Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne)
APA/Georg Hochmuth
Gratisverhütung

Studie soll Möglichkeiten ausloten

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kann sich vorstellen, dass die Antibabypille – wie bald in Italien – auch in Österreich in Zukunft kostenlos erhältlich sein könnte. Derzeit laufe zu dieser Frage eine Studie, sagte er am Mittwoch nach dem Ministerrat. Ergebnisse würden spätestens im Herbst vorliegen. Gegenüber ORF.at konkretisierte das Ministerium, was genau untersucht werden soll.

Offene Fragen zur Gratisverhütung auf diese Weise beträfen vor allem die Kosten und wie man die Gratisverhütung konkret implementiert, berichtete Rauch. Gegenüber ORF.at hielt das Ministerium anschließend fest, dass unter anderem bereits existierende Modelle zur kostenfreien Verhütung beurteilt und EU-weit verglichen werden sollen.

„Im Rahmen der Studie sollen, basierend auf einer Literatur- und Fachrecherche, die wichtigsten Informationen zu den Themen erhoben werden, von denen Mädchen und Frauen im Kontext mit Verhütung betroffen sind“, konkretisierte das Ressort die Pläne, die auch bereits im Gesundheitsausschuss des Parlaments grob skizziert wurden. Weiters sollen Wünsche hinsichtlich Verhütung abgefragt werden.

Der Fokus werde auf Fragen zur kostenlosen Verhütung sowie dem generellen Zugang zu Verhütungsmitteln liegen. „Nicht zuletzt der Frauengesundheitsbericht hat gezeigt, dass die Datenlage hinsichtlich Frauengesundheit verbesserungswürdig ist. Mit den Studien zu Menstruationsgesundheit und kostenloser Verhütung sollen hier erste Schritte zu einer besseren Datenlage gemacht werden, um evidenzbasiert weitere Maßnahmen setzen zu können“, heißt es aus dem Ministerium von Rauch.

„Rahmenbedingungen müssen passen“

Am Dienstag hatte die ZIB3 bereits über die Machbarkeitsstudie berichtet. Diese soll im Auftrag des Ministeriums von der Gesundheit Österreich GmbH durchgeführt werden. Schon lange pochen diverse Organisationen und Parteien auf einen kostenlosen Zugang zu Verhütungsmitteln. In Italien können Frauen aller Altersgruppen künftig die Antibabypille als Verhütungsmittel kostenlos erhalten. Das hat ein Ausschuss der italienischen Arzneimittelagentur AIFA beschloss.

Antibabypille auf Packung
APA/Annette Riedl
Im Gegensatz zu anderen Ländern sind Verhütungsmittel in Österreich nicht kostenlos

So soll die Verhütungspille in die Liste der kostenlos verfügbaren Medikamente aufgenommen werden. „Ja, ich kann mir das vorstellen“, meinte Österreichs Gesundheitsminister Rauch auf Nachfrage nach der Regierungssitzung. Allerdings müssten „die Rahmenbedingungen passen“, betonte er. Es müsse auch klar sein, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen. Im Herbst, also ein Jahr vor der nächsten Nationalratswahl, würde man dann weiter reden.

Im Februar hatte der „Standard“ berichtete, dass Veränderungen eher unwahrscheinlich seien. Die ÖVP könne sich nämlich für eine staatliche Subventionierung der Verhütung nicht erwärmen, so das Medium. Die Grünen plädieren zwar für den kostenlosen Zugang, aber: „Es gibt für unsere Forderungen keine politische Mehrheit, daran scheitert es“, wurde die Grünen-Politikerin Faika El-Nagashi damals zitiert. 2018 wollte noch die damalige Frauen- und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) über Gratisverhütungsmittel reden.

Gespräche mit Fachleuten laufen

Im Februar hielt Rauch in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung gegenüber der SPÖ fest, dass Fachleute aus der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft in den Prozess einbezogen werden. Es seien Gespräche „zur Erhebung der Möglichkeiten für eine kostenlose Empfängnisverhütung“ geplant. Mit dem deutschen Beratungsstellenverbund pro familia und mit der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung und Verhütung (ÖGF) sei bereits gesprochen worden.

„Ja, ich kann mir das vorstellen“

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) kann sich vorstellen, dass die Antibabypille – wie in Italien angedacht – auch in Österreich kostenlos erhältlich sein könnte. Derzeit laufe zu dieser Frage eine Studie, so der Minister bei der Fragestunde nach dem Ministerrat. Die Ergebnisse würden spätestens im Herbst vorliegen. Offene Fragen zur Gratisverhütung auf diese Weise beträfen vor allem die Kosten und wie man die Gratisverhütung konkret implementiert, berichtete Rauch.

Auch seien bereits Erfahrungsberichte aus der Praxis der ÖGF zur Bedarfseinschätzung hinsichtlich finanzieller, niederschwelliger Unterstützung bei Verhütungsmitteln für Frauen und Mädchen in Österreich eingeholt worden. Das deutsche Modellprojekt „biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ habe man ebenfalls schon beleuchtet, hieß es in der Anfragebeantwortung.

Geringe finanzielle Ressourcen würden die Selbstbestimmtheit in der Wahl der Verhütungsmethode bzw. überhaupt den Zugang zu Verhütungsmitteln stark einschränken, zitiert das Ministerium die Ergebnisse des Projekts.

Appelle für kostenlosen Zugang

Österreich ist in Sachen Verhütung im europäischen Vergleich nur im oberen Mittelfeld zu finden. Zwar ist die Onlineaufklärung hierzulande sehr gut, doch bei Zugang, Finanzierung und Beratung ist noch einiges aufzuholen. Laut dem Verhütungsatlas, der 2017 zum ersten Mal erstellt wurde, liegt Österreich von 46 Ländern auf Platz 19 mit einem Wert von 62,2 von 100 Prozent. Auf den Top Drei liegen Großbritannien, Frankreich und Belgien. Dort wird am meisten für Empfängnisverhütung getan.

ÖGF-Präsidentin und Gynäkologin Barbara Maier plädierte in der ZIB3 dafür, dass sowohl der Zugang zu Verhütungsmitteln als auch die Verhütungsberatung kostenlos sein sollen. Nur für Jugendliche sei die Beratung derzeit kostenlos, so Maier. Dabei sei gerade die Aufklärung die Bedingung, dass man entsprechend verhüten kann. So erklärte die Expertin etwa, dass die sicherste Verhütungsmethode gleichzeitig auch eine der teuersten sei: die Spirale. Für einkommensschwächere Frauen stellten die Kosten ein großes Problem dar, so Maier.

Gespräch über gratis Verhütungsmittel

In vielen europäischen Ländern sind Verhütungsmittel gratis, warum nicht in Österreich? Die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung und Verhütung, Barbara Maier, ist Gast in der ZIB3.

„Es muss etwas geschehen, es geht um das sexuelle und reproduktive Recht von Frauen. Jede Frau muss die Möglichkeit haben, über ihren Körper selbst zu bestimmen, auch Frauen, die sich Verhütungsmittel nicht leisten können“, betonte die Expertin. Als Vorbilder bezeichnete sie etwa Schweden, Großbritannien und Frankreich. Dort seien der Zugang zu Verhütungsmitteln und die Beratung besser geregelt. Maier forderte zudem, dass auch Abtreibungen auf Krankenschein erfolgen sollen.

Großbritannien schnitt am besten ab

Laut Verhütungsatlas seien 35 Prozent der Schwangerschaften in Europa ungewollt, sagte im Februar dieses Jahres Leonidas Galeridis vom European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights, das die Auflistung erstellt, bei der Präsentation in Wien. Um die Abtreibungsrate zu reduzieren, sei eine moderne Empfängnisverhütung eine wichtige Maßnahme. Nur knapp über die Hälfte, 57 Prozent, der Frauen in Europa würden Verhütungsmittel in Anspruch nehmen.

Und nur 20 der 46 untersuchten Länder haben die Verhütung in ihr Gesundheitssystem eingebunden. In Österreich ist das nicht der Fall. In Frankreich bekommen etwa alle unter 26-Jährigen gratis Kondome. Großbritannien erreichte beim Verhütungsatlas einen Wert von 96,9 Prozent, Frankreich 93,2 Prozent und Belgien mit 91,1 Prozent. Negativbeispiel ist Polen mit 33,5 Prozent. Das Land erreichte den letzten Platz, davor liegen Bosnien-Herzegowina mit 39 Prozent und Ungarn mit 40 Prozent.