Zerstörte Gebäude in Khartum
AP/Marwan Ali
Weiter Kämpfe im Sudan

Krise in ganzer Region befürchtet

Trotz einer angekündigten Verlängerung der Waffenruhe im Sudan ist in der Hauptstadt Khartum am Sonntag erneut heftig gekämpft worden. Sowohl die Europäische Kommission als auch das UNO-Welternährungsprogramm (WFP) warnten vor einer Ausweitung des Konfliktes. Die anhaltende Gewalt könnte die gesamte Region in eine humanitäre Krise stürzen. Hunger, Armut und Leid würden weiter verschärft werden.

„Als Reaktion auf internationale, regionale und lokale Aufrufe kündigen wir die Verlängerung der humanitären Waffenruhe um 72 Stunden an, beginnend heute um Mitternacht, um humanitäre Korridore zu öffnen und die Bewegung von Bürgern und Einwohnern zu erleichtern und es ihnen zu ermöglichen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen und sichere Gebiete zu erreichen“, verkündete ein Sprecher der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) am Sonntag.

Zuvor war bis Mitternacht ein Waffenstillstand ausgerufen worden, gegen diesen war in den vergangenen Tagen aber immer wieder verstoßen worden. Gefechte gebe es vor allem in der Nähe des Armee-Hauptquartiers, berichteten Augenzeugen der AFP. Zudem seien nördliche Vororte aus der Luft angegriffen worden.

Im Sudan kämpfen seit nunmehr zwei Wochen Armee-Einheiten unter dem Kommando von Militärmachthaber Abdel Fattah al-Burhan gegen die von General Mohammed Hamdan Daglo angeführte RSF-Miliz. Bei den Gefechten wurden nach offiziellen Angaben bereits mehr als 500 Menschen getötet und rund 4.600 verletzt. Es wird davon ausgegangen, dass die eigentliche Opferzahl viel höher ist.

Rauchwolke über Khartum
Reuters
Rauch steigt von brennenden Flugzeugen auf dem Flughafen von Khartum auf

„Es fehlt an allem“

Die Europäische Kommission und das WFP warnten am Sonntag eindringlich vor einer Ausweitung des Konflikts und den damit verbundenen Auswirkungen auf die umliegende Region.

„Das Risiko, dass die Krise auf umliegende Staaten in der Region übergreift, ist reell“, sagte der für humanitäres Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic der „Welt am Sonntag“. An den Sudan grenzten weitere Staaten, die „höchst fragil“ sind. „Die Konsequenzen wären desaströs. Das kann niemand wollen – darum muss die erste Priorität sein, die beiden Kriegsparteien zur Vernunft zu bringen“, sagte er.

Zerstörte Gebäude in Khartum
Reuters/Mohamed Nureldin Abdallah
Zahlreiche Autos und Gebäuden bei dem zentralen Markt in Khartum sind beschädigt

Lenarcic rechnet mit einer Verschärfung der Lage im Sudan, die schon vor der aktuellen Krise dramatisch gewesen sei und „jetzt nur noch schlimmer werden“ könne. „Das Land steht in Flammen, es fehlt an allem: sauberes Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente, Kraftstoff“, sagte der Kommissar.

Humanitäre Krise befürchtet

Hunderte humanitäre Programme im ganzen Land seien suspendiert worden, Lagerhäuser geplündert und Transportmittel, auf die humanitäre Helferinnen und Helfer angewiesen sind, zerstört. Dafür seien allein die beiden Kriegsparteien verantwortlich – aber die Zivilbevölkerung des Sudan müsse dafür „zahlen“, sagte Lenarcic.

Die anhaltende Gewalt im Sudan könnte auch die gesamte Region in eine humanitäre Krise stürzen. „Im Land hungerte schon vor Ausbruch der Kämpfe ein Drittel der Bevölkerung, nun fehlt es an allem, und die Preise für Nahrung schießen in die Höhe“, sagte der WFP-Direktor in Deutschland, Martin Frick. Auch in den Nachbarländern Tschad und Südsudan komme es zu ähnlichen Preisanstiegen.

Menschen im Supermarkt in Khartum
Reuters/El Tayeb Siddig
Menschen stehen in einem Supermarkt in Khartum Schlange, um ihre Produkte zu bezahlen

Beide Länder hätten seit Beginn der Kämpfe im Sudan bereits Tausende Geflüchtete aufgenommen. „Im Südsudan, das klimabedingt gleichzeitig in Überschwemmungen versinkt und andernorts vertrocknet, sind die Preise für Nahrungsmittel in kürzester Zeit um 28 Prozent gestiegen“, sagte Frick. Hinzu komme die angespannte Situation am Horn von Afrika, in der nach sechs ausgefallenen Regenzeiten die Not ebenfalls auf einem Rekordniveau sei.

Erstmals Hilfsflug des Roten Kreuzes gelandet

Am Sonntag ist erstmals ein Hilfsflug des Roten Kreuzes in dem nordostafrikanischen Land gelandet. Es seien acht Tonnen lebensrettende medizinische Güter nach Bur Sudan transportiert worden, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit.

In dem aus Jordanien kommenden Flugzeug waren den Angaben zufolge unter anderem chirurgische Instrumente zur Unterstützung sudanesischer Krankenhäuser sowie für die Freiwilligen der Sudanesischen Rothalbmondgesellschaft (SRCS), die bei Kämpfen verletzte Menschen medizinisch versorgen. Auch Narkosemittel und Wundverbände seien geliefert worden.

Flucht vor Kämpfen im Sudan

Im Sudan wird von neuerlichen Kämpfen in weiten Teilen des Landes berichtet. Vor allem in der Hauptstadt Khartum werden die Kämpfe immer heftiger. Wer kann, verlässt das Land. Mehr als 500 Zivilistinnen und Zivilisten wurden laut offiziellen Angaben bisher getötet. Die tatsächlichen Zahlen dürften aber weit höher liegen.

„Das Gesundheitspersonal im Sudan macht Unmögliches möglich und versorgt die Verwundeten ohne Wasser, Strom und grundlegende medizinische Güter“, erklärte der für Afrika zuständige IKRK-Regionaldirektor Patrick Yussef. „Die logistischen Vorkehrungen, um Güter mitten in eine aktive Konfliktzone zu bringen, sind extrem aufwendig, und wir sind erleichtert, dass wir dieses medizinische Material ins Land bringen konnten.“ So sind etwa kommerzielle Flüge im Sudan ausgesetzt, der zivile Luftraum ist eigentlich nicht zugänglich.

Großbritannien beendet Evakuierungen

Während sich Armee und Paramilitärs weiter blutige Gefechte um die Macht im Land liefern, hat Großbritannien die Evakuierung seiner Bürgerinnen und Bürger aus dem Sudan beendet. Man habe jedoch einen zusätzlichen Evakuierungsflug von Port Sudan im Osten des Landes organisiert, der am Montag starten wird, wie die Regierung am Sonntag mitteilte. Man werde weiterhin alles tun, um „einen langfristigen Waffenstillstand, einen stabilen Übergang zu einer zivilen Regierung und ein Ende der Gewalt im Sudan zu erreichen.“

Auch die Niederlande haben die Evakuierung ihrer Staatsangehörigen abgeschlossen. Ein achter und letzter Evakuierungsflug sei am späten Samstagabend im Sudan nach Jordanien gestartet, teilte das Verteidigungsministerium in Den Haag mit. Insgesamt seien mindestens 160 Niederländer aus dem afrikanischen Land geholt worden, 85 davon mit Flugzeugen der niederländischen Luftwaffe. Die übrigen hätten mit Flügen anderer europäischer Länder mitfliegen können.

Die USA haben ein Marineschiff in den Sudan entsandt, um bei der Evakuierung amerikanischer Staatsbürger zu helfen, die seit dem Ausbruch der Kämpfe Anfang des Monats in dem Land festsitzen, sagten zwei US-Beamte gegenüber Reuters. Die Beamten, die anonym bleiben wollten, sagten, die „USNS Brunswick“, ein schnelles Transportschiff, befinde sich vorübergehend in Port Sudan. Es würden wohl Hunderte mit dem Schiff in Sicherheit gebracht werden.