Person mit Einkaufswagen im Supermarkt
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Hohe Lebensmittelpreise

Europas Konsumenten wehren sich

An den Umsätzen internationaler Konsumgüterkonzerne wie Unilever und Procter & Gamble lässt sich gut erkennen, dass Konsumentinnen und Konsumenten in Europa die teils drastischen Preissteigerungen in den Supermarktregalen weniger akzeptieren als in den USA. Denn die Umsatzentwicklung klaffte laut „Financial Times“ im ersten Quartal des Jahres dies- und jenseits des Atlantiks deutlich auseinander.

Praktisch weltweit hoben Konsumgüterproduzenten in den letzten Monaten die Preise an. Sie begründen das mit teils enorm gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe. Unilever wie Procter & Gamble erhöhten ihre Preise seit Jahresbeginn im Durchschnitt um beinahe zehn Prozent, so das Londoner Finanzblatt.

Wie empfindlich Konsumenten auf Preissteigerungen reagieren oder anders gesagt: wie sehr die Nachfrage steigt oder sinkt, ist je nach Produkt und Land unterschiedlich. Die generell schlechteren Finanzen privater Haushalte in Europa machten es hier schwerer, die Preise anzuheben, so die „Financial Times“ unter Berufung auf mehrere Manager. Europäische Konsumentinnen und Konsumenten seien auch schneller bereit, auf billigere Eigenmarken von Supermarktketten umzusteigen. Diese sind in Europa deutlich verbreiteter als in den USA.

Spürbarer Rückgang etwa bei Magnum-Eis

„Wir sehen hohe Preiselastizitäten in Europa“, so der Finanzchef von Unilever, Graeme Pitkethly. Mit Preiselastizität wird die Veränderung des Angebots oder der Nachfrage nach einem Produkt nach einer Preisänderung gemessen. Sie ist für Unternehmen ein wichtiges Werkzeug zur Festlegung ihrer Preise. So gingen die Umsätze etwa von Magnum-Stieleis und Seife der Marke Dove in Europa um drei Prozent zurück. Im gleichen Zeitraum stiegen die Umsätze dieser Produkte in Nord- und Südamerika um 0,6 Prozent – bei ähnlich starken Preiserhöhungen.

Eigenmarken von Supermärkten würden in Europa derzeit auf Kosten von Markenprodukten wachsen, so Pitkethly. Besonders betroffen im Unilever-Produktportfolio sei Speiseeis. Auch der Finanzchef von Procter & Gamble, Andre Schulten, betonte, der Inflationsdruck wirke sich in Europa stärker auf den Konsum aus. Und auch er sieht in Europa den deutlichen Trend zu Eigenmarken.

„Mehr Verhandlungsdruck“

Laut Martin Deboo vom Analysten Jefferies können Handelsketten in Europa auch „mehr Verhandlungsdruck“ auf Konsumgüterproduzenten ausüben als in den USA. Er verwies dabei auf das Gewicht von Supermarktketten wie Tesco und Sainsbury’s in Großbritannien, Ahold Delhaize in den Niederlanden und Carrefour in Frankreich. Bruna Skarica von der Investmentbank Morgan Stanley wiederum betonte, wegen der stärkeren Nachfrage sei es für Produzenten in den USA leichter, die Preiserhöhungen an die Konsumenten weiterzureichen.

Inflation deutlich höher als in den USA

Laut makroökonomischen Daten waren europäische Haushalte im letzten Jahr mit stärkeren Preissteigerungen konfrontiert als die US-Haushalte. Die Inflation in der Euro-Zone erreichte erst im Oktober ihren Höhepunkt – mit 10,6 Prozent. Und noch im März erreichte sie 6,9 Prozent. In den USA war der Höhepunkt mit 9,1 Prozent bereits im Juni letzten Jahres erreicht worden – und im März lag die Teuerungsrate mit fünf Prozent deutlich unter dem Euro-Zone-Niveau.

Die Inflation in Österreich ist auch im EU-Vergleich sehr hoch. Zuletzt sank sie knapp unter die Zehnprozentmarke. An der Supermarktkassa ist der Rückgang bisher nicht zu spüren. Die Teuerung von Lebensmitteln folgt zwar langsam dem Inflationstrend, das Niveau bleibt aber hoch. Ein von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) anberaumtes Gespräch mit Handel und Fachleuten Anfang Mai soll Klarheit über die hohen Preise und ihre Ursachen bringen.

Erneute Zinserhöhung der EZB erwartet

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird angesichts der anhaltend starken Teuerung kommende Woche laut Fachleuten wohl erneut die Zinsen heraufsetzen. Das wäre bereits das siebente Mal in Folge, seit die EZB im Juli 2022 nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik die Zinswende eingeleitet hat. Allerdings rechnen Experten mehrheitlich damit, dass die Euro-Wächter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde auf ihrer Ratssitzung am Donnerstag den Fuß etwas vom Gas nehmen werden.

Statt einer kräftigen Anhebung um 0,50 Prozentpunkte wie noch im März wird ein kleinerer Schritt um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent erwartet.