Rauchwolke über Sewastopol
Reuters
Kiew

Angriff auf Krim sollte Offensive vorbereiten

Der Drohnenangriff auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim am Samstag hat nach Darstellung des ukrainischen Militärs der Vorbereitung auf die geplante Gegenoffensive gedient. Moskau hatte Kiew bereits zuvor für die Angriffe verantwortlich gemacht. Die Ukraine hatte die Verantwortung zunächst bestritten, aber mehrfach angekündigt, die 2014 annektierte Krim von russischer Besatzung zu befreien.

„Die Unterwanderung der feindlichen Logistik ist eines der Vorbereitungselemente für die mächtigen Aktivhandlungen unserer Verteidigungskräfte, über die wir schon seit Langem sprechen“, sagte die Pressesprecherin des Südkommandos der ukrainischen Armee, Natalija Humenjuk, am Sonntag im Fernsehen. „Und diese Arbeit bereitet die großangelegte Offensive vor, auf die alle warten.“

Infolge des Drohnenangriffs war das Treibstofflager in der Krim-Hafenstadt Sewastopol Samstagfrüh kurz nach 4.00 Uhr explodiert. Der Brand wurde der höchsten Gefahrenstufe zugeordnet. Stundenlang waren Dutzende Löschfahrzeuge im Einsatz, auch ein Eisenbahnlöschzug und Ressourcen der Schwarzmeer-Flotte wurden zur Brandbekämpfung eingesetzt.

Unterschiedliche Aussagen zu Schäden

Erst nach 15.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MESZ) meldete der Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, dass die Flammen gelöscht worden seien. Unterschiedliche Angaben gab es zum Ausmaß der Schäden und zur Anzahl der eingesetzten Drohnen.

Russische Militärblogger schrieben von bis zu zehn Flugobjekten, später war von bis zu sechs Drohnen des Typs Mugin-5 Pro die Rede. Diese Drohnen können bei bis zu sieben Stunden Flugdauer zwischen 20 und 25 Kilogramm Sprengstoff transportieren.

Rauchwolke über Sewastopol
Reuters/Mikhail Razvozhaev Via Telegram
Die Löscharbeiten auf der Krim dauerten Stunden

Bei der Explosion des Treibstofflagers sollen nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes zehn Öltanks zerstört worden sein. Konkret hatte Kiew die Verantwortung für den Angriff nicht übernommen. Es hieß allerdings aus dem ukrainischen Militärgeheimdienst, solche Explosionen würden weitergehen.

Parallel zur Attacke auf Sewastopol seien auch Objekte auf der Krim angegriffen worden, behauptete der von Moskau eingesetzte Statthalter der Halbinsel, Sergej Axjonow. Zwei Drohnen seien aber von der Flugabwehr abgefangen worden.

Russland: Etwa 10.000 Quadratmeter in Brand

Das Feuer in der Bucht von Kasachja brannte auf einer Fläche von etwa 10.000 Quadratmetern, so Raswoschajew weiter. Es habe keine Verletzten gegeben und es seien keine zivilen Einrichtungen bedroht worden, wegen der großen Menge an brennendem Material sei der Brand aber schwer einzudämmen, hieß es.

„Der Brand wirkt sich nicht auf die Treibstoffversorgung von Sewastopol aus. Diese Reserven wurden nicht für die Lieferungen an die Tankstellen genutzt.“ Die Aussage Raswoschajews lässt darauf schließen, dass es sich um ein militärisch genutztes Treibstofflager handelt.

Berichte: Krim zunehmend attraktives Ziel

Die Ukraine hat bereits öfter angekündigt, die 2014 annektierte Krim wieder von russischer Besatzung befreien zu wollen. In verschiedenen Teilen der Halbinsel kommt es im Zuge von Russlands Angriffskrieg gegen das Nachbarland zu Zwischenfällen mit Drohnen, teils mit schweren Schäden, Verletzten und Toten. Russland sieht sich gezwungen, den militärischen Aufwand zur Verteidigung der Krim deutlich zu erhöhen.

Die Krim sei zunehmend attraktives Ziel für die Ukraine – insbesondere im Vorfeld einer weithin erwarteten Gegenoffensive, schreibt die US-amerikanische „New York Times“ („NYT“). Die Einzelheiten der Kampagne seien ein streng gehütetes Geheimnis, Militäranalysten würden aber voraussagen, dass die Ukraine versuchen könnte, einen Keil durch das von Russland besetzte Gebiet entlang der südlichen Küste des Schwarzen und des Asowschen Meers in der Nähe der Krim zu treiben.

Berichte: Russland vor Schwierigkeiten

Derzeit ist noch Russland im Angriff – hat aber Schwierigkeiten, voranzukommen. So können die russischen Angreifer beim Kampf um Bachmut die ukrainischen Nachschubwege in die schwer zerstörte Stadt nach Angaben aus Kiew nicht abschneiden. „Die Russen reden schon einige Wochen von der Eroberung der ‚Straße des Lebens‘ sowie der ständigen Feuerkontrolle über sie. Tatsächlich ist alles anders“, sagte der Sprecher der Heeresgruppe Ost der ukrainischen Streitkräfte, Serhij Tscherewatyj, am Samstag dem Internetportal Zn.ua.

Zwar sei die Verbindungsstraße von Bachmut nach Tschassiw Jar umkämpft, doch den Russen gelinge es nicht, die Logistik der Verteidiger zu unterbrechen. Der Nachschub an Proviant, Waffen und Munition sei gesichert, erklärte Tscherewatyj. Einerseits behaupteten die ukrainischen Kräfte ihre Positionen entlang der Straße, andererseits hätten Ingenieure bereits neue Wege nach Bachmut verlegt. „Das alles erlaubt es, Bachmut weiter zu halten“, sagte er.

Widersprüchliche Angaben

Auch der ukrainische Generalstab sprach in seinem Lagebericht von „erfolglosen Versuchen“ der russischen Angreifer, Geländegewinne in dem Raum zu erzielen. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow, behauptete hingegen am Sonntag, russische Truppen hätten vier weitere Teile der Stadt eingenommen. Unabhängig ließen sich die Angaben nicht überprüfen.

Weiters erklärte Konaschenko, russische Truppen hätten bei einem Angriff auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk ein Depot mit rund 200 Tonnen Munition zerstört. Zudem sei in der Region Sumy eine große Feldwerkstatt der ukrainischen Streitkräfte zerstört worden. Von ukrainischer Seite gab es dazu zunächst keine Reaktion.

Beschuss in Brjansk gemeldet

In der westrussischen Grenzregion Brjansk wurden unterdessen nach offiziellen Angaben zwei Menschen durch Beschuss aus der Ukraine getötet. Das schrieb der Gouverneur der Region Brjansk, Alexander Bogomas, in der Nacht auf Sonntag in seinem Telegram-Kanal.

In Brjansk hätten die ukrainischen Streitkräfte in dem Dorf Susemka ein Wohnhaus zerstört und zwei weitere Häuser beschädigt. Unabhängig ließen sich die Angaben zunächst nicht überprüfen. Russland, das vor mehr als 14 Monaten den Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine begonnen hatte, beklagt immer wieder Beschuss auch auf dem eigenen Staatsgebiet.