der Sikh-Anführer Amritpal Singh mit bewaffneten Unterstützern
AP/Prabhjot Gill
Indien

Sikh-Prediger nach langer Flucht gefasst

Nach wochenlanger Fahndung hat die indische Polizei einen radikalen Sikh-Prediger festgenommen. Wie die Polizei am Sonntag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, wurde Amritpal Singh in Moga im nordindischen Bundesstaat Punjab gefasst. Singh hatte Anfang des Jahres mit der Forderung nach der Errichtung eines unabhängigen Sikh-Staates namens „Khalistan“ für Aufsehen gesorgt.

Die Behörden in Neu-Delhi hatten Amritpal Singh verfolgt, seit der 30-jährige Sikh-Anführer und seine mit Schwertern, Messern und Schusswaffen bewaffneten Anhänger im Februar eine Polizeistation gestürmt hatten. Zuvor war einer von Amritpal Singhs Assistenten wegen Körperverletzung und angeblicher versuchter Entführung festgenommen worden. Bei dem Angriff am helllichten Tag in einem Vorort von Amritsar waren mehrere Polizisten verletzt worden. Das erhöhte den Druck auf die Behörden, gegen den radikalen Prediger vorzugehen.

Die Polizei versuchte seither wochenlang vergeblich, Amritpal Singh festzunehmen. Mitte März wäre er schon einmal fast geschnappt worden: Berichten zufolge war er der Polizei damals auf einem Motorrad entkommen, nachdem er sich in einem Sikh-Tempel umgezogen hatte.

Ein Polizist hängt ein Fahndungsposter des Sikh-Predigers Amritpal Singh auf
APA/AFP/Narinder Nanu
Der Druck, Amritpal Singh zu fassen, war groß

Internet tagelang abgedreht

Während der Fahndung schalteten die Behörden im Punjab mit seinen 30 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern tagelang das mobile Internet ab. In manchen Regionen wurden Versammlungen von mehr als vier Menschen untersagt. Mehr als hundert Anhänger Amritpal Singhs wurden festgenommen.

Nachdem er angeblich in der Hauptstadt Neu-Delhi und an anderen Orten gesichtet worden war, veröffentlichte Amritpal Singh Ende März ein Video, in dem er die Behörden verspottete und den Polizeieinsatz als „Angriff auf die Sikh-Gemeinschaft“ bezeichnete.

Sikh-Prediger nach langer Flucht gefasst

Nach wochenlanger Fahndung hat die indische Polizei den radikalen Sikh-Prediger Amritpal Singh in Moga im nordindischen Bundesstaat Punjab gefasst. Die Behörden hatten Singh verfolgt, seit er und seine mit Schwertern, Messern und Schusswaffen bewaffneten Anhänger eine Polizeistation gestürmt hatten.

Wut im Ausland

Die Verfolgung hatte auch international für Aufregung gesorgt. Unterstützer organisierten Demonstrationen vor indischen Konsulaten in Großbritannien, Kanada und den USA, die teilweise von Vandalismus begleitet waren. In San Francisco warfen Demonstranten Fensterscheiben ein, in London wurde eine indische Flagge von der Botschaft gerissen, in der kanadischen Provinz Ontario eine Gandhi-Statue verwüstet.

Indien berief die diplomatischen Vertreter der USA, Großbritanniens und Kanadas nach Neu-Delhi ein, um zu protestieren und zu fordern, dass die Sicherheit der indischen Vertretungen in diesen Ländern gewährleistet wird. Indien hat sich in der Vergangenheit wiederholt über die Aktivitäten der Sikh-Diaspora im Ausland beschwert und ihr finanzielle Unterstützung der separatistischen Bewegung vorgeworfen.

Amritpal Singh
APA/AFP/Narinder Nanu
Amritpal Singh, hier beim Heiligtum der Sikhs, dem Goldenen Tempel, orientiert sich an dem Prediger Jarnail Singh Bhindranwale

Kampf für „Khalistan“

Sikhs sind in Indien eine religiöse Minderheit, machen aber den Großteil der Bevölkerung des Punjab, das an Pakistan grenzt, aus: Rund 58 Prozent der Bevölkerung gehören der Religion an. Mit dem Goldenen Tempel in Amritsar, einer Millionenstadt im Punjab, befindet sich auch das spirituelle Zentrum des Sikhismus in dem Bundesstaat.

Amritpal Singh, der in kürzester Zeit große Popularität aufbauen konnte, gilt als Verfechter „Khalistans“, der Idee eines separaten Sikh-Heimatlandes. Vor allem in den 1980er Jahren war die separatistische Bewegung im Punjab aktiv, deren Folge ein bewaffneter Konflikt zwischen indischer Regierung und Sikhs war.

Separatistenführer der 80er als „Inspiration“

Als Anführer der Separatisten galt der Prediger Jarnail Singh Bhindranwale, der sich 1984 im Goldenen Tempel mit Hunderten Anhängern verschanzte – und letztlich bei der umstrittenen „Operation Blue Star“ von der indischen Armee mitsamt seinen Anhängern, meist jungen Männern, getötet wurde. In der Folge wurde die damalige Premierministerin Indira Gandhi von ihren zwei Sikh-Leibwächtern ermordet, was wiederum zu Ausschreitungen führte. Letztlich kamen Tausende Sikhs ums Leben. In den 90ern verlor die Separatistenbewegung an Bedeutung.

Für Amritpal Singh gilt Jarnail Singh Bhindranwale als „Inspiration“ – auch optisch erinnert der 30-Jährige an ihn. Amritpal Singh vertritt dabei ähnliche Ansichten, wie die BBC schreibt. So sagt er etwa, der eigene Staat für die Sikhs sei die einzige „dauerhafte Lösung“ für die Probleme des Punjab, von Streit um Wasser über Drogensucht bis zum Untergang der punjabischen Kultur, so die BBC.

Dabei gilt das Punjab als relativ wohlhabender Staat. Doch in letzter Zeit kämpfte der Staat mit anhaltender Arbeitslosigkeit. Auch eine Krise in der Landwirtschaft kratzt am Ansehen des Staates – Amritpal Singh würde das zu seinen Gunsten nutzen, so Fachleute in der BBC. Auch soziale Netzwerke hätten beim Aufstieg Amritpal Singhs eine wesentliche Rolle gespielt – weil er damit mehr Menschen erreichen könne.