Titelseite der Wiener Zeitung
APA/Helmut Fohringer
Nationalrat

Aus für bisherige „Wiener Zeitung“ besiegelt

Der Nationalrat hat sich am Donnerstag mit verschiedenen Materien beschäftigt, allen voran dem Ende der „Wiener Zeitung“ in ihrer bisherigen Form. SPÖ und FPÖ rückten die Gesundheitskrise in den Fokus und kritisierten Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) scharf. NEOS machte hingegen mit einem Dringlichen Antrag auf die Personalnot generell aufmerksam.

Die tägliche Printversion der „Wiener Zeitung“ wird eingestellt, das Republiksblatt, das als älteste Tageszeitung der Welt firmiert, wird künftig nur noch online und allenfalls monatlich in Papierform erscheinen. Zudem wird ihr eine wichtige Rolle bei der praxisnahen Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten sowie bei der Bereitstellung von Content für die Ministerien und andere öffentliche Einrichtungen eingeräumt.

Grund für das neue Geschäftsmodell ist die Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen im „Amtsblatt“, die derzeit für einen Großteil der Einnahmen des Blattes verantwortlich sind. Anstelle des Amtsblattes soll eine elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform (EVI) eingerichtet werden.

Aus für gedruckte „Wiener Zeitung“

Die tägliche Printversion der „Wiener Zeitung“ wird eingestellt, das Republiksblatt, das als älteste Tageszeitung der Welt firmiert, wird künftig nur noch online und allenfalls monatlich in Papierform erscheinen.

Insgesamt will die Regierung für das neue Geschäftsmodell Fördermittel in der Höhe von 16,5 Mio. Euro bereitstellen, wobei 7,5 Mio. Euro auf die „Wiener Zeitung“ selbst, sechs Mio. Euro auf die Ausbildung sowie weitere Aufgaben des „Media Hub Austria“ und drei Mio. Euro auf die Verlautbarungs- und Informationsplattform entfallen. Bei der namentlichen Abstimmung wurden 162 Stimmen abgegeben, 88 Ja-Stimmen reichten für die Annahme des Gesetzes.

„Totengräber der ältesten Tageszeitung der Welt“

SPÖ und FPÖ kritisierten das Aus der Printversion scharf. Die Abstimmung darüber wird eine namentliche. Dafür werde die SPÖ sorgen, so SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried (SPÖ) im Vorfeld. Er hatte sich empört über den „türkis-grünen Zerstörungsakt“ gezeigt, dieser sei „eine kultur- und medienpolitische Schande für Österreich“.

Nationalratsabgeordnete mit Ausgaben der Wiener Zeitung
APA/Roland Schlager
Die SPÖ protestierte im Plenum gegen das Ende der täglichen Printversion

„Besonders die Grünen“ sollten sich überlegen, „ob sie als die Totengräber der ältesten Tageszeitung der Welt in die Geschichtsbücher eingehen wollen“. Als „Schande“ bezeichnete auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner das Aus der täglichen Printversion im Plenum. Per Aussendung meldete sich auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zu Wort: „Das ist ein beispielloser Akt der Kulturlosigkeit und einer fehlgeleiteten Medienpolitik. Die älteste Tageszeitung der Welt stellt man nicht ein.“

Es gebe „überhaupt keinen Anlass, die älteste Zeitung der Welt auf diese Art und Weise zugrunde zu richten“, so auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker am Mittwoch. In Hinblick auf die Finanzierung habe sich die Zeitung „zwar einmal den Fuß verstaucht, dieses neue Gesetz ist aber nichts anderes, als ihr beide Füße zu amputieren, sie an einen Herzschrittmacher anzuschließen und den Schalter dafür im Bundeskanzleramt aufzustellen“, damit ortete er Möglichkeiten zur politischen Einflussnahme.

Meinl-Reisinger: „Orban wäre stolz“

Sehr scharf äußerte sich NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: In „Unfähigkeit, Kurzsichtigkeit, Niedertracht oder Überheblichkeit der Macht“ – eines davon garantiert – begehe die Regierung einen „historischen Fehler in ihrer Medienpolitik“. Mit dem Ende für die Printzeitung seien ÖVP und Grüne „Totengräber“ auch der Demokratie.

Unabhängigen Journalismus zu begraben, gleichzeitig eine staatliche Journalistenausbildung im Kanzleramt zu etablieren und mit dem (am Mittwoch präsentierten) neuen ORF-Gesetz einen „de facto digitalen Monopolisten“ üppigst auszustatten – „das ist in der Methode Kuba und im Ergebnis Ungarn“. „Viktor Orban wäre sehr stolz“, hielt die NEOS-Chefin der Regierung vor.

Aus für bisherige "Wiener Zeitung“

Trotz empörter Proteste der Opposition – und viel Kritik von außerhalb – hat der Nationalrat am Donnerstag das Aus für die „Wiener Zeitung“ in der bisherigen Form besiegelt. SPÖ, FPÖ und NEOS appellierten zwar eindringlich an die Regierung, auf die Umwandlung der ältesten Tageszeitung der Welt in ein Digitalmedium zu verzichten. Aber ÖVP und Grüne waren überzeugt, dass die gewählte Lösung die beste ist.

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) trat diesen Vorhaltungen entgegen. „Wer von der Abschaffung der ‚Wiener Zeitung‘ spricht, sagt die Unwahrheit“, hielt sie der Opposition vor. Die Zeitung werde nach dem neuen Geschäftsmodell weiterbestehen, mit der Digitalisierung könne man „diesen guten Journalismus, der gegen Fake News wirkt“, für die Zukunft absichern und einem breiteren Publikum zugänglich machen. Was die Journalistenausbildung betrifft – die gebe es bereits jetzt in der „Wiener Zeitung“, und sie werde auch künftig „selbstverständlich nicht im Bundeskanzleramt angeboten, sondern in der Redaktion“.

Nicht glücklich, aber linientreu äußerten sich die Grünen. „Glauben Sie, es macht uns Spaß, diese furchtbaren Entscheidungen zu treffen?“, antwortete Klubchefin Sigrid Maurer der Opposition – um dann aber Zuversicht zu zeigen, dass die Umwandlung in ein digitales Medium „gut gelingen kann“.

Wirtschaft erfreut, Gewerkschaft empört

Die Wirtschaft hingegen freute sich über das Ende der Pflichtveröffentlichung für Unternehmen im Amtsblatt. „Damit schaffen wir eine spürbare Entlastung von rund 20 Millionen Euro jährlich für die heimischen Betriebe“, so der Nationalratsabgeordnete und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger (ÖVP) in einer Aussendung. Der Weg zum digitalen Medium sei „zukunftsträchtiger“, die Zukunft der „Wiener Zeitung“ sei gesichert.

Die Gewerkschaft GPA sah das am Donnerstag anders. Die Vorsitzende Barbara Teiber forderte gemeinsam mit dem Chef der Journalistengewerkschaft in der GPA, Eike-Clemens Kullmann, sowie der Vorsitzenden des Wirtschaftsbereichs ORF und Töchter in der GPA, Nadja Igler, eine langfristige Absicherung journalistischer Arbeitsplätze in Österreich. Sie kritisierten auch die Gesetzesentwürfe zu ORF und „Wiener Zeitung“. Der Beschluss des „Wiener-Zeitungs-Zerstörungsgesetzes“ sei ein Anschlag auf die Pressefreiheit.

Auch Medientransparenzgesetz absegnet

Die nötige Zweidrittelmehrheit fand – dank Zustimmung der SPÖ – die von der Regierung vorgelegte Novelle zum Medientransparenzgesetz, und zwar mit ein paar per Antrag ergänzten Änderungen. Die Novelle sieht mehr Transparenz bei öffentlichen Inseraten vor. Ministerien und andere öffentliche Stellen, die Werbekampagnen ab einem Volumen von 150.000 Euro schalten, müssen damit ab 2024 öffentlich über Inhalt, Laufzeit, Budget und Zielgruppen der Kampagne informieren und darlegen, warum die Kampagne nötig ist.

Übersteigt die Kampagne den Betrag von einer Million Euro, ist zusätzlich eine Wirkungsanalyse durchzuführen. Neu ist außerdem die Meldepflicht aller entgeltlichen Inserate und Einschaltungen an die KommAustria. Die Bagatellgrenze von 5.000 Euro und die bisherige Beschränkung der Bekanntgabepflicht auf periodische Medien entfallen. Außerdem werden auch die einzelnen Werbesujets zu veröffentlichen sein, wenn die Gesamtsumme der Aufträge pro Halbjahr den Betrag von 10.000 Euro überschreitet.

Vorerst noch in der Warteschleife hängt der dritte Teil des von den Regierungsparteien vorgeschlagenen Medienpakets. Der neue Fördertopf für Qualitätsjournalismus muss beihilfenrechtlich erst von der EU genehmigt werden.

„Stiftung Forum Verfassung“ kommt

Eine breite Mehrheit gab es unterdessen für die Einrichtung der „Stiftung Forum Verfassung“. Ziel des Vorhabens soll es sein, die Bedeutung der Bundesverfassung und des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken und das Verfassungswissen zu verbessern. Der Antrag dazu wurde gemeinsam von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS eingebracht, Kritik kam von der FPÖ. Die FPÖ findet die Stiftung „systemwidrig“ und zu teuer.

Geplant ist ein Verfassungspreis für die Vermittlung der Bedeutung der Bundesverfassung und der Verfassungsgerichtsbarkeit sowie zur Förderung wissenschaftlicher Arbeiten. Die Stiftung wird eng an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) angebunden sein.

Hitzige Debatte über „Totalkrise“ im Gesundheitswesen

Der zweite große Brocken am Donnerstag ist das Gesundheitswesen, dem die SPÖ eine „Totalkrise“ konstatiert. Sie initiierte eine Aktuelle Stunde im Plenum, die in eine hitzige Debatte mündete. Die Opposition hielt der Regierung vor, nichts gegen den Personalmangel in den Spitälern und der Pflege sowie den Ärztemangel zu tun.

Jetzt könnten, weil Ärzte und Personal fehlen, viele Patienten nicht mehr adäquat versorgt werden, Kranke müssten nach Hause geschickt, Operationen monatelang verschoben werden. Die Regierung müsse sich, forderte die SP-Chefin, sofort mit allen Beteiligten hinsetzen und „so lange arbeiten, bis es eine Lösung für die österreichische Gesundheitsversorgung gibt“.

„Die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung ist in Gefahr. Wann werden Sie endlich aktiv, Herr Bundeskanzler?“, hatte die SPÖ als Thema der Aktuellen Stunde formuliert. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist allerdings auf Reisen in Afrika, an seiner Stelle antwortete Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Er verwies auf gesetzte Maßnahmen und die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen. Rauch unternehme gerade den „ehrlichen Versuch“, die Strukturen zu verbessern, um Mittel frei zu machen, die man dann für die durchaus zu Recht vorgebrachten Anliegen einsetzen könnte, so Kogler.

Parlamentsdebatte über Gesundheitskrise

Die SPÖ hat die Krise im Gesundheitssystem in einer Aktuellen Stunde im Parlament zum Thema gemacht. Die Abgeordneten debattierten über Personalmangel und die künftige Finanzierung des Systems.

ÖVP: „Haben ausgezeichnetes Gesundheitssystem“

ÖVP-Gesundheitssprecher Josef Smolle ließ die Kritik der Opposition gar nicht gelten: „Wir haben in Österreich ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem“ mit der Sicherheit, „niederschwellig absolute Spitzenmedizin für jeden Menschen zu bekommen“. Die Spitäler seien nicht ausgedünnt, der Personalstand sogar gestiegen. Und rufen könne man da nicht nach dem Kanzler – seien doch viele zuständig, etwa die Länder für die Spitäler.

Die FPÖ schenkte den schwarz-grünen Beteuerungen keinen Glauben: „Die Regierung hat genau gar nichts gemacht, um die Situation zu verbessern“, verwies Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak darauf, dass etwa „die Pflegereform mehr frustriert als geholfen“ habe. Die vielen von der Opposition seit 2020 vorgelegten Vorschläge habe die Koalition alle immer „in Bausch und Bogen vertagt“. Die FPÖ brachte einen „6-Punkte-Plan“ für die Gesundheit ein, bestehend aus Evaluierung des Personalbedarfs, finanzieller Fairness, Entbürokratisierung, Weiterbeschäftigung Älterer, ein flächendeckendes Stipendiensystem sowie der Einbindung von Wahlärzten.

Personalnot: Antrag abgelehnt

Aus Sicht von NEOS gibt es zwar genug Ärzte und Mittel – aber nötig seien strukturelle Veränderungen, um die Versorgung zu verbessern. Es könne nämlich nicht sein, „dass Patienten doppelt zahlen müssen, für die Sozialversicherung und für die Wahlärzte“, so Fiona Fiedler, die eine dringende Aufstockung der Primärversorgungszentren forderte.

NEOS wollte am Donnerstag auf die Personalnot auch in vielen anderen Branchen aufmerksam machen. Mit einem – letztlich abgelehnten – Dringlichen Antrag forderte die Partei „mehr Netto von weniger Brutto“, eine flächendeckende Kinderbetreuung, die Aufwertung von Lehrberufen und eine „echte Einwanderungsstrategie“ nach kanadischem Vorbild.

Fünf Prozent aller Stellen in Österreich seien unbesetzt, im Vergleich zu 2,6 Prozent im EU-Durchschnitt, so NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak, der Österreich als „Land des Arbeitskräftemangels“ titulierte. Steuere man nicht gegen, komme das Land auf über 360.000 offene Stellen bis zum Jahr 2040. Dass die Inflation durch Beihilfen „nach dem Gießkannenprinzip“ – zuletzt die acht Mrd. Energiepreisbeihilfe – befeuert werde, beklagten NEOS wie auch SPÖ. Meinl-Reisinger warnte vor einer Gefährdung von Österreichs Wohlstand.

Kocher sieht Lage entschärft

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) versprach weitere Maßnahmen, sah die Situation aber bereits entschärft. Er unterstrich, dass der Fachkräftemangel aus konjunkturellen Gründen bereits geringer sei als im Vorjahr. Strukturell sei man aber mit Alterung, einem Trend zur Teilzeit und Verschiebungen zwischen den Branchen hin zu besseren Arbeitsbedingungen konfrontiert. Zu den Forderungen von NEOS verwies er auf steuerliche Maßnahmen wie die Abschaffung der kalten Progression, die die Belastung bereits gesenkt hätten. Bei den Lehrlingen lobte er die Ausrichtung Österreichs, zuletzt sei hier die Abwassertechnik und erst diese Woche die Pflegelehre dazugekommen.

Gerangel um Deutungshoheit nach U-Ausschuss

Ein weiteres Nationalratsthema war das endgültige Ende des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses – durch ein „Foul der NEOS“, wie FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker vorab sagte. Der FPÖ-Antrag auf einen „Covid-U-Ausschuss“ war bereits zuvor niedergestimmt worden.

Mit dem Aufruf des – letztlich einstimmig angenommenen – Abschlussberichts wurde der Ausschuss offiziell beendet. In dem Konvolut, das auch die Berichte der fünf Fraktionen enthält, blieb die ÖVP mit der Einschätzung alleine, dass der Ausschuss kaum Ergebnisse gebracht habe. Opposition und Grüne sahen das anders: Von Korruption, Postenschacher und Steuergeschenken war die Rede.

Der Debatte wohnten auch die beiden U-Ausschuss-Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl und Christa Edwards bei. Mit der Beendigung des Verfahrens bietet sich nun die Möglichkeit, einen neuen U-Ausschuss mit Minderheitenrecht einzusetzen. Aktuell bahnt sich hier aber keine gemeinsame Vorgangsweise der Opposition an.