Fischer steht in Meer
Getty Images/Mahmud Fahmi
Erwärmung der Meere

Sorge wegen Wetterphänomens „El Nino“

Im April hat die globale Meeresoberfläche einen neuen Temperaturrekord aufgestellt – noch nie hat sie sich so stark und so schnell erwärmt. Fachleute befürchten, dass die Erwärmung der Meere in Verbindung mit Wetterphänomenen wie „El Nino“ bis Ende nächsten Jahres ein besorgniserregendes Niveau erreichen könnte. Die Folgen könnten bis nach Österreich spürbar sein, so ein Experte im Gespräch mit ORF.at.

In den letzten Jahrzehnten sei das Klimasystem der Erde aus dem Energiegleichgewicht geraten, lautet die Erkenntnis einer neuen Studie, die vergangene Woche in dem Journal „Earth System Science Data“ veröffentlicht wurde. Wärme habe sich kontinuierlich angestaut und sowohl die Ozeane als auch das Land, die Kryosphäre und die Atmosphäre erwärmt. „Es ist noch nicht ganz klar, warum eine so rasche und gewaltige Veränderung stattfindet“, zitierte die BBC Karina von Schuckmann, die Hauptautorin der Studie.

Nach Angaben von Klimawissenschaftlern zeigen vorläufige Daten der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), dass die durchschnittliche Temperatur an der Meeresoberfläche seit Anfang April bei 21,1 Grad Celsius liegt und damit den bisherigen Höchstwert von 21 Grad aus dem Jahr 2016 übertrifft.

Zu viel Energie im Energiespeicher

Allein in den letzten 15 Jahren habe sich die auf der Erde gespeicherte Wärme um 50 Prozent erhöht, wobei der größte Teil der zusätzlichen Wärme in die Ozeane gelangt sei, so die Studie weiter. „Ozeane sind der Energiespeicher der Erde, ungefähr 90 Prozent der zusätzlichen Energie, die durch den Treibhauseffekt auf die Erde gelangt, werden dort gespeichert – und das hat dann Folgen“, so Leopold Haimberger vom Institut für Meteorologie und Geophysik an der Universität Wien im Gespräch mit ORF.at.

Grafik zur globalen Erwärmung der Ozeane
Grafik zur globalen Erwärmung der Ozeane
NOAA NOAA
Seit 1955 hat sich der Wärmegehalt der Ozeane stark erhöht, die Meerestemperaturen steigen. Zum Vergleichen blauen Button nach links oder rechts verschieben.

„Einerseits, dass dadurch der Meeresspiegel steigt, weil sich das Wasser bei Erwärmung ausdehnt und auch das Eis schmilzt. Und das Zweite ist, dass es sich natürlich auch auf die Fauna im Ozean auswirkt, wenn das Wasser wärmer wird.“ Nur wenige Korallen überleben eine derartig hohe Konzentration an CO2, bereits im Jahr 2035 könnte die Hälfte aller Korallenriffe verschwunden sein.

Eine weitere Folge der steigenden Temperaturen seien verstärkte Niederschläge. Denn wenn die Wassertemperatur höher sei, könne auch mehr verdunsten. „Das heißt, wenn ein starkes Tiefdruckgebiet da ist, dann kann dieses Tiefdruckgebiet mehr Feuchtigkeit aus dem Ozean entnehmen, und das bildet dann auch verstärkte Niederschläge“, so der Experte.

Blick auf Korallenriff, unterwasser
IMAGO/thomas eder/Thomas Eder
Ganze Ökosysteme leiden unter den steigenden Temperaturen

Sorge vor „El Nino“

Besondere Sorge bereitet Fachleuten in dem Zusammenhang derzeit „El Nino“ – ein Wetterphänomen, das sich durch veränderte Strömungen in Meer und Atmosphäre und höheren Temperaturen an der Ozeanoberfläche im Pazifik auszeichnet. Die Folgen sind weitreichend, von Starkregen, Überflutungen und Fischsterben bis hin zu Dürre, Hitze und Bränden.

Hitzewelle in den Weltmeeren

Hitzewellen haben stark zugenommen. Aktuell sorgt sich die Wissenschaft wegen einer noch nie dagewesenen Hitzewelle im Wasser der Meere.

„Für Herbst, Winter wird mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein ‚El Nino‘ vorhergesagt. Und wenn es ein ‚El Nino‘-Jahr ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es wieder einen neuen Rekordwert in der globalen Mitteltemperatur gibt, ziemlich hoch“, so Haimberger.

Durch die Sonneneinstrahlung bzw. durch den Treibhauseffekt würden sich die oberen Ozeanschichten erwärmen. Es gäbe aber Perioden, in denen der Ozean die Wärme von der Oberfläche in tiefere Schichten abtransportiere und sich diese weniger stark erwärme. „Und dann wiederum gibt es Zeiten, wo eben dieser Abtransport von Wärme in tiefere Schichten schwächer ist oder vielleicht sogar was von der Wärme wieder freigesetzt wird“, so Haimberger. „Das ist dann während ‚El Nino‘ so, und da gibt es dann eben besonders hohe Temperaturen.“

Neue Temperaturrekorde möglich

Bei „El Nino“ handle es sich um eine Klimaanomalie, es gebe daher natürliche Schwankungen. „Man kann nicht sagen, dass es häufiger oder weniger häufiger wird – es ist einfach eine Schwankung, die die Klimaerwärmung überlagert“, so Haimberger. „Wenn es aber jetzt wieder ‚El Nino‘ gibt, dann trägt das noch zusätzlich zum Erwärmungstrend bei.“ Die letzten Jahre waren von „La Nina“ dominiert, also der kalten Phase des Zyklus.

Fische verstecken sich unter Koralle
APA/AFP/Lancaster University/Sally A. Keith
Wärmere Ozeane können auch das Fortbestehen von Arten bedrohen

Aufgrund des wärmenden Effekts von „El Nino“ könnte Fachleuten zufolge schon bald ein globaler Temperaturrekord aufgestellt werden. Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig hält es sogar für denkbar, dass das Jahr 2024 „auch die 1,5-Grad-Grenze zum ersten Mal auf Jahresbasis global überschreiten wird“.

Extremwetter

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut Weltklimarat aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Meereserwärmung mit weltweiten Folgen

Die Folgen von „El Nino“ würden auch wirtschaftlich auf Europa ausstrahlen, schrieb das Magazin „Business Insider“. Denn das Wetterphänomen berge die Gefahr von Missernten und steigenden Preisen wichtiger Lebensmittel. Neue Preisschocks kämen zur Unzeit, zitierte das Magazin Ökonominnen und Ökonomen.

Globale Folgen bringt auch die Erwärmung der Meere prinzipiell mit sich. Denn sowohl das „El Nino“-Phänomen als auch die maritime Erwärmung begünstigen Extremwetter in verschiedenen Weltregionen. „Wenn sich das Mittelmeer stark erwärmt, hat das auch Folgen für Österreich, etwa wenn die Niederschläge stärker sind als sonst oder sich die Schneefallgrenze verschiebt“, so Haimberger gegenüber ORF.at.

Die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen warnt zudem vor direkten Folgen für die Ernährungssicherheit. Steigt der Meeresspiegel weiter an, würden etwa in Südasien Reisfelder versalzen. 17 Prozent der Fläche Bangladeschs würden durch einen Anstieg um einen Meter überflutet werden, womit in einem der ärmsten Länder der Welt die Hälfte der Ackerflächen betroffen wäre.

Containerschiffe in Ozean
Reuters/Lucy Nicholson
Steigt der Meeresspiegel, hat das Folgen für die ganze Welt

„Müssen weg von fossiler Energie“

Die Folgen der Meereserwärmung seien jetzt schon spürbar, ist Haimberger überzeugt. Der Meeresspiegel steige im globalen Mittel etwa vier Millimeter pro Jahr an, das sei „durchaus beachtlich“. Auch die Tendenz für Starkregen nehme zu.

„Bei dem Energieinput in den Ozeanen ist es nicht verwunderlich, dass es immer wieder Rekorde gibt“, so der Experte. Die Maßnahmen, um der stetigen Erwärmung entgegenzuwirken, seien bekannt. „Die Mittel sind immer die gleichen, und das sagen wir schon seit vielen, vielen Jahren. Wir müssen einfach weg von der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen.“