Roter Platz und Kreml
Getty Images/Tim E White
Wiiw-Studie

Dutzende heimische Firmen in Russland tätig

Die Volkswirtschaften der 23 Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas (CESEE) haben den ökonomischen Schock durch den Ukraine-Krieg größtenteils verdaut und werden 2023 weiter wachsen, so die Frühjahrsprognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Das Wachstum der EU-Mitgliedsstaaten in der Region wird 2023 voraussichtlich durchschnittlich 1,2 Prozent betragen, mehr als doppelt so viel wie das der Euro-Zone (0,5 Prozent). Dutzende österreichische Firmen sind immer noch in Russland vertreten.

Trotz des Krieges setzen rund 65 Prozent der österreichischen Unternehmen, die vor dem Krieg in Russland tätig waren, ihre Geschäftsaktivitäten in dem Land fort. Zahlenmäßig handelt es sich um 39 von 62 Unternehmen, so die Studie. Weitere 15 Prozent (neun Unternehmen von 62) hätten ihre Aktivitäten teilweise reduziert, heißt es weiter.

Österreich liege damit über einigen vergleichbaren EU-Ländern. Bisher sei von einer stärkeren Entkoppelung seit Kriegsbeginn auch in den Handelsdaten noch wenig zu sehen. Der Wert der österreichischen Direktinvestitionen in Russland ging laut der russischen Zentralbank zwischen der Annexion der Krim 2014 und dem Beginn des Ukraine-Krieges allerdings bereits stark zurück.

Grafik zur Osteuropa-Konjunkturprognose
Grafik: APA/ORF; Quelle: WIIW

Wirtschaftliche Verflechtungen Richtung Moskau

Die österreichischen Importe aus Russland stiegen 2022 um 76 Prozent, was auf die hohen Gaspreise zurückzuführen ist, während die Exporte nach Russland nur um acht Prozent zurückgingen, verglichen mit dem EU-Durchschnitt von 38 Prozent. Das zeigt die anhaltend starke wirtschaftliche Verflechtung Österreichs und Russlands.

„Die boomende Kriegsindustrie, die Anpassung an die Sanktionen und die Neuausrichtung des Handels auf Asien verhindern heuer wohl eine Schrumpfung“, so Vasily Astrov, Russland-Experte am wiiw. Das ändere aber nichts daran, dass die sanktionsbedingten Ausfälle aus dem Energiegeschäft den Kreml mittlerweile teuer zu stehen kämen. „Nicht von ungefähr räumte Präsident (Wladimir Anm.) Putin jetzt auch öffentlich ein, dass die Sanktionen wehtun und man sich auf schwierigere Zeiten einstellen muss“, so Astrov.

Umspannwerk in der Nähe von Charkiw
Reuters
Die Ukraine will die zerstörte Energieinfrastruktur wiedererrichten

Gegen weitere Exporteinschränkungen

Russland habe sich nach dem BIP-Rückgang von 2,1 Prozent im vergangenen Jahr erholt, für heuer werde eine Stagnation der russischen Wirtschaft erwartet. Die westlichen Sanktionen gegen Russland wirken, wenn auch langsam, so die wiiw-Fachleute. Die fehlende Hochtechnologie aus dem Westen werde Russland längerfristig Probleme bereiten.

Die Forderung der USA, die Exporte nach Russland weiter einzuschränken, sieht Astrov skeptisch. „Mich wundert nicht, dass dieser Vorschlag gerade von den USA kommt, weil die USA haben relativ wenig Handel mit Russland.“ Betroffen wären davon vor allem europäische Exporteure. Auch sei die Wirkung einer weiteren Verschärfung zweifelhaft. Alleine von der EU seien schon zehn Sanktionspakete verabschiedet worden, wobei die Sanktionen im Energiebereich am schärfsten gewesen seien.

Ukraine „resilienter als erwartet“

Die Ukraine, die 2022 einen BIP-Einbruch von 29,1 Prozent erlitt, zeige sich „resilienter als erwartet“, es wird für 2023 ein Wachstum von 1,6 Prozent prognostiziert. Ein positiveres Geschäftsklima, eine bessere Energieversorgung – seit April exportiert die Ukraine wieder Elektrizität –, der Getreidedeal und die internationalen Finanzhilfen sorgten für vorsichtigen Optimismus, so das wiiw.

Arbeiter reparieren eine Stromleitung in der Nähe von Charkiw
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Eine Stromleitung in der Ukraine wird repariert

Das für heuer prognostizierte Budgetdefizit von 27 Prozent des BIP wird auch weiterhin zum Großteil über die große westliche Unterstützung finanziert. „Ohne die systematische Bombardierung der Energieinfrastruktur durch Russland, die 2022 zwischen 1,9 Prozent und 3,6 Prozent an Wirtschaftsleistung gekostet hat, wäre der Rückgang noch etwas geringer ausgefallen“, so Olga Pindyuk, die auch Ukraine-Expertin des wiiw ist.

Arbeiter reparieren eine Stromleitung in der Nähe von Charkiw
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Eine Stromleitung in der Ukraine wird repariert

Abwärtsrisiken bleiben

Für 2023 rechnet das wiiw in der Ukraine mit einem „zarten Wachstum“ von 1,6 Prozent, das aber vom weiteren Kriegsverlauf abhängt. Abwärtsrisiken bleiben generell in der Region bestehen, darunter eine mögliche militärische Eskalation des Ukraine-Krieges und eine veränderte US-Regierung, die die Ukraine weniger unterstützen könnte. Die hohe Inflation in der Region bleibt hartnäckig und wird für 2023 bei rund 17 Prozent liegen.