Die frühere Familienministerin Sophie Karmasin
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Beinschab verschoben

Zeugen belasten Karmasin im Prozess

Im Prozess gegen Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin ist Donnerstagnachmittag die Befragung der Kronzeugin Sabine Beinschab überraschend abgesagt worden. Zuvor hatte in dem Verfahren gegen die Ex-Ministerin und einen Abteilungsleiter im Sportministerium Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic schwere Geschütze aufgefahren und neue Unterlagen vorgelegt. Zeugen belasteten Karmasin.

Ausschlaggebend für die Verschiebung der Einvernahme Beinschabs war, dass die Befragung des Beamten im Sportministerium mehrere Stunden gedauert hatte. Vor allem Verteidiger Norbert Wess wollte von ihm Details zur Beauftragung und Vergabe von drei von der Anklage umfassten Studien an Karmasin wissen.

Nach einer kurzen Mittagspause verkündete Richter Patrick Aulebauer, dass Beinschab am Donnerstag nicht mehr vernommen werde. Es sei den Schöffen nicht zumutbar, „dass wir vielleicht bis Mitternacht da sitzen“. Die Einvernahme Beinschabs werde „sicher länger dauern“, dafür brauche es einen weiteren Termin.

Der Vorwurf gegen Karmasin

Karmasin soll sich laut Anklage nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Ministerin nahtlos fortsetzte. Inkriminiert sind 78.589,95 Euro, die Karmasin von 19. Dezember 2017 bis 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Kronzeugin Sabine Beinschab beim Prozess gegen die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin
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Der Richter rechnete mit einer längeren Befragung Beinschabs, weshalb sie verschoben wurde

Karmasin soll nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag für drei Studien für das Sportministerium erhalten haben, indem sie zwei Mitbewerberinnen dazu brachte, von ihr inhaltlich vorgegebene und vorab besprochene Scheinangebote an das Ministerium zu übermitteln. Eine der beiden war am Donnerstag als Zeugin geladen.

„Genau vorgegeben, wie Angebot aussehen soll“

Die Absprache sei dabei über Beinschab gelaufen, so die Zeugin, die immer wieder mit der Meinungsforscherin bei Studien zusammenarbeitete. „Sie (Beinschab, Anm.) hat mich gefragt, ob ich so ein Angebot machen würde. Es war aber ohnehin klar, dass Sophie Karmasin den Auftrag bekommen sollte.“ Lediglich eine „Order“ aus dem Ministerium „im letzten Moment“ habe verlangt, Vergleichsangebote für die Studien einzuholen. „Mir wurde genau vorgegeben, wie das Angebot aussehen soll“, sagte die Zeugin.

Erwartungsgemäß habe dann Karmasin den Zuschlag bekommen. „Ich hätte die Studie selber auch auf keinen Fall machen können, vielleicht mit Sabine Beinschab gemeinsam, aber sicher nicht allein.“ Bei der zweiten Studie sei dann „alles wie beim ersten Mal“ gelaufen. Kontakt zu Karmasin habe sie dabei nicht gehabt, so die Zeugin. Sie habe von diesen Scheinangeboten wenig gehabt – beim ersten Mal gar nichts, beim zweiten Mal habe sie in kleinem Umfang mitgearbeitet. „Ich wurde einfach um einen Gefallen gebeten.“

Zeugen belasten Karmasin im Prozess

Im Prozess gegen Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin ist die Befragung der Kronzeugin Sabine Beinschab überraschend abgesagt worden.

„Nicht in Ordnung“

Bei der dritten Studie sei sie dann ausgeschieden. „Ich wusste ja von Anfang an, dass das nicht in Ordnung war. Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gewissen (…) Wenn sie den Auftrag bekommt, dann ist das so, aber ich wollte nicht mehr mithelfen, dass das so ist, und das habe ich beiden (Karmasin und Beinschab, Anm.) gesagt.“

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte in dieser Sache auch gegen die am Donnerstag als erste Zeugin aussagende Meinungsforscherin wegen Beitragstäterschaft ermittelt. Dieses Verfahren wurde diversionell erledigt, laut WKStA hat die Frau bereits gemeinnützige Leistungen erbracht.

„Ich wusste, dass es von oben kommt“

Ebenfalls als Zeugin einvernommen wurde danach eine seinerzeit im Sportministerium für die Einholung der Angebote zuständige Sachverständige. Sie sei von ihrem damaligen Abteilungsleiter, der nun neben Karmasin die Anklagebank drückt, beauftragt worden, Vergleichsangebote einzuholen.

Allerdings sei sie dafür erst zuständig gewesen, als es um die dritte Studie ging. „Ich habe den Auftrag so verstanden, dass ich das genauso machen soll wie meine Vorgänger“, darum habe sie auch wieder bei den drei selben Meinungsforscherinnen Angebote eingeholt.

Mit den drei Frauen habe sie dabei keinen Kontakt gehabt. Recherchen zu den Meinungsforscherinnen habe sie nicht angestellt, „ich bin davon ausgegangen, dass das Hand und Fuß hat“, was ihre Vorgänger gemacht hätten. Generell habe sie gewusst, dass die Studie „gewünscht“ wurde, nicht jedoch, von wem. „Ich wusste aber, dass es von oben, also über dem (zweitangeklagten, Anm.) Abteilungsleiter, kommt“.

„Nicht nach Billigstbieterprinzip“

Wie die Karmasin-Studien zustande kamen und beauftragt wurden, erläuterte im Anschluss ein langjähriger, auf das Vergaberecht spezialisierter Mitarbeiter im Sportministerium. Mit der ersten habe man „den Leuten (der Bevölkerung, Anm.) eine Motivation geben wollen, dass sie sich bewegen“, sagte der Zeuge.

Bei der ersten Besprechung im Ministerium habe Karmasin „ein relativ vollständiges Konzept zum Bewegungsmonitoring“ vorgelegt: „Es hat vom Inhalt her gut ausgeschaut.“ Das Design und die Auswertung hätten gefallen, eine „direkte Zusage“ habe es aber bei diesem Termin noch nicht gegeben, sagte der Beamte und widersprach damit Karmasin: „Definitiv nicht. Wir haben keine Freigabe gehabt.“

Es seien zwei weitere Vergleichsangebote verlangt worden, um den Leistungs- und Kostenumfang beurteilen zu können: „Man wollte es von oben.“ Zwar sei in weiterer Folge Beinschabs Angebot billiger gewesen, er habe aber Karmasin als Bestbieterin beurteilt: „Ich gehe nicht nach dem Billigstbieterprinzip.“ Die Beauftragung habe sich infolge des „Ibiza-Videos“ und der Regierungsumbildung verzögert, „aber dann haben wir das Okay bekommen, dass wir das beauftragen dürfen“.

Die zweite Studie – es ging um Frauen im Vereinssport – sei zwar „ein Sektionschef-Projekt“ gewesen, eine „Anordnung“, dass Karmasin damit beauftragt werde, habe es aber nicht gegeben, meinte der Zeuge. Es sei aus seiner Sicht unproblematisch, „wenn sich jemand was wünscht und es entspricht dem Vergaberecht“, sagte der Jurist.

Er bzw. die Vergaberechtsabteilung habe nicht den Eindruck gehabt, dass die Beauftragung Karmasins abgesprochen war: „Es hätte keiner Lunte gerochen. In unserer Abteilung hätte keiner den Eindruck gehabt, dass da etwas abgesprochen war. Zuschanzen hätte man viel eleganter machen können.“

Karmasin verteidigt sich

Karmasin hatte zum Prozessauftakt am Dienstag gesagt, sie habe nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministeramt nicht in das Familienunternehmen zurückkehren können, das man aufgrund ihrer politischen Karriere habe abgeben müssen, und aus einem in Aussicht gestellten Job sei nichts geworden.

Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic
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Oberstaatsanwalt Adamovic glaubt Karmasins Ausführungen nicht

Deshalb habe sie „sicherheitshalber Entgeltfortzahlung beantragt“, ihr „naives Verständnis“ sei gewesen, dass ein solcher Antrag mit einem möglichen zukünftigen Beschäftigungsverhältnis zu vereinbaren gewesen sei. „Rückblickend war das ein Fehler. Es tut mir leid.“

Neue Chatauswertungen

Oberstaatsanwalt Adamovic von der WKStA dürfte sie mit dieser Verantwortung nicht überzeugt haben. Er präsentierte am Donnerstag im Großen Schwurgerichtssaal „sachverhaltsrelevante Dokumente“, wie er sich ausdrückte, die nach seiner Ansicht Täuschungshandlungen der Ex-Ministerin untermauern und widerlegen, dass sie Anfang 2018 keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Bei den zusätzlichen Beweismitteln handelt es sich um Chatauswertungen, vor allem Nachrichten, die Karmasin mit ihrer ehemaligen Mitarbeiterin Beinschab ausgetauscht hatte.

WKStA: Während Amtstätigkeit Verhandlungen geführt

„Die Dokumente zeigen, dass Karmasin auch im Jänner 2018 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, indem sie einen Jahrbuchbeitrag für die Politische Akademie der ÖVP erstellt hat“, sagte Adamovic. Im März 2018 habe Karmasin dann auch Provisionsansprüche im Zusammenhang mit einer Studie zur Budgetrede des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) erworben, wovon sie selbst ausgegangen sei, wie sich aus einer Chatnachricht ergebe. Karmasin habe für diese konkrete Studie auch Beratungsdienste geleistet.

Laut Adamovic soll die Ex-Ministerin schon 2017 – also noch während ihrer Amtstätigkeit – Vorträge geplant und fixiert sowie Honorarverhandlungen geführt haben. Im November und im Dezember 2017 habe sie „ganz grundsätzlich eine Zusammenarbeit mit Beinschab konkret vorbereitet“ und ein Businessmodell schriftlich fixiert, legte der Oberstaatsanwalt dar.

„Gute Vermögenslage“

Abschließend verwies der WKStA-Vertreter auf die „gute Vermögenslage“ der Ex-Ministerin, die nach seinem Dafürhalten dem gesetzlich vorgesehenen sechsmonatigen Bezugsfortzahlungsanspruch entgegensteht, der nur aus dem Amt geschiedenen Ministerinnen bzw. Ministern zusteht, die einkommenslos sind.

Karmasin habe damals nicht nur eine Villa in Korneuburg gebaut bzw. ausgebaut, sondern im März 2018 eine Immobilie in Mondsee angemietet. Karmasin und ihre Verteidiger Norbert Wess und Philipp Wolm äußerten sich zu den vorgelegten Unterlagen nicht. Sie wurden jedenfalls zum Akt genommen, wie Richter Aulebauer protokollieren ließ.