Artem Uss war im Oktober am Mailänder Flughafen verhaftet worden – auf Ersuchen Washingtons. Damals lag gegen Uss und vier weitere Russen ein US-Haftbefehl vor, in dem diese der Umgehung von Sanktionen und der Geldwäsche in Millionenhöhe beschuldigt wurden. Uss soll Militärtechnologie aus den USA nach Russland geschmuggelt haben.
Pikant daran war, dass Artem Uss auch in Russland wegen Geldwäschevorwürfen gesucht worden war. In Mailand wurde er schließlich unter Hausarrest gestellt, bis eine Auslieferung an die USA erfolgen sollte. Dort hätten ihm bis zu 30 Jahre Haft gedroht.
Doch dazu kam es nicht, der 40-Jährige zerstörte im April seine Fußfessel und floh – mutmaßlich mit Hilfe des russischen Geheimdienstes – aus dem Hausarrest. Kurz darauf tauchte er in Moskau wieder auf. „Das italienische Gericht, von dem ich erwartet hatte, dass es unparteiisch ist, hat eine klare politische Voreingenommenheit gezeigt“, sagte er nach seiner Rückkehr nach Russland. Er habe sich den Moskauer Ermittlungsbehörden gestellt, ließ er wissen. Uss und sein Vater, Gouverneur der sibirischen Region Krasnojarsk, kritisierten die Verhaftung als politisch motiviert.
„Ich bin nur froh, dass mein Sohn wieder zu Hause ist. Und dafür danke ich Wladimir Putin. Unser Land hat viele Freunde und ehrliche Menschen, die es unterstützen und bereit sind, im richtigen Moment zu helfen. Ich weiß, wovon ich rede“, so Vater Uss.
Streit in Italien ausgelöst
In Italien hat die Flucht von Uss für viel Aufregung gesorgt. Wie es sein kann, dass ein gesuchter Russe unter Beobachtung aus einem EU-Land fliehen kann, warf viele Fragen auf. Italiens Premierministerin Giorgia Meloni sagte, man müsse die „Anomalien“ und „fragwürdigen Begründungen“ in diesem Fall aufklären. Justizminister Carlo Nordio entsandte Inspektoren nach Mailand, um herauszufinden, warum Uss überhaupt der Hausarrest erlaubt wurde.
Zudem leitete er ein Disziplinarverfahren gegen drei Richter ein, die den Hausarrest gewährt hatten. Nordio warf den Richtern des Mailänder Berufungsgerichts „grobe und unentschuldbare Fahrlässigkeit“ vor. Das wiederum brachte dem Minister Vorwürfe ein, sich in die unabhängige Justiz einzumischen. Nordio hätte eingreifen können, als Uss unter Hausarrest gestellt wurde, habe das aber nicht getan, so die Nationale Vereinigung der Richter und Staatsanwälte. Auch die Vereinigung der Mailänder Anwälte betonte in einer Erklärung, sie sehe „ein starkes Element der Einschüchterung“.
In italienischen Medien wird bis dato über die Hintergründe spekuliert, zumal auch viele italienische Unternehmen und Politiker enge Kontakte zur einflussreichen Familie Uss pflegten, darunter auch die rechte Lega und Ex-Premier Silvio Berlusconi.
Aufstieg des Vaters, Fahndungsaufruf gelöscht
Artem Uss ist nun jedenfalls wieder in Russland, wo sein Vater nun Aufstiegschancen wittert. Am Donnerstag wurde der Gouverneur von Kreml-Chef Wladimir Putin von seinem Amt unter Lobeshymnen abgesetzt. Der 68-jährige Uss hat nach eigenen Angaben ein Angebot, in die nationale Politik zu gehen.
Medienberichten zufolge soll er später als Senator für die Region Krasnojarsk ins Oberhaus des russischen Parlaments, den Föderationsrat, wechseln. Gleichzeitig zur Absetzung durch Putin verschwand laut Medienberichten auch der Fahndungsaufruf gegen Artem Uss aus der Datenbank des russischen Innenministeriums.