30, 35 Jahren funktionieren.“ Man müsse sich aber in „Randbereichen überlegen, was man tut“, räumte Hörl ein.

Auch Erik Wolf, Geschäftsführer des Fachverbandes der Seilbahnen, merkte an, dass man schon sehe, „dass die Geschichte volatiler wird“. Die Schneesituation sei jedoch regional sehr unterschiedlich gewesen. Zu Saisonbeginn hatte man „beste Verhältnisse in Kärnten. Im Westen war es eben anders.“ Zu den vielen schweren Skiunfällen in dieser Saison meinten Hörl und Wolf unisono, dass Skiunfälle tendenziell zurückgingen. Die schweren Unfälle seien auch auf das „Verhalten der Gäste“ zurückzuführen.

Seilbahnbetreiber ziehen Bilanz

Österreichs Seilbahnbetreiber haben am Mittwoch über die vergangene Wintersaison Bilanz gezogen. Die Auslastung sei ähnlich wie vor der CoV-Pandemie gewesen.

Hörl gegen Schlechtreden

Mit Blick auf die abgelaufene Wintersaison, die einen schneearmen Start hingelegt hatte, holte Hörl zur Medienschelte aus und ärgerte sich darüber, dass das „Bild gezeichnet wurde“, dass Skifahren „überhaupt nicht gutgeht“. „Weiße Bänder sind Realität“, aber in Skigebieten ab 1.500 Meter Seehöhe habe es eine „durchgehende Schneedecke gegeben“, sagte der Seilbahner. Es sei für die Branche „gefährlich“, wenn „ständig“ berichtet werde, dass Skifahren „eh nur mehr zehn Jahre“ möglich und „ökologisch verantwortungslos“ sei.

Auto unter Schneehaube
APA/Markus Angerer
Schneemassen gab es heuer deutlich seltener

„Das tut uns schon weh, wenn unsere Kunden das Gefühl haben, sie tun der Umwelt weh, wenn sie Ski fahren gehen“, sagte Hörl. Hörl und Wolf wollten einmal mehr ihre Branche nicht in das „Stromfressereck“ gestellt wissen. Immerhin mache man nur 0,3 Prozent des österreichischen Gesamtenergieverbrauchs aus, der Energieverbrauch der Beschneiungsanlagen habe sich innerhalb einer Generation halbiert bzw. gedrittelt.

„Pandemie überwunden“

In der Wintersaison 2022/2023 habe die Branche fast an das Vor-Pandemie-Niveau anknüpfen können, die meisten Skigebiete hätten die „Pandemie überwunden“. Vergleichbar sei die Saison mit 2019/2020 gewesen, als gegen Saisonende die Pandemie ausgebrochen war.

Wolf merkte an, dass die gestiegenen Ticketpreise vor allem bei österreichischen Kunden eine „massive Rolle“ gespielt hätten, bei den Deutschen und Schweizer Kunden dagegen kaum. Insgesamt hätten die Gäste „nicht gespart“, allerdings gehe die Tendenz in Richtung Tagesausflüge. Mit 47,3 Mio. Ersteintritten (einzelne Skitage) zeigte sich die Branche aber zufrieden.

Schneeband in Riezlern (Vorarlberg)
APA/EXPA/Jfk
In einigen Skigebieten sah es heuer während Teilen der Saison so aus

Meteorologin: „Zug abgefahren“

Der vergangene Winter fiel jedenfalls im Jahresvergleich deutlich zu schneearm und zu warm aus. Aufgrund des Klimawandels ist künftig mit ähnlichen Wintern zu rechnen. Das hat Auswirkungen auf den Wintersport und den Tourismus, wie Claudia Riedl, Meteorologin bei GeoSphere Austria, am Mittwoch deutlich machte: „Für Skigebiete unter 1.300 Metern ist der Zug abgefahren.“

Selbst bei Einhaltung der Klimaziele und weiteren Klimaschutzmaßnahmen rechnet die Expertin damit, dass es in diesen Regionen ab 2050 einen touristischen Wintersportbetrieb in der bisherigen Form nicht mehr geben wird, wie sie in einer Onlinepressekonferenz der Plattform für ein klimaneutrales Salzburg deutlich machte. „Die Maßnahmen bei der technischen Beschneiung werden dann einfach so herausfordernd sein, dass das wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist“, meinte Riedl.

Infografik zum Schneetrend Österreichs bis 2100 unter Einhaltung des 2-Grad-Ziels
Infografik zum Schneetrend Österreichs bis 2100 im „worst case“ Szenario
FuSE-AT/ORF FuSE-AT/ORF
Entwicklung der Schneelage bis 2100 mit verschiedenen Klimaschutzmaßnahmen. Zum Vergleichen blauen Button verschieben.

Aus ihrer Sicht sind in absehbarer Zeit durchgehende Wintersaisonen mit schneesicheren Monaten bzw. hinreichend tiefen Temperaturen vorbei, die für die Produktion und den Erhalt von Kunstschnee notwendig sind. „Das betrifft dann vor allem stadtnahe Skigebiete, die für die Bevölkerung schnell erreichbar sind“, erläuterte die Meteorologin.

„Politik hinkt Wirtschaft hinterher“

Schon jetzt ist zu beobachten, dass im Wintertourismus zwar die Nächtigungen zunehmen, aber verstärkt auf Kurzurlaube gesetzt wird, was in Summe die An- und Abreisen erhöht, wie Moritz Nachtschatt, Geschäftsführer von Protect Our Winters (POW), erklärte.

Umso wichtiger wäre es daher, Skigebiete mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar zu machen und in diesem Bereich klimapolitische Maßnahmen zu ergreifen, meinte Nachtschatt: Einzelne Betriebe wie Snow Space Salzburg – der Zusammenschluss der Skiorte Flachau, Wagrain und St. Johann – gingen bei der Reduktion des Energieverbrauchs bereits „mit gutem Beispiel“ voran, so Nachtschatt: „Aber es ist ein Armutszeugnis, dass die Wirtschaft zum Teil weiter voraus ist und die Politik hinterherhinkt.“

Skiprofi glaubt an Skigebietesterben

„Ein Drittel der Skigebiete wird in 20, 30 Jahren nicht überleben“, zeigte sich der alpine Skirennläufer und Klimaaktivist Julian Schütter überzeugt. Was den Profisport betrifft, „sind wir an einem Punkt, wo die Gletscher in Europa so schlecht beisammen sind, dass es keine Trainingsmöglichkeiten im Sommer gibt“.

Die, die es sich leisten könnten, würden in die südliche Hemisphäre ausweichen, andere, vor allem der Nachwuchs, „müssen einfach ihre Trainings nach hinten verschieben und können sich nicht gut auf die Saison vorbereiten“. Das senke die Konkurrenzfähigkeit und erhöhe die Verletzungsgefahr.

Skirennfahrer auf dem Rettenbachgletscher
IMAGO/Sven Simon
Ein Skirennfahrer auf dem Rettenbachgletscher

„Die Klimakrise ist jetzt und schränkt jetzt schon ein, was meine Leidenschaft und meine Profession betrifft“, betonte Schütter, der in der abgelaufenen Saison im Weltcup debütiert hatte und mehrfach in die Punkteränge gefahren war. Die Anreisen zu den Trainings seien „zu weit“, dass der Herren-Weltcup in der Saison 2022/23 zweimal Station in den USA machte, sei „komplett unnötig und kontraproduktiv“. Er habe heuer zwölf Tonnen CO2-Äquivalent produziert, davon elf Tonnen für Flugreisen, führte der 25-Jährige aus.

Keine FIS-Reaktion auf offenen Brief

Der Schladminger Speed-Spezialist sorgte zuletzt für Schlagzeilen, indem er während der alpinen Skiweltmeisterschaften in Courchevel dem Internationalen Skiverband (FIS) einen von 140 Athletinnen und Athleten unterzeichneten offenen Brief überreichte. Darin wird unter anderem Klimaneutralität aller FIS-Veranstaltungen bis 2035 sowie eine Nachhaltigkeitsstrategie zur Emissionsreduktion um 50 Prozent bis 2030 gefordert.

Er habe darauf bisher „eigentlich kein Feedback“ erhalten, hielt Schütter fest: „Die FIS hat nicht wirklich Einsicht gezeigt.“ In eineinhalb Monaten finde aber der nächste FIS-Kongress statt: „Wir hoffen schon, dass der offene Brief, das Engagement etwas bewirken wird.“

Abfahrtsklassiker bedroht

Dass die Klimakrise und die damit einhergehenden milden Winter den Weltcup-Kalender in Zukunft verändern werden, ist für Schütter klar. Mittelfristig wird man etwa nach seinem Dafürhalten in Garmisch-Partenkirchen keine Abfahrten mehr fahren können. Die Kandahar-Abfahrt – sie gilt als eine der anspruchsvollsten Strecken im alpinen Skiweltcup, der Start liegt auf 1.690, das Ziel auf 720 Metern – wäre damit Geschichte.

Dass der Skiweltcup bereits Ende Oktober beginnt, ist für Schütter „nicht vertretbar“, wie er bekräftigte: „Man zeichnet damit ein falsches Bild von der Wintersaison.“ Insofern fänden auch die für Mitte November geplanten Speed-Rennen in Zermatt/Cervinia „zum falschen Zeitpunkt“ statt: „Sie zwingen zu einem früheren Trainingsbeginn, was wiederum zu mehr Flügen führt.“