König Charles, 2015
AP/Nasser Nasser
Sklaverei

Charles’ Vorfahren besaßen Plantagen

Direkte Vorfahren des britischen Königs Charles III. und der königlichen Familie haben Menschen gekauft und diese auf Tabakplantagen im US-Bundesstaat Virginia versklavt. Das geht aus neuen Untersuchungen hervor, die durch die Öffnung der königlichen Archive ermöglicht wurden. So war ein Verwandter Charles’ am Kauf von mindestens 200 Menschen von der Royal African Company (RAC) im Jahr 1686 beteiligt.

Ein Dokument, das dem britischen „Guardian“ vorliegt, weist einen Schiffskapitän an, 200 versklavte Afrikaner bzw. Afrikanerinnen dem Plantagenbesitzer Edward Porteus in Virginia sowie zwei weiteren Männern zu übergeben. Porteus’ Sohn Edward, der das Anwesen seines Vaters erbte, zog 1720 mit seiner Familie nach England. Später heiratete seine direkte Nachfahrin Frances Smith den Adeligen Claude Bowes-Lyon. Deren Enkelin war Elizabeth Bowes-Lyon, die verstorbene Königinmutter, die Großmutter von Charles III.

Jene Dokumente, die das belegen, wurden von der britischen Wissenschaftlerin Desiree Baptiste ausgehoben. Sie untersuchte für ein von ihr verfasstes Theaterstück die Verbindungen zwischen der Kirche von England und den Sklavenhaltern in Virginia. Ihr Fund offenbart eine direkte Verbindung zwischen dem Stammbaum der Windsors und dem Handel mit versklavten Afrikanerinnen und Afrikanern.

Detailreiche Briefe

Die RAC, deren Geschäft es war, mit fast 180.000 versklavten Menschen zu handeln, erhielt von den aufeinanderfolgenden englischen Herrschern königliche Freibriefe. In dem neu veröffentlichten Dokument ist zu lesen, wie hochrangige RAC-Beamte, die sich selbst als „Ihre lieben Freunde“ des Königs bezeichneten, den Kapitän eines Schiffes anwiesen, Schwarze (im Original das N-Wort) an Edward Porteus zu liefern. Das Geschäft der RAC war es, mit Menschen zu handeln und sie zu versklaven. Insgesamt transportierte die RAC 187.697 Menschen als Sklaven auf den amerikanischen Kontinent.

Dokumente aus der Kolonialzeit
National Portrait Gallery London
Anweisungen aus dem 17. Jahrhundert lassen Rückschlüsse zu, dass die Royals in Sklaverei verwickelt waren

„Sie sollen bei der ersten Gelegenheit, die Gott nach Erhalt dieses Schreibens sendet, mit dem Schiff ‚Speedwell‘ aus der Themse auslaufen und sich auf den Weg nach James Island am Fluss Gambia machen“, heißt es in der Anweisung. Und weiter: „Unser besagter Beauftragter soll zweihundert“ Schwarze (im Original das N-Wort) „an Bord des Schiffes bringen und so viele weitere, wie er bereitstellen und das Schiff bequem tragen kann (…), und dann weiterfahren (…) zum Potomac River in Maryland und sie an Mr. Edward Porteus, Mr. Christopher Robinson und Mr. Richard Gardiner ausliefern.“

Im Testament von Edwar Porteus war außerdem von Afrikanerinnen und Afrikanern die Rede, die er seinem Sohn Robert vermachte. Edward Porteus hinterließ seiner Frau Margaret auch „mein“ N-Wort-„Mädchen Cumbo“, mutmaßlich als versklavte Dienerin.

Koloniales Virginia als Epizentrum

Virginia ist ein wichtiger Ort in der Geschichte der Sklaverei in den USA. 1619 landeten dort die ersten versklavten Afrikanerinnen und Afrikaner. Um die Sklaverei aufrechtzuerhalten und Aufstände zu unterdrücken, wurden in dem US-Staat Gesetze entwickelt, die unter anderem Folter und Verstümmelung von Sklavinnen und Sklaven vorsahen.

Sklaven auf einer Plantage
IMAGO/Photo12/Via Www.imago-Images.de
Sklaverei erlebte einen Aufstieg mit der Entstehung der Plantagenökonomie, die im 17. Jahrhundert in Virginia entstand

Ein Aufstand von Sklavinnen und Sklaven im Jahr 1663 in Gloucester County, wo die Familie Porteus ihren Sitz hatte, wurde nach einem Bericht der Colonial Willamsburg Foundation gnadenlos niedergeschlagen: „Mehrere blutige Köpfe baumelten als grausame Warnung für andere von den Rauchfängen der Gegend.“

Charles stimmte Archivöffnung zu

Anfang dieses Monats hatte Charles III. zum ersten Mal seine Unterstützung für die Erforschung der Verbindungen zwischen der britischen Monarchie und dem transatlantischen Sklavenhandel zugesagt. Ein Sprecher des Buckingham-Palasts sagte damals, Charles nehme das Thema Sklaverei, das er als „entsetzliche Gräueltat“ bezeichnet habe, „zutiefst ernst“.

Dokumente aus der Kolonialzeit
National Portrait Gallery London
Die Forschungen gehen unter anderem auf die Mutter von Elisabeth II. zurück, Großmutter von König Charles

Die Unterstützung für die Forschung sei Teil des Prozesses, mit dem Charles sein Verständnis für die anhaltenden Auswirkungen der Sklaverei vertiefen wolle, so der Sprecher. Charles habe das zudem „seit seiner Thronbesteigung mit Nachdruck und Entschlossenheit“ fortgesetzt.

Ein Sprecher des Königs antwortete dem „Guardian“ auf die Frage nach dem Erbe der Familie Windsor in Virginia, man könne sich bis nach der Krönung am 6. Mai nicht dazu äußern. Insiderinnen und Insider vermuten, der Druck sei derzeit zu groß, als dass sich die royale PR-Abteilung um etwas anderes als das weltweite Interesse an der Krönung kümmern könne.

Sunak lehnt Entschuldigung für Kolonialismus ab

Unterdessen wies der britische Premierminister Rishi Sunak am Mittwoch eine Aufforderung zurück, sich im Namen seines Landes für Sklaverei und Kolonialismus zu entschuldigen. „Nein. Ich glaube, wir sollten uns darauf fokussieren, unsere Geschichte in allen ihren Teilen zu verstehen, nicht davor wegrennen, sondern jetzt sicherstellen, dass wir eine inklusive und tolerante Gesellschaft für Menschen jeglicher Herkunft haben“, sagte Sunak bei der wöchentlichen Fragestunde im Parlament.

Die „Geschichte auseinanderzupflücken“ sei nicht der richtige Weg, so Sunak weiter. Er reagierte mit der Äußerung auf die Frage der liberaldemokratischen Abgeordneten Bell Ribeiro-Addy, ob er eine „vollständige und bedeutungsvolle Entschuldigung für die Rolle unseres Landes in Sklaverei und Kolonialismus abgeben und sich zu Reparationszahlungen bekennen“ werde.

Großbritannien war vom 17. bis zum 20. Jahrhundert das größte Kolonialreich der Geschichte. Zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung 1922 umfasste es mit 458 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern und rund 33,67 Millionen Quadratkilometern sowohl ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung als auch ein Viertel der Landfläche der Erde. Damit gingen unter anderem Sklaverei, Missionierung und der Raub von Kulturgütern einher. Die Auswirkungen in den ehemaligen britischen Kolonien sind bis heute spürbar.