Stasischnipsel werden zusammengesetzt
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15.500 Säcke mit Schnipseln

Rekonstruktion von Stasi-Akten gescheitert

Als „vollständig gescheitert“ stuft der deutsche Rechnungshof den 17 Millionen Euro teuren Versuch ein, zerrissene Akten des früheren Staatssicherheitsdienstes (Stasi) in der DDR digital wieder zusammenzusetzen. In 28 Jahren seien nur insgesamt 3,2 Prozent der Schriftstücke wiederhergestellt worden, davon 0,1 Prozent virtuell. Die Rechnungsprüfer fordern, die Rekonstruktion der Unterlagen „umgehend neu auszurichten“.

Beschäftigte des Ministeriums für Staatssicherheit hatten während der Revolution in der DDR 1989 und 1990 im großen Stil Akten des Geheimdienstes zerrissen. Rund 15.500 Säcke mit Schnipseln wurden gesichert in der Hoffnung, die zeitgeschichtlich wichtigen Dokumente wieder zusammenzusetzen. Es wird angenommen, dass darin wichtige Informationen zur Stasi-Überwachung aus 40 Jahren DDR-Geschichte stecken.

Auch Abgeordnete des deutschen Bundestages hofften, auf diese Weise noch diejenigen Stasi-Kollaborateure bei der Überprüfung des öffentlichen Dienstes zu erwischen, die die Offiziere des einstigen DDR-Staatssicherheitsministers Erich Mielke vor Entdeckung hatten schützen wollen.

Säcke voller Stasischnipsel in einem Regal
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Von 15.500 Säcken mit Schnipseln wurde nur ein winziger Bruchteil bearbeitet

Hoffnung in den E-Puzzler versiegte

Ein renommiertes Forschungsinstitut, das Berliner Fraunhofer-Institut für computergesteuerte Produktionsanlagen und Robotertechnik (IPK), hatte ein Computerprogramm entwickelt, mit dem die Papierschnipsel erkannt und zusammengesetzt werden konnten: einen E-Puzzler, im Volksmund auch „Stasi-Puzzle“ genannt. In einem Test sollten zunächst Schnipsel aus 400 Säcken virtuell wieder lesbar gemacht werden. Obwohl der E-Puzzler grundsätzlich funktionierte, gab es so viele technische Hürden, dass zunächst nur 23 Säcke mit 91.000 Seiten bearbeitet wurden.

Seit 2013/14 wurde schließlich keine einzige Stasi-Akten-Seite mehr elektronisch gepuzzelt, wie der MDR im heurigen Jänner berichtete. Dabei hatte der Deutsche Bundestag weitere zwei Millionen Euro bereitgestellt, mit dem festen Willen, das Projekt fortzusetzen. Aber die Mittel wurden vom Bund bis heute nicht abgerufen. Schließlich erging die Weisung, die Akten wieder verstärkt per Hand zu rekonstruieren.

847 weitere Jahre bei gleichbleibendem Tempo

Die deutschen Rechnungsprüfer kritisierten in ihrem Bericht nun die Staatsminister für Kultur und Medien der vergangenen zehn Jahre. Sie seien trotz wiederholter Hinweise untätig geblieben. Es sei nicht nachvollziehbar, warum an der Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut festgehalten werden solle. „Bei diesem Arbeitstempo wären die Unterlagen erst in rund 847 Jahren wiederhergestellt“, hielten die Prüfer fest. Betroffene könnten sich damit keinen Zugang zu den über sie gesammelten Daten mehr beschaffen.

Regal mit Stasi-Akten
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Nachdem digital nichts mehr weitergegangen war, wurden einige der zerstörten Stasi-Akten per Hand zusammengesetzt

Zuständigkeit in deutsches Bundesarchiv überführt

Für die Millionen Stasi-Akten sowie Tausende Fotos und Tonträger der DDR-Staatssicherheit ist in Deutschland seit rund zwei Jahren das deutsche Bundesarchiv zuständig. Die Stasi-Unterlagen-Behörde, die zuvor die Dokumente verwaltete, wurde nach knapp 30 Jahren geschlossen. Die Behörde mit dem riesigen Archiv geretteter Dokumente des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) galt als Errungenschaft der friedlichen Revolution in der DDR 1989/90. Sie wurde zur Institution bei der Aufarbeitung der Vergangenheit.

Bis zu ihrer Schließung wurden allein knapp 3,5 Millionen Anträge von Menschen gestellt, die persönlich einen Blick in Papiere werfen wollten, die die Stasi heimlich über sie anlegte. Bei der Behörde gingen seit ihrem Bestehen 7,3 Millionen Ersuchen und Anträge ein, auch von Behörden und Wissenschaftlerinnen.