Die SPÖ-Mitgliederbefragung ist in vollem Gange, bis 10. Mai sollen die rund 148.000 SPÖ-Mitglieder noch abstimmen zwischen der amtierenden Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler – bzw. für keine der drei Personen. Das Ergebnis wird aber erst frühestens am 22. Mai vorliegen.
Entscheiden wird schlussendlich ohnehin der Parteitag am 3. Juni. Die SPÖ hängt also noch einen Monat fest in ihrer selbst heraufbeschworenen Führungsdebatte. Und mitten hinein fällt der 1. Mai, an dem die Sozialdemokratie üblicherweise Stärke und Einheit zeigen will.
SPÖ-Chefin Rendi-Wagner zum SPÖ-Kurs
Der 1. Mai steht für die SPÖ heuer im Zeichen eines Richtungskampfes. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner war dazu zu Gast in der ZIB2.
Die SPÖ hofft freilich auf regen Zustrom am 1. Mai, doch ausschließen könne man Störaktionen wie vereinzelte Transparente auch nicht, so Filzmaier. Auch auch ohne solche gebe es das angestrebte Bild von Geschlossenheit nicht.
„Die Tragikomik“ des Ersten Mai
Die Tragikomik liege darin, dass der Tag der Arbeit historisch der größte Kampftag für die Sozialdemokratie sei. Als 1886 der Streik auf dem Chicagoer Haymarket blutig niedergeschlagen wurde, sei es um die großen Forderungen nach geringerer Arbeitszeit und besseren Löhnen gegangen. „Heute sind es dieselben Themen, die die SPÖ umtreiben. Darin unterscheiden sich die drei Kandidaten auch nicht sehr stark. Aber die SPÖ schafft es nicht, das für sich zu nutzen“, so Filzmaier. „Am 1. Mai werden alle nur sehen wollen, wer böse schaut.“ Keinen Eklat zu provozieren sei aber die Minimalanforderung.
Gewöhnlicher Ablauf am 1. Mai
Der Wiener Maiaufmarsch lief wie gewohnt ab: In der Früh zogen die Bezirksgruppen im Sternmarsch zum Rathausplatz, wo das bezeichnende Motto „Stark. Stärker. Zusammen“ ausgegeben wurde. Es gelte, Geschlossenheit für eine geeinte Sozialdemokratie zu zeigen, hieß es. Rendi-Wagner marschierte mit dem ersten Bezirk mit, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, gewichtiger Unterstützer der Parteichefin, kommt aus Floridsdorf. Nach der Veranstaltung samt Reden ging es in die Löwelstraße bzw. zum Praterfest.
Die beiden Herausforderer nutzten Auftritte in ihren Bundesländern, um unter den Mitgliedern für sich zu werben. Doskozil besuchte einige Feiern und einen Aufmarsch im Burgenland, Babler in Niederösterreich. Ins Gehege wollte man einander nicht kommen, daher die getrennten Auftritte.
Profitieren könnte Rendi-Wagner: Sie habe den Amtsinhaberinnenbonus und die Unterstützung der mächtigen Wiener Landesorganisation, so Filzmaier. Für Babler und Doskozil bleibe nur wenig Inszenierung übrig. „Aber das gilt ohnehin nur für diesen einen Tag, nachhaltig wird das nichts verändern.“
SPÖ-Kandidaten auf Österreich-Tour
Die Mitgliederbefragung in der SPÖ läuft seit fünf Tagen. Die Kandidaten Hans Peter Doskozil und Andreas Babler sind derzeit auf Tour in Österreich. Pamela Rendi-Wagner verzichtet auf Veranstaltungen dieser Art.
Vorsitzrennen mit gänzlich offenem Ausgang
Derzeit könne man schlicht nicht wissen, wer das Rennen um den Vorsitz machen wird, auch die SPÖ selbst könne keinerlei Tendenz ablesen, so Filzmaier. Die Delegierten auf dem Parteitag könnten – laut Parteistatut haben sie das letzte Wort – theoretisch auch das Votum der Mitglieder kippen. Das sei nicht sehr wahrscheinlich, so der Politologe.
„Es gibt aber ohnehin genügend Szenarien, die Schaden anrichten können, etwa wenn die Mitgliederbefragung aus welchem Grund auch immer scheitert. Es könnte auch zu Extremszenarien kommen, wenn alle drei Kandidaten fast die gleiche Stimmenanzahl, vielleicht jeweils mit drei Stimmen Unterschied, erhalten. Oder auch wenn die vierte Antwortoption – keine der drei Personen – viele Stimmen bekommt, das wäre ohnehin der Super-GAU“, sagte Filzmaier.
„So peinlich und chaotisch der Befragungsprozess auch ist, der wirkliche Elchtest kommt erst danach“, so der Politikwissenschaftler. Wer auch immer die Abstimmung gewinne, habe dann zwei Lager in der Partei, die einander gegenüberstünden. „Es wird dann wohl auch keine Schlammschlacht geben, aber vielleicht eine innere Emigration“. Wie etwa die SPÖ einen Wahlkampf bestreiten oder Menschen mobilisiere, wenn die mächtige Wiener Landespartei quasi nur noch Dienst nach Vorschrift machen wolle, sei unklar.
Helfen könnte da eine Art „Außenfeind“, der die eigene Partei einen könnte. Ähnliches sei etwa 2008 geschehen, beim Wechsel vom damaligen Kanzler Alfred Gusenbauer zu Werner Faymann. Weil die ÖVP damals die Koalition vorzeitig aufkündigte, verwarf Gusenbauer seinen Plan, Spitzenkandidat werden zu wollen, während Faymann schon Parteichef war. Faymann wurde beides, die Doppelspitze war obsolet. Die SPÖ verlor bei der folgenden Wahl, kam aber dennoch noch auf Platz eins. Doch eine Neuwahl oder Ähnliches sei dieses Mal nicht in Sicht, so Filzmaier.
Die Führungsfrage aber sei ohnehin Ausdruck für viele offene Fragen in der SPÖ, von der innerparteilichen Direktdemokratie über die Haltung zur FPÖ bis hin zur Zuwanderung. Die, so Filzmaier, hätte man „in ruhigeren Zeiten schon längst klären können“.