Vater gibt Kind Antibiotika
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Fehlende Medikamente

Kinderärzte fordern „schnelle Lösung“

Kinder- und Jugendärzte aus mehreren europäischen Ländern – darunter auch Medizinerinnen und Mediziner aus Österreich – haben in einem Brief an die Regierungen ihrer Länder appelliert, gegen die Knappheit bei Kinderarzneimitteln vorzugehen. „Die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen ist durch den Medikamentenmangel europaweit gefährdet“, warnen sie.

Eine „schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung ist dringend erforderlich!“, heißt es in dem am Samstag bekanntgewordenen Schreiben weiter. Der Brief ist vom 27. April und richtet sich an die Ministerinnen und Minister für Gesundheit in Österreich, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Südtirol (Italien) und ist von dortigen Kinderarztverbänden unterschrieben.

Zu den Mitunterzeichnern gehört unter anderem der deutsche Mediziner Thomas Fischbach. Ihm zufolge fehlt es in Deutschland etwa an Fieber- und Schmerzmedikamenten in kindgerechter Darreichungsform. Auch das Antibiotikum Penizillin gebe es derzeit nicht, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Alternativen wirken oft schlechter

Antibiotika werden zum Beispiel bei Lungenentzündungen, Harnwegsinfektionen und Scharlach verschrieben. Steht das passende Präparat nicht zur Verfügung, muss nach Angaben des deutschen Berufsverbandes zu einem Antibiotikum der zweiten und dritten Wahl gegriffen werden, das aber schlechter wirkt und das Risiko für sich bildende Antibiotikaresistenzen erhöht.

In ihrem Brief warnen die Medizinerinnen und Mediziner: „Die Engpässe der letzten Monate führen dazu, dass weder kindgerechte noch an Therapierichtlinien ausgerichtete Behandlungen möglich sind.“ Die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen werde dadurch nachhaltig gefährdet. Noch vor wenigen Jahren sei dieses Szenario eines Versorgungsmangels „nicht einmal ansatzweise“ vorstellbar gewesen.

Versorgungsengpässe auch in Österreich

Der Versorgungsmangel mit Antibiotikasäften für Kinder war auch in Österreich Thema. Im März forderte sogar die Apothekerkammer, Rohstoff im Ausland zu kaufen, damit die Apotheken die Mittel selbst herstellen können. Dem erteilte das zuständige Gesundheitsministerium damals prompt eine Absage. Das Ressort war am Samstag für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.

Bekannt ist, dass das Ministerium gern auf eine Wirkstoffverschreibung umsteigen möchte, die aber vor allem von der Ärztekammer bisher abgelehnt wird. Apotheken könnten dann etwa auch ein Generikum, das den gleichen Wirkstoff enthält, ausgeben. Und zugleich verwies Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) immer wieder darauf, dass man dieses Thema im EU-Gleichschritt angehen müsse.

EU-Kommission präsentierte Reformvorschlag

Tatsächlich legte die EU-Kommission diese Woche ihre lange erwarteten Pläne zur Reform der Arzneimittelgesetzgebung vor. Da nun EU-Parlament und Mitgliedsstaaten erst darüber verhandeln müssen, dürften neue Regeln frühestens 2025 beschlossen werden. Die Reform soll unter anderem auch helfen, Engpässe bei Arzneimitteln zu verhindern. Die Unternehmen sollen verpflichtet werden, die EU früher über mögliche Lieferprobleme zu informieren. Außerdem soll die EU-Arzneimittelzulassungsbehörde gestrafft werden, um die Zulassungszeiten für neue Medikamente zu verkürzen.

Auf Gegenwind stieß der Brüsseler Vorschlag bei der Pharmaindustrie. Künftige Investitionen und Innovationen in Europa könnten dadurch verhindert werden, warnte diese.

Anreiz für raschere Verbreitung

Die Kommission schlägt vor, die Dauer der grundlegenden Marktexklusivität, die Arzneimittelhersteller erhalten, bevor Generika auf den Markt kommen dürfen, von zehn auf acht Jahre zu verkürzen. Aber sie kommt den Unternehmen etwas entgegen: Diese können zwei weitere Jahre Patentschutz erhalten, wenn sie ihre neuen Medikamente innerhalb von zwei Jahren in allen 27 Mitgliedsstaaten auf den Markt bringen.

Da in den nationalen Gesundheitssystemen derzeit oft sehr unterschiedlich hohe Preise für dasselbe Medikament gezahlt werden, erhalten jene Länder, in denen die Pharmaindustrie weniger bekommt, neue Medikamente oft erst mit jahrelanger Verzögerung. Kyriakides sagte, das neue Anreizsystem würde „rund 70 Millionen mehr Bürgern als heute Zugang zu neuen Medikamenten verschaffen“.