Kolumbiens Präsident ruft komplettes Kabinett zu Rücktritt auf

Nachdem mehrere Reformen am Widerstand des Kongresses gescheitert sind, hat Kolumbiens Präsident Gustavo Petro sein Kabinett geschlossen zum Rücktritt aufgefordert. Das teilten drei Minister, die anonym bleiben wollten, der Nachrichtenagentur AFP heute mit. Staatschef Petro machte diesen Schritt bisher nicht öffentlich, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter hatte er gestern allerdings von der Notwendigkeit geschrieben, „die Regierung zu überdenken“.

Eine Kabinettsumbildung wäre die größte politische Krise in der erst rund neunmonatigen Amtszeit von Kolumbiens erstem linken Präsidenten, der mit einer Mehrheitskoalition aus Mitte- und gemäßigten rechten Parteien regiert. Petro, der mit seinem Versprechen der „Veränderung“ gewählt worden war, gelang es bisher nicht, seine angekündigten Reformen etwa zu Arbeit, Pensionen, im Gesundheitswesen oder in der Justiz durchzusetzen.

Gestern hatte sich die Lage zugespitzt, als sich die liberalen und konservativen Parteien sowie die Soziale Partei der Nationalen Einheit gegen die Regierung stellten und Teile der Reformen aus den Bereichen Agrar und Gesundheit ablehnten. Petro sprach sich für eine „Dringlichkeitsregierung“ für Kolumbien aus, da das Parlament nicht fähig gewesen sei, wenigstens ein paar einfache Gesetzesartikel zur gerechten Verteilung von Land zu verabschieden.

„Tag und Nacht arbeiten“

Er fügte hinzu: „Dringlichkeit bedeutet, dass Regierungsteams Tag und Nacht arbeiten. (…) Wer dazu nicht fähig ist, der hat keinen Platz mehr in unserer Regierung.“

Bisher bot keiner der Minister öffentlich seinen Rücktritt an. „Ein Wechsel im Kabinett sieht weder gut für die Vertreter der traditionellen Parteien aus noch für die, die Nein zu den Reformen gesagt haben“, schrieb der Direktor der Beratungsfirma Colombia Risk Analysis auf Twitter.

Kritik an Petros Regierungspolitik kam von allen Seiten. Der Präsident des Kongresses, Roy Barreras, beschrieb den Vorgang als „beispiellose Krise“. Der frühere kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos sagte, die Kabinettsumbildung würde „die Unsicherheit der Menschen“ verstärken.

Nach seinem Amtsantritt am 7. August waren Petro und seine linken Verbündeten ein politisches Risiko eingegangen, indem sie Minister der Mitte und aus dem rechten Flügel einsetzten.