Menschen füllen Fässer mit Wasser im Süden von Khartoum
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Kaum Wasser und Lebensmittel

Dramatische Lage für Zivilisten im Sudan

Während seit dem Wochenende viele ausländische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen durch internationale Rettungsaktionen aus Khartum gebracht worden sind, müssen viele Menschen nach wie vor in der sudanesischen Hauptstadt ausharren. Es fehlt an Wasser, Medikamenten und Lebensmitteln. Vielfach sind Kommunikationskanäle zusammengebrochen. UNO-Sonderbeauftragter Volker Perthes will weiter im Land bleiben.

Während der mittlerweile neuntägigen Kämpfe im Sudan wurden Millionen von Menschen durch Explosionen und bewaffnete Kämpfer, die auf den Straßen plünderten, in ihren Häusern eingeschlossen. Ein italienischer NGO-Mitarbeiter berichtet der BBC von Plünderungen durch Soldaten: „Kein einziges Geschäft ist verschont geblieben.“ Vieles sei verwüstet, es fehle an Sicherheitsleuten.

In Khartum ist zudem die Internetverbindung unterbrochen. Laut lokalen Quellen sollen die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) einen Internetanbieter vom Netz abgeschnitten haben, um die Armee daran zu hindern, ihre Programme im nationalen Fernsehen zu streamen.

Beschädigtes Gebäude in Khartoum
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Viele Gebäude in der Hauptstadt Khartum wurden durch Artilleriebeschüsse beschädigt

USA warnen vor humanitärer Krise

Die USA warnten am Montag vor einem Mangel an lebenswichtigen Medikamenten, Lebensmitteln und Wasser im Sudan. Besonders für Verletzte und Kranke ist die Lage prekär. Nur 35 Krankenhäuser und Kliniken seien in dem Land mit 46 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern noch funktionstüchtig, berichtete das sudanesische Ärztekomitee. Und selbst diesen gehen die Medikamente aus. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen gibt es kaum noch Blutkonserven im Land.

Ein Katastrophenhilfeteam der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) wurde in den Sudan entsandt, um die humanitäre Hilfe zu koordinieren. Das Team soll laut USAID-Chefin Samantha Power anfangs von Kenia aus operieren.

Menschen füllen Fässer mit Wasser im Süden von Khartoum
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Die andauernden Kämpfe sorgen auch für eine Wasserknappheit in der Hauptstadt Khartum

Österreicher aus dem Sudan geflogen

Am Sonntag und in der Nacht auf Montag wurden zahlreiche internationale Evakuierungsmissionen geflogen. Unter den außer Landes gebrachten Personen befanden sich auch 27 Österreicher und Österreicherinnen, die mit der deutschen Bundeswehr den Sudan verlassen konnten. Vorausgegangen sei der Evakuierung ein intensiver und enger Austausch mit europäischen und internationalen Partnern sowie den Vereinten Nationen, hieß es von Außenminister Alexander Schallenberg.

„Dank der deutschen Hilfe, dank der Franzosen ist es uns gelungen, in den letzten 24 Stunden fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher aus dem Sudan außer Landes zu bringen“, sagte Schallenberg und zeigte sich besorgt über die Situation im Sudan. „Der Sudan erlebt, wenn man so will, einen Tsunami an Krisen, es droht ein Bürgerkrieg.“ Der Außenminister sprach angesichts einer ganzen Reihe von Putschs in Westafrika und nun der Kämpfe im Sudan von einer „sehr beunruhigenden Situation“, die das Potenzial habe, „die ganze Region mitzureißen“.

Ministerium in laufendem Kontakt

Aktuell sind noch rund 30 Österreicherinnen und Österreicher im Sudan beim Außenministerium registriert. Wie bei den außer Landes Gebrachten handle es sich zumeist um Auslandsösterreicher mit sudanesischen Wurzeln und deren Angehörige, die seit mehreren Jahren ihren Lebensmittelpunkt im Sudan haben, hieß es.

Mit ihnen sei das Ministerium „laufend in direktem, persönlichem Kontakt zu den Entwicklungen und weiteren Möglichkeiten, sie bei einer sicheren Ausreise zu unterstützen, unter anderem im Rahmen weiterer geplanter Evakuierungsmissionen“.

Erste Österreicher aus Sudan ausgeflogen

Im Sudan sind die Bemühungen, Ausländerinnen und Ausländer in Sicherheit zu bringen, voll angelaufen. EU-Staaten haben rund 1.000 Menschen außer Landes gebracht, darunter sind auch 27 Österreicher. Ein Ende des blutigen Machtkampfs, der seit gut einer Woche in dem Land tobt, ist nicht in Sicht.

Sonderbeauftragter bleibt im Sudan

Die deutsche Bundeswehr flog mit ihrem Evakuierungseinsatz neben deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern auch zahlreiche Menschen anderer Staaten aus, insgesamt 313. Auch die USA haben ihre Botschaft im Sudan evakuiert und zudem einige Diplomaten aus anderen Ländern ausgeflogen. Frankreich konnte laut Medienberichten zuvor 388 Menschen aus dem Sudan ausfliegen. Neben der US-amerikanischen bleiben auch die französische und niederländische Botschaft im Sudan bis auf Weiteres geschlossen. Die USA arbeiten laut Außenminister Anthony Blinken an Möglichkeiten, eine Konsulatstätigkeit im Sudan so bald wie möglich wieder aufzunehmen.

Soldaten beladen ein französisches Transportflugzeug
AP/French Armed Forces
Auch Frankreich beteiligte sich an der internationalen Kooperation zur Rückholung von Diplomaten

Unter den Personen, die das Land verlassen konnten, befinden sich auch zahlreiche UNO-Mitarbeiter. UNO-Sonderbeauftragter Perthes will mit einigen Mitarbeitern vorerst weiterhin im Sudan bleiben, um an einer Lösung für den aktuellen Konflikt zu arbeiten. „Wir werden alles tun, was wir können, um Leben zu retten und gleichzeitig die Sicherheit unseres Personals zu schützen“, so Perthes.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres warnte davor, dass die Gewalt im Sudan „die gesamte Region und darüber hinaus erfassen“ könnte. „Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um den Sudan vom Rand des Abgrunds zu ziehen“, sagte Guterres am Montag vor dem UNO-Sicherheitsrat. Er forderte erneut einen Waffenstillstand.

Kritik am britischen Einsatz

Kritik gab es am britischen Einsatz. Nachdem britische Diplomaten aus dem Sudan ausgeflogen wurden, steht die Regierung in London in der Kritik. Mehrere britische Staatsbürger beschwerten sich in Medien, sie fühlten sich alleingelassen. Die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Alicia Kearns, sagte dem Sender BBC Radio 4 am Montag, vermutlich wollten mehr als 1.000 Britinnen und Briten in Sicherheit gebracht werden.

„Das sind manchmal große Familien. Ich vermute, dass es sich um 3.000, 4.000 oder mehr Leute handelt“, sagte die konservative Politikerin. Premierminister Rishi Sunak hatte zuvor mitgeteilt, das britische Militär habe britische Diplomaten und ihre Familien in Sicherheit gebracht.

Borrell: „Erfolgreiche Aktion“

Mehr als tausend EU-Bürgerinnen und -Bürger wurden nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell bisher aus dem Sudan gebracht. „Es ist eine komplexe Aktion gewesen, und es ist eine erfolgreiche Aktion gewesen“, sagte Borrell am Montag am Rande eines Treffens mit den EU-Außenministern. Unter den EU-Bürgern seien auch 21 Diplomaten der EU-Vertretung in Khartum.

Der EU-Botschafter im Sudan, Aidan O’Hara, befindet sich nach wie vor im Land. „Der Kapitän ist der Letzte, der das Schiff verlässt. Er ist im Sudan, aber nicht mehr in Khartum“, sagte Borrell.

Tausende Sudanesen auf der Flucht

Auch Sudanesinnen und Sudanesen versuchen, den Kämpfen zu entfliehen. Nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) sind in den vergangenen Tagen bereits bis zu 20.000 Menschen in den benachbarten Tschad geflohen. Andere fliehen laut UNO-Nothilfebüro nach Ägypten und in den Südsudan.

Vor gut einer Woche waren im Sudan Kämpfe zwischen den zwei mächtigsten Generälen des Landes und ihren Einheiten ausgebrochen. Beide hatten das Land mit rund 46 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen seit einem gemeinsamen Militärcoup im Jahr 2021 geführt. Nun kämpft De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der auch Oberbefehlshaber der Armee ist, mit dem Militär gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo, den Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe RSF. Eigentlich hätte Daglos Gruppe der Armee unterstellt und die Macht im Land wieder an eine zivile Regierung übertragen werden sollen.

Die Zahl der getöteten Zivilistinnen und Zivilisten steige täglich, so das nationale Ärztekomitee. Eine vollständige Übersicht über das Ausmaß gebe es noch nicht. Zahlreiche Verletzte hätten keinen Zugang zu Versorgung. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben seit Beginn der Kämpfe mindestens 420 Menschen, über 3.500 wurden verletzt. Die tatsächliche Opferzahl ist vermutlich weit höher.