Antibiotika, Engpässe: Kommission legt Pharmareform vor

Die EU-Kommission will mit einer Reform der aktuellen Arzneimittelgesetzgebung gegen Medikamentenengpässe, hohe Preise und eine ungleiche Versorgung mit Arzneimitteln in Europa vorgehen.

Ziel ist es, zugleich die Versorgung der 27 Mitgliedsstaaten zu verbessern, die Entwicklung neuer Präparate zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu unterstützen.

„Das ist ein historischer Tag für Bürger, Patienten und die Industrie“, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides heute in Brüssel. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, eine Liste besonders wichtiger Arzneimittel einzuführen und Schwachstellen in den Lieferketten dieser Medikamente zu beseitigen.

Hersteller sollen dafür belohnt werden, wenn sie neue Medikamente in der gesamten EU und nicht nur großen, kaufkräftigen Ländern auf den Markt bringen. Die Schutzrechte von Arzneimitteln werden dafür geändert.

Gutschein für Antibiotikaentwicklung

Auch die Entwicklung bahnbrechender Antibiotika soll belohnt werden. Konkret könnten Unternehmen, die ein solches Präparat herstellen, einen Gutschein über den Schutz der Daten eines Medikaments für ein weiteres Jahr erhalten. Dieser Gutschein soll jedoch nicht an das neue Antibiotikum gebunden sein, das Unternehmen könnte ihn auch verkaufen.

Nach Schätzungen der EU-Gesundheitsbehörde ECDC sterben jedes Jahr mehr als 35.000 Menschen im Europäischen Wirtschaftsraum aufgrund von Antibiotikaresistenzen. Über die Vorschläge müssen nun noch das Europaparlament und die EU-Staaten verhandeln.

Außerdem soll die Zulassung von Medikamenten beschleunigt werden. So wird die EMA für die Bewertung von Medikamenten in Zukunft 180 statt 210 Tage Zeit haben. Für die Zulassung will die EU-Kommission 46 statt 67 Tage zur Verfügung stellen. All das soll die derzeitig durchschnittliche Dauer von 400 Tage zwischen Antragstellung und Marktzulassung reduzieren.

Kritik an Antibiotikagutschein

Der österreichische EU-Abgeordnete Günther Sidl (SPÖ) wolle die Vorschläge genau prüfen, hieß es in einer Mitteilung. „Es darf keine Rolle spielen, wo man in Europa wohnt oder wie groß oder klein das Geldbörsel ist – ein sicherer und garantierter Zugang zu Arzneimitteln muss für alle gewährleistet sein“, sagte er.

Die geänderten Schutzrechte von Arzneimitteln begrüßte der Europäische Verbraucherverband in einer Reaktion, „weil Patienten dadurch womöglich früher Zugriff auf Generika haben“, meinte BEUC-Chefin Monique Goyens. Die Schaffung eines Gutscheins für neue Antibiotika könne hingegen die „übrigen Errungenschaften der Reform untergraben.“

Die heutigen Vorschläge würden die Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln in Europa untergraben, die Verfügbarkeit von Medikamenten für Patienten aber nicht verbessern, kritisierte EFPIA-Generaldirektorin Nathalie Moll in einer Aussendung.

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