Flugzeug der Luftwaffe landet in Deutschland mit evakuierten Personen
picturedesk.com/dpa/Jörg Carstensen
Außenministerium

Erste Österreicher aus Sudan ausgeflogen

In der Nacht auf Montag sind 27 Österreicher und Österreicherinnen aus dem Sudan ausgeflogen worden. Das teilte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag vor dem EU-Außenministerrat in Luxemburg mit. Während Feuerpausen sei es gelungen, die Österreicher samt Angehörigen – unter ihnen auch rund ein Dutzend Kinder – mit Flugzeugen der deutschen Bundeswehr nach Jordanien auszufliegen.

Die erste Maschine sei bereits von Jordanien nach Berlin weitergeflogen und dort sicher gelandet, hieß es aus dem Ministerium. Vorausgegangen sei der Evakuierung ein intensiver und enger Austausch mit europäischen und internationalen Partnern sowie den Vereinten Nationen.

„Dank der deutschen Hilfe, dank der Franzosen ist es uns gelungen, in den letzten 24 Stunden fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher aus dem Sudan außer Landes zu bringen“, sagte Schallenberg und zeigte sich besorgt über die Situation im Sudan.

„Der Sudan erlebt, wenn man so will, einen Tsunami an Krisen, es droht ein Bürgerkrieg.“ Der Außenminister sprach angesichts einer ganzen Reihe von Putschs in Westafrika und nun den Kämpfen im Sudan von einer „sehr beunruhigenden Situation“, die das Potenzial habe, „die ganze Region mitzureißen“.

Ministerium in laufendem Kontakt

Aktuell sind noch rund 30 Österreicherinnen und Österreicher im Sudan beim Außenministerium registriert. Wie bei den außer Landes Gebrachten handle es sich zumeist um Auslandsösterreicher mit sudanesischen Wurzeln und deren Angehörige, die seit mehreren Jahren ihren Lebensmittelpunkt im Sudan haben, hieß es. Mit ihnen sei das Ministerium „laufend in direktem, persönlichem Kontakt zu den Entwicklungen und weiteren Möglichkeiten, sie bei einer sicheren Ausreise zu unterstützen, unter anderem im Rahmen weiterer geplanter Evakuierungsmissionen.“

Schallenberg sei dazu in den vergangenen Tagen im laufenden Austausch mit Amtskollegen gewesen, unter anderen mit dem EU-Außenbeauftragen Josep Borrell und dem Außenminister Saudi-Arabiens. Laut dem Außenminister versuchen auch einige der österreichischen Staatsbürger derzeit nach Port Sudan zu kommen oder Richtung Ägypten das Land zu verlassen.

Deutsche Bundeswehr unterstützt weitere Nationen

Die deutsche Bundeswehr flog mit ihrem Evakuierungseinsatz auch zahlreiche Menschen anderer Staaten aus. Die Menschen wurden zunächst mit Militärtransportern vom Typ Airbus A400M nach Jordanien gebracht, um von dort nach Deutschland zurückzukehren.

Nach einer vorläufigen Liste, die der dpa in Berlin am Montag vorlag, waren unter den 311 ausgeflogenen Personen der ersten drei Flüge mehr als die Hälfte deutsche Staatsbürger. Neben Deutschen und Österreichern wurde zudem eine einstellige Zahl Staatsangehöriger aus Australien, Bulgarien, Großbritannien, Belgien, Norwegen, Tschechien, Irland, Schweden und Portugal ausgeflogen. Auf der Liste waren auch Bürger einiger weiterer Staaten, darunter offenkundig auch Familienangehörige.

Die deutsche Bundesregierung will die Evakuierungsaktion für deutsche und ausländische Staatsbürger am Montag fortsetzen. „Wir planen natürlich diese Evakuierung heute noch fortzusetzen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes vor Journalisten in Berlin. Das hänge aber „ganz entscheidend von der Sicherheitslage vor Ort ab“. Weder das Auswärtige Amt noch das Verteidigungsministerium konnten Montagmittag jedoch sagen, wie lange das Zeitfenster für Rettungsflüge durch Zusagen der Konfliktparteien im Sudan noch bestehen bleibt.

Borrell: „Erfolgreiche Aktion“

Mehr als tausend EU-Bürger wurden nach Angaben Borrells bisher aus dem Sudan gebracht. „Es ist eine komplexe Aktion gewesen und es ist eine erfolgreiche Aktion gewesen“, sagte Borrell am Montag am Rande eines Treffens mit den EU-Außenministern. Unter den EU-Bürgern seien auch 21 Diplomaten der EU-Vertretung in Khartum.

Der EU-Botschafter im Sudan, Aidan O’Hara, befindet sich nach wie vor im Land. „Der Kapitän ist der Letzte, der das Schiff verlässt. Er ist im Sudan, aber nicht mehr in Khartum“, sagte Borrell.

Internationale Rückholaktionen

Angesichts der gefährlichen Lage im Sudan arbeiten ausländische Regierungen mit Hochdruck daran, Diplomaten und Staatsangehörige außer Landes zu bringen. Die USA, Großbritannien und mehrere EU-Staaten meldeten am Sonntag entsprechende Einsätze, teils als internationale Kooperationen angelegt. Die US-Botschaft sei bereits geräumt, hieß es aus dem Weißen Haus.

US-Botschaft in Khartum geräumt

US-Präsident Joe Biden und Außenminister Antony Blinken hatten bereits Sonntagfrüh die Evakuierung der US-Botschaft bestätigt. Washington habe die Arbeit der US-Botschaft vorübergehend ausgesetzt, da die Kämpfe im Sudan weiter andauerten, erklärte der Präsident. Blinken forderte die Konfliktparteien erneut auf, die Feindseligkeiten dauerhaft einzustellen.

Auch einige Diplomaten aus anderen Ländern seien mit an Bord gewesen, teilten Vertreter der US-Regierung mit. Insgesamt habe es sich um weniger als hundert Menschen gehandelt. Eine beträchtliche Anzahl lokaler Arbeitskräfte sei im Sudan geblieben. Man sei ohne Zwischenfälle in den Sudan hinein- und wieder herausgeflogen, sagte ein US-Militär.

Kritik an britischem Einsatz

Nachdem britische Diplomaten aus dem Sudan ausgeflogen wurden, steht die Regierung in London in der Kritik. Mehrere britische Staatsbürger beschwerten sich in Medien, sie fühlten sich allein gelassen. Die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Alicia Kearns, sagte dem Sender BBC Radio 4 am Montag, vermutlich wollten mehr als 1.000 Britinnen und Briten in Sicherheit gebracht werden.

„Das sind manchmal große Familien. Ich vermute, dass es sich um 3.000, 4.000 oder mehr Leute handelt“, sagte die konservative Politikerin. Premierminister Rishi Sunak hatte zuvor mitgeteilt, das britische Militär habe britische Diplomaten und ihre Familien in Sicherheit gebracht.

Das französische Außenministerium teilte Montagmittag mit, seine Botschaft im Sudan bis auf Weiteres geschlossen zu halten. Man werde die Arbeit von Paris aus fortführen, hieß es. Frankreich konnte laut Medienberichten zuvor 388 Menschen aus dem Sudan ausfliegen. Ein erstes Flugzeug war am Sonntagabend aus der Hauptstadt Khartum auf dem Weg nach Dschibuti, ein zweites Flugzeug sollte ebenfalls am Abend starten, wie die französischen Fernsehsender Franceinfo und BFMTV unter Hinweis auf das Außenministerium berichteten.

Soldaten beladen ein französisches Transportflugzeug
AP/French Armed Forces
Auch Frankreich beteiligte sich an der internationalen Kooperation zur Rückholung von Diplomaten

Zahlreiche Länder, darunter die Niederlande, Norwegen, Italien, die Türkei und Saudi-Arabien, versuchten ihre Staatsbürger außer Landes zu bringen. Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra sprach dabei von einer „sehr komplexen Operation“.

Tausende Sudanesen auf der Flucht

Auch Sudanesen versuchen, den Kämpfen zu entfliehen. Nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind in den vergangenen Tagen bereits bis zu 20.000 Menschen in den benachbarten Tschad geflohen. Tausende weitere seien innerhalb des Landes aus stark umkämpften Gebieten vertrieben worden.

Vor gut einer Woche waren im Sudan Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Beide hatten das Land mit rund 46 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021 geführt. Nun kämpft De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Eigentlich hätte Daglos Gruppe der Armee unterstellt und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen.

Die Zahl der getöteten Zivilisten steige täglich, so das nationale Ärztekomitee. Eine vollständige Übersicht über das Ausmaß gebe es noch nicht. Zahlreiche Verletzte hätten keinen Zugang zu Versorgung. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben seit Beginn der Kämpfe mindestens 413 Menschen, über 3.500 wurden verletzt. Die tatsächliche Opferzahl ist vermutlich weit höher.