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ORF.at/Patrick Bauer
ORF-Gesetz

Gemischte Reaktionen auf Digitalnovelle

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und die grüne Klubchefin Sigrid Maurer haben am Mittwoch die Digitalnovelle des ORF-Gesetzes präsentiert. Sie bringt Einschränkungen, aber auch Ausweitungen. So darf der ORF künftig auch alleine für Online produzieren. In ORF.at soll es 70 Prozent Bewegtbild und 30 Prozent Text geben, wobei die Textbeitragszahl pro Woche auf 350 beschränkt werden soll. Die Siebentagebeschränkung für die TVthek fällt, eine Haushaltsabgabe soll kommen. Reaktionen darauf fielen gemischt aus.

SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried ortete große Schwächen und insgesamt eine vertane Chance. Es fehle ein Zukunftskonzept über die Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, meinte er. Bei der Haushaltsabgabe von 15,30 Euro vermisse er eine soziale Staffelung. Auch von der FPÖ kam ein „klares Nein zur ORF-Zwangssteuer“. Darüber hinaus führe die Digitalnovelle zu einer Besserstellung des ORF gegenüber privaten Medienunternehmen, wodurch die Medienvielfalt bedroht werde, so FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker.

Sein NEOS-Gegenüber Henrike Brandstötter vermisste eine Schärfung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags und kritisierte, dass die Regierung sich gegen eine Gremienreform, gegen die Abschaffung der Landesabgabe und gegen die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute entschieden habe.

Redakteursrat: „Fake News“ profitieren

Der Vorsitzende des ORF-Redaktionsrates, Dieter Bornemann, hielt in einer Stellungnahme fest: „Ich halte die Einschränkung auf der ‚Blauen Seite‘ (ORF.at, Anm.) für extrem problematisch. Die Regierungspläne bedeuten eine Verschlechterung auf der beliebtesten Nachrichtenseite des Landes. Das ist weder im Sinne des Publikums noch im Sinne der Demokratie. Davon werden nämlich Gratismedien, Onlineriesen sowie die Politpropaganda und ‚Fake News‘ profitieren.“

Medienministerin Raab zum ORF-Gesetz

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) spricht zu den mit dem neuen ORF-Gesetz einhergehenden Einsparungen und Programmänderungen beim ORF. Sie beantwortet auch, weshalb die Entpolitisierung des Stiftungsrats nicht Teil des neuen Gesetzes ist.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hingegen bezeichnete die Digitalnovelle als „Kompromiss zwischen den Marktteilnehmern“, damit könnten nun „die Angebote für das Publikum in öffentlich-rechtlichen Kernbereichen gestärkt werden“. Die Neuregelung der ORF-Finanzierung ändere nichts an der Tatsache, dass der ORF auch weiterhin sparsam wirtschaften und die Finanzierungslücke von rund 300 Mio. Euro bis 2026 aus eigener Kraft schließen müsse, so Weißmann in Hinblick auf die Haushaltsabgabe.

Föderl-Schmid: ORF.at-Beschränkung „absurd“

Bei einer Diskussionsrunde der APA zum Thema äußerte sich die stellvertretende Chefredakteurin der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“), Alexandra Föderl-Schmid, kritisch bezüglich der Textbeschränkung für ORF.at. Es sei ein weiterer Schritt, Qualitätsmedien in Österreich zu beschneiden. Eine wöchentliche Beschränkung von ORF.at auf 350 Meldungen sei „absurd und auch nicht praktikabel“, machte die „SZ“-Journalistin deutlich. In Österreich spiele der von der Politik geförderte Boulevard einfach die dominante Rolle.

„Es gibt Medien in Österreich, die erst jetzt zu entdecken scheinen, dass es so etwas wie das Internet gibt“, so Föderl-Schmid. Notwendig sei nun ein Rückzug der Politik aus dem ORF-Stiftungsrat, eine Erhöhung der Mittel des Presserates und im Zuge der Transparenzinitiative auch das Einziehen einer Obergrenze für Ausgaben.

VÖZ: „Medienpolitische Fehlentwicklung“

Von einer „medienpolitischen Fehlentwicklung“ sprach unterdessen der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). „Aufgrund der dominanten Marktposition des ORF in vielen Bereichen – insbesondere als Marktführer im Digitalbereich – droht bei einer ungebremsten Ausweitung seiner digitalen Möglichkeiten ein massiver Einschnitt in der heimischen Medienvielfalt“, warnte VÖZ-Präsident Markus Mair. Es gelte, für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen und die Medienvielfalt im Auge zu behalten.

Medienministerin Susanne Raab
APA/Eva Manhart
ORF.at soll sich als erfolgreichste Nachrichtenwebsite des Landes laut Raab auf audiovisuelle Beiträge fokussieren

Unzufrieden mit der präsentierten Novelle zeigte man sich auch beim Verband Österreichischer Privatsender (VÖP). Das Gesetzespaket stärke nicht den Medienmarkt als Ganzes, sondern in erster Linie den ORF, wurde in einer Aussendung kritisiert. Dieser solle nicht nur weitreichende Onlinefreiheiten erhalten, auch sein Budget werde deutlich erhöht, indem die Beitragspflicht ausgeweitet werde, so VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm.

Zähes Ringen

ORF, Zeitungsherausgeber und Politik hatten seit Längerem um die Digitalnovelle gerungen. Im Zentrum standen die derzeit durch das ORF-Gesetz stark eingeschränkten Möglichkeiten im Onlinebereich und in sozialen Netzwerken (Stichwort: Aufhebung der auf sieben Tage befristeten Möglichkeit, einmal gesendete Beiträge online zu zeigen). Der VÖZ pocht hingegen seit Jahren auf eine Beschränkung von ORF.at.

Dieses Gesetz soll parallel zur Umstellung der Finanzierung auf eine Haushaltsabgabe des öffentlich-rechtlichen ORF in Kraft treten. Der VÖZ hatte zuletzt großen Druck gemacht, damit ORF.at in der Textberichterstattung möglichst stark eingeschränkt wird. Kritik an den Forderungen kam aus der Wissenschaft und insbesondere von Behindertenverbänden, die durch eine Beschränkung eine Gefahr für die barrierefreie Berichterstattung sehen.

Die im VÖZ vertretenen Zeitungen sehen im ORF eine große Konkurrenz – insbesondere, da sie auf ein Pay-Angebot umsteigen wollen und sich umso mehr Erfolg dabei erhoffen, je stärker das frei zugängliche Angebot von ORF.at eingeschränkt ist. Der Gesetzestext muss erst ausformuliert werden, bevor er in Begutachtung geht.

Beschränkungen für ORF.at: 350 Meldungen pro Woche

Es sei wichtig, dass die Medienvielfalt in Österreich gesichert und gestärkt werde. Deshalb werde es auch künftig Beschränkungen im Onlinebereich geben, so Raab. So soll die Zahl der Meldungen in ORF.at auf 350 pro Woche limitiert werden. Derzeit sind es laut Raab in etwa 900, die 400 Videobeiträgen gegenüberstehen. „ORF.at soll sich auf audiovisuelle Beiträge fokussieren“, sagte Raab weiter. Die Regel gilt sowohl für news.ORF.at als auch für sport.ORF.at.

Die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer
APA/Eva Manhart
„Vertiefende Berichterstattung“ soll es in ORF.at nicht mehr geben, sagte Maurer

Wie Raab lobte auch Grünen-Klubchefin Maurer den Entwurf. Sie betonte, dass es wichtig sei, Rahmenbedingungen für das geänderte Nutzungsverhalten zu schaffen. Künftig dürfe es keine „vertiefende Berichterstattung“ in ORF.at geben, sagte Maurer. Es sollen überblicksartige Kurzmeldungen publiziert werden. Damit soll einer „Zeitungsähnlichkeit“ vorgebeugt werden. Die Barrierefreiheit, die ORF.at anbietet, soll weiterhin gelten.

Haushaltsabgabe soll kommen

Neben der Digitalnovelle ging es zuletzt auch um die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Medienunternehmens. Mitte März präsentierte die Regierung ihre Pläne zu einer Haushaltsabgabe – anstatt der bisher eingehobenen, gerätegekoppelten Rundfunkgebühr. Der ORF-Beitrag wird 15,30 Euro pro Monat plus Landesabgaben ausmachen – anstatt der bisherigen 22,45 Euro. Die Umstellung erfolgt mit 1. Jänner 2024. Eingehoben wird die Abgabe pro Hauptwohnsitz, reine Nebenwohnsitze sind davon ausgenommen.

Grund für die Änderung der Finanzierung war die Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, wonach der gebührenfreie Empfang von ORF-Programmen über Internet verfassungswidrig ist. Bisher zahlt man für TV und Radio Programmentgelt. Wie die Regierung betonte, fallen künftig die Bundesabgabe und der Kunstförderbeitrag weg, diese werden aus dem Budget gedeckt.

Werbebeschränkung im Online- und Radiobereich

ORF Sport + bleibt bis 2026 als linearer Fernsehkanal bestehen und soll dann ein rein digitaler Kanal werden. Zusätzlich kündigte Raab einen Kinderkanal für den Onlinebereich an, welcher „qualitativ hochwertig“ ausfallen soll. Weitere Kanäle bleiben dem ORF im Digitalen verwehrt. Das Bestehen des Radio-Symphonieorchesters (RSO) ist unterdessen bis 2026 durch Bundesmittel gesichert, bis dahin soll eine tragfähige Lösung für die Zukunft erarbeitet werden.

Im Radio- und Digitalbereich gibt es künftig stärkere Werbebeschränkungen für den ORF, die pro Jahr ca. 25 bis 30 Millionen Euro ausmachen sollen. Insgesamt soll es für den ORF laut Raab zu einem „Nullsummenspiel“ kommen. Die Einbußen bei den Werbeeinnahmen sollen durch Mehreinnahmen beim ORF-Beitrag kompensiert werden. Dem ORF sollen durch den ORF-Beitrag künftig 710 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung stehen.

Auferlegt wird dem ORF von der Regierung ein Transparenzbericht. Dieser legt etwa die Gehälter von ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern und deren Nebenbeschäftigungen offen. Ab einem Jahresbruttogehalt von 170.000 Euro ist eine namentliche Veröffentlichung vorgesehen. Diverse „Privilegien“ werden beschnitten – etwa im Bereich der Wohnungszulagen, Sonderpensionen und Abfertigungen.