Die „Geo Barents“ im Hafen von Neapel
IMAGO/Antonio Balasco
Migration

Nehammer und Meloni auf „gleicher Linie“

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni hat bei einem Treffen mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag im Palazzo Chigi in Rom die „konstruktive Zusammenarbeit“ der beiden Länder in Sachen Migration gelobt. „Wir teilen die gleiche Linie, die gleiche Vision, worüber ich sehr froh bin. Unsere Länder leiden beide unter dem starken Migrationsdruck und wollen mehr zusammenarbeiten, um dieses Problem in den Griff zu bekommen“, sagte Meloni.

„Gemeinsam haben wir uns auf europäischer Ebene für einen Paradigmenwechsel beim Schutz unserer Außengrenzen eingesetzt“, erklärte Meloni bei einem gemeinsamen Statement mit Nehammer. Jetzt heiße es, diese „konstruktive Zusammenarbeit“ auch beim EU-Rat im Juni fortzusetzen. Auch in Sachen Energiesicherheit wollen die beiden Länder zusammenarbeiten, sagte Meloni. Die Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FdI) nahm die Einladung Nehammers zu einem Wien-Besuch an.

Der Bundeskanzler stellte zunächst das „vertrauensvolle und freundschaftliche Gespräch“ mit Meloni in den Vordergrund. Man baue auf eine „tragfähige Allianz“ im „Kampf gegen illegale Migration und gegen Schlepper, gegen die organisierte Kriminalität“, so Nehammer. Es sei wichtig gewesen, dass man das Thema Migration wieder auf die Agenda gesetzt habe. Nun brauche man die Unterstützung der Länder, „die den Außengrenzschutz tragen müssen“, so der Kanzler, der einmal mehr betonte: „Das Asylsystem in Europa ist gescheitert.“

Meloni: „Konstruktive Zusammenarbeit“

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat nach einem Arbeitsgespräch mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die „konstruktive Zusammenarbeit“ mit Österreich gelobt.

Neben den „Migrationsströmen“ über das Mittelmeer stand auch die Zukunft der EU im Mittelpunkt des Gesprächs. „Die Pandemie und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben das Szenario verändert, und dies muss berücksichtigt werden, wenn wir die neuen Regeln des Stabilitätspakts festlegen“, meinte Meloni. Auch den ökologischen Wandel sprach die Rechtspolitikerin an, ohne näher ins Detail zu gehen. Meloni gab auch zu, dass es in Sachen Transit offene Fragen zwischen Italien und Österreich gebe.

Fast 300 Tote in zehn Tagen

Die italienische Regierung rief angesichts der diesjährigen Flüchtlings- und Migrationszahlen Mitte April für sechs Monate den Notstand aus. Wie das Innenministerium in Rom Ende April mitteilte, seien seit Jahresbeginn 40.856 Menschen in Italien angekommen – 2022 waren es den Ministeriumsangaben zufolge im gleichen Zeitraum 10.118.

Im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Todesfälle. Aufhorchen ließ hier zuletzt tunesische Küstenwache, der zufolge allein zwischen 18. und 27. April 210 Leichen geborgen wurden. Das von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geführte Projekt „Missing Migrants“ führt für diesen Zeitraum auch ein Bootsunglück mit über 50 Opfern vor Libyen an. In nur zehn Tagen seien den „Missing Migrants“-Zahlen zufolge fast 300 Menschen und seit Jahresbeginn über 800 allein auf der zentralen Mittelmeer-Route ums Leben gekommen.

Gegenseitige Vorwürfe

Zivile Hilfsorganisationen werfen Italien und Europa vor, keine staatliche Seenotrettung auf jener gefährlichen Route zu betreiben. Rom beklagt indes, dass es mit den vielen tausend Geflüchteten weitgehend allein gelassen werde, und fordert eine europäische Initiative zusammen mit Staaten Nordafrikas, damit Menschen dort gar nicht erst in Boote steigen.

Gleichzeitig verschärfte heuer ein neues Gesetz den jahrelangen Schlagabtausch von NGOs mit der italienischen Regierung. Die neuen Vorschriften sehen vor, dass NGOs nach einer Rettungsaktion unverzüglich einen Hafen anlaufen müssen, anstatt auf See zu bleiben und nach anderen Booten in Not zu suchen. NGOs werfen Italien gleichzeitig immer wieder den Bruch völkerrechtlich verankerter Regeln wie des Non-Refoulment-Prinzips vor.

Nehammer: „Tragfähige Allianz“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat nach einem Arbeitsgespräch mit Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die „tragfähige Allianz“ der beiden Staaten betont.

Erst am Wochenende beschuldigte die Nichtregierungsorganisation Sea Watch International etwa italienische Behörden, ein Handelsschiff mit 30 geretteten Menschen an Bord aufgefordert zu haben, nach Tunesien zurückzukehren – was die italienische Küstenwache in der Folge bestritt.

Abschiebung nach Ruanda für Meloni „keine Abschiebung“

In Italien hat sich mit der Amtsübernahme Melonis der Ton in der Migrationspolitik deutlich verschärft. Erklärtes Ziel von Italiens Rechtsregierung ist unter anderem eine beschleunigte Rückführung von Ausländern ohne Aufenthaltsgenehmigung. Meloni wollte dazu Ende April bei ihrem Besuch in London nicht von Abschiebungen sprechen.

Sie betrachte auch die von der britischen Regierung forcierte Abschiebung von Geflüchteten nach Ruanda auch nicht als Abschiebung, sondern als „ein Abkommen zwischen freien Staaten, in dem die Sicherheit der Menschen garantiert ist“.

Mit dem Ende April vom britischen Unterhaus beschlossenen Gesetz „Illegal Migration Bill“ soll Menschen, die auf irreguläre Weise ins Land gekommen sind, der Weg zu einem Asylverfahren verwehrt werden. Sie sollen stattdessen eingesperrt und schließlich abgeschoben werden. Der Europarat und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mahnten, Großbritannien verletze damit seine internationalen Verpflichtungen gegenüber Asylsuchenden.

Nehammer traf Kompatscher

Vor dem Gespräch mit Meloni war Nehammer auch mit Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) und dem Parteiobmann der Südtiroler Volkspartei, Philipp Achammer, zusammengetroffen. Die beiden lobten den Kanzler daraufhin in einer Aussendung und sahen in ihm einen starken „Verbündeten“ in Fragen der Südtirol-Autonomie. Meloni hatte in ihrer Regierungserklärung betont, dass sich ihr Kabinett in Bezug auf Südtirol für die Wiederherstellung der Autonomiestandards ausspreche, die 1992 zur Streitbeilegung vor der UNO geführt hatte.

Diese waren laut den politisch Verantwortlichen in Südtirol teilweise durch die Verfassungsreform von 2001 und eine zentralistisch orientierte Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichtshofes beschnitten worden. Jetzt gelte es, Meloni beim Wort zu nehmen, so Kompatscher und Achammer. Österreich spiele bei der Erreichung dieses Ziels eine wichtige Rolle.