ÖVP-Parteizentrale in Wien
ORF.at/Peter Pfeiffer
Wahlkampf 2019

ÖVP hielt sich an gesetzliche Kostengrenze

Die ÖVP hat laut einem Bescheid des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats (UPTS) die Wahlkampfkostenobergrenze bei der Nationalratswahl 2019 nicht überschritten. Laut dem am Mittwoch publizierten Bescheid wird das Verfahren eingestellt. Damit ist der Parteiensenat im Kanzleramt dem Rechnungshof (RH) nicht gefolgt.

Nach Ansicht des RH betrugen die Wahlwerbungsausgaben der ÖVP für die Nationalratswahl 2019 zumindest 7,5 Millionen Euro und lagen somit über der erlaubten Grenze von sieben Millionen. Die Prüferinnen und Prüfer gingen konkret von einer Überschreitung von zumindest 525.000 Euro aus.

Laut RH hätte die ÖVP nämlich auch Ausgaben für Veranstaltungen der „Bergauf“-Tour mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie Wahlprämien der Bundespartei, Leistungszulagen der Niederösterreichischen Volkspartei und aliquote Kosten der vorübergehend bei der Bundespartei angestellten ehemaligen Kabinettsmitarbeiter einrechnen müssen.

Zwar teilte der UPTS die Argumentation des RH im Zusammenhang mit der „Bergauf“-Tour. Die ÖVP habe aber die Bedenken des RH zu den Wahlprämien und den Leistungszulagen entkräften können, so der UPTS. Weil die Kosten der angestellten Kabinettsmitarbeiter damit nicht mehr ins Gewicht fielen, wurden diese ausgeschieden.

„Wahlprämien“ zählen nicht dazu

Die ÖVP hatte zunächst die Wahlkampfkosten mit 5,6 Mio. Euro angegeben, aber letztlich einen Betrag von 6,6 Millionen anerkannt. Zusätzlich hätten die beiden „Bergauf“-Touren im Juli und im August im Jahr 2019 laut UPTS mit 218.000 Euro als Wahlwerbungsausgaben berücksichtigt werden müssen. Der Senat habe keinen Zweifel daran, dass die beiden Veranstaltungen nicht bloß der Funktionärsbetreuung dienten, wie die ÖVP darlegte.

Die wenige Wochen vor der Nationalratswahl abgehaltenen Events seien als „wahlwerbungsrelevante Ereignisse“ darauf ausgerichtet gewesen, „eine breite Öffentlichkeit anzusprechen“. Damit liegen die Wahlkampfausgaben aber erst bei 6,85 Millionen Euro, so der UPTS. Die von der ÖVP an ihre Mitarbeiter nach der Nationalratswahl 2019 ausbezahlten „Wahlprämien“ seien jedoch keine Aufwendungen für „spezifisch für die Wahlauseinandersetzung neu in den Personalstand aufgenommene Personen“ gewesen.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker
APA/Helmut Fohringer
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker fordert Entschuldigungen

Im Zusammenhang mit den Leistungszulagen für Mitarbeiter der ÖVP Niederösterreich konnte die ÖVP laut UPTS nachvollziehbar darstellen, dass deren Gewährung „auf einem seit Jahren etablierten System im Zusammenhang mit Landtags- und Gemeinderatswahlen in Niederösterreich beruht“ und somit „keine spezifisch für die Nationalratswahl 2019 aufgewendeten Mittel darstellen“. Die Kosten für die Kabinettsmitarbeiter in Höhe von rund 80.000 Euro wurden nicht mehr näher untersucht, weil selbst mit ihrer Berücksichtigung die Grenze von sieben Millionen Euro nicht überschritten worden wäre.

ÖVP-Chef: „Sehr viele Unterstellungen“

Der Bescheid sei nun eine „Bestätigung von dem, was wir gesagt haben“, sagte ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer. „Es freut mich, dass der UPTS das tatsächlich festgestellt hat“, bekräftigte er und kritisierte, dass in diesem Fall „mit sehr vielen Unterstellungen und Verdächtigungen gearbeitet“ worden wäre. Nehammer war zwischen 2018 und 2020 zuständiger Generalsekretär der ÖVP.

Endabrechnung eines Wahlkampfs

Die ÖVP hat laut dem Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat die Wahlkampfkostenobergrenze 2019 nicht überschritten. Damit ist der Parteiensenat im Kanzleramt dem Rechnungshof nicht in allen Teilen gefolgt.

Kurz sprach in einem Statement von einem „Mechanismus“: „Es werden falsche Vorwürfe erhoben, diese werden Hunderte Male in den Medien breitgetreten und die Wahrheit kommt oftmals leider erst Jahre später ans Licht.“ Das sei „Rufmord“ und eine „permanente Manipulation der öffentlichen Meinung“. Am Ende setze sich immer die Wahrheit durch, ist er überzeugt.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker erinnerte ebenso an die „Vorverurteilung“ durch andere Parteien, Kommentatoren und Medien. Auch Nehammer sei Fehlverhalten unterstellt worden, so Stocker: „Sie sollten nun Anstand und Rückgrat beweisen und sich in aller Form bei Karl Nehammer und der Volkspartei für ihre nun als falsch erwiesenen Vorhalte entschuldigen.“

Vom RH erwartet sich der Generalsekretär, dass er nun „dieselben Maßstäbe“ bei den anderen Parteien anwende und ebenfalls weitere Prüfungen vornehme. Dem schloss sich auch Nehammer an, nunmehr sollen „alle anderen Parteien genauso überprüft werden“. „Der Rechnungshof war bei uns sehr genau“, konstatierte der Bundeskanzler.

„Großer Erfolg für ÖVP“

Der UPTS habe letztinstanzlich bestätigt, dass die ÖVP die gesetzliche Wahlkampfkostenobergrenze eingehalten hat, freute sich ÖVP-Bundesfinanzreferent Andreas Ottenschläger bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Es handle sich um einen „großen Erfolg für die Volkspartei“. Für manche stelle die Entscheidung aber auch eine Niederlage dar, schalt er die politischen Mitbewerber für ihre „böswilligen Unterstellungen“. Medien hätten die ÖVP ebenso vorverurteilt.

Auch Ottenschläger forderte zu einer Entschuldigung auf. Als Kritik am Rechnungshof, als dessen „großer Fan“ er sich deklarierte, will Ottenschläger das nicht sehen. Dieser solle allerdings auch bei anderen Parteien weitere Prüfungen vornehmen. Denn es gebe Anhaltspunkte, dass SPÖ und FPÖ die Wahlkampfkostenobergrenze 2019 überschritten haben könnten.

Der RH wiederum nimmt die Entscheidung „zur Kenntnis“, wie Sprecher Christian Neuwirth via Twitter wissen ließ: „Unsere Vorgangsweise ist stets sachlich begründet und wohlüberlegt. Sie war es auch in diesem Fall. Dass unsere Ansicht nicht geteilt wurde, müssen wir akzeptieren, zumal für uns auch keine Berufungsmöglichkeit dagegen vorgesehen ist.“ Lediglich die Volkspartei hätte die Möglichkeit zur Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Lange Vorgeschichte

Der RH hatte im Juni vergangenen Jahres die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz angezeigt. Unter anderem bezweifelten die Prüfer und Prüferinnen, dass die Volkspartei die Wahlkampfkosten korrekt abgerechnet hat. Daraufhin schickte der Rechnungshof erstmals einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale. Im Zuge der Prüfung, die Ende November mit einem Bericht abgeschlossen wurde, bestätigten sich laut RH nun die vermuteten Unregelmäßigkeiten.

In einer Presseaussendung hieß es etwa, dass die ÖVP ihre Angaben der Wahlkampfkosten 2019 (5.602.512,40 Euro) später um eine Million Euro nach oben korrigiert hat. Die Prüfer und Prüferinnen hielten fest, „dass die ÖVP ihm (dem RH, Anm.) gegenüber im Stellungnahmeverfahren zum Rechenschaftsbericht 2019 deutlich niedrigere Zahlen mitgeteilt hat“. Man erwarte sich allerdings, dass Parteien bereits vorher „umfassende und aussagekräftige Angaben“ machen – und nicht erst im Zuge einer Prüfungshandlung durch Wirtschaftsprüfer.

Nach Durchsicht der Unterlagen kam der Rechnungshof zum Schluss, dass die ÖVP wegen zusätzlicher Ausgaben die auf sieben Millionen Euro festgeschriebene Wahlkampfkostengrenze allerdings überschritten hatte. Die ÖVP wies den Vorwurf zurück und betonte, bei dieser Summe handle es sich nicht um Wahlwerbungskosten. Am Ende lag die Entscheidung beim UPTS im Kanzleramt.

SPÖ: „Tarnen, Täuschen und Tricksen hat lange Tradition“

SPÖ und FPÖ erfüllten den ÖVP-Wunsch nach Entschuldigungen nicht. „Ich nehme mit Befremden zur Kenntnis, dass es für die ÖVP offenbar schon etwas Besonderes ist, wenn sie sich an geltende Gesetze hält“, ließ SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch stattdessen in einem kurzen Statement wissen: „In der ÖVP hat Tarnen, Täuschen und Tricksen eine lange und unselige Tradition, daran ändert der heutige Tag nichts.“

Auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sah keinen Grund für eine Entschuldigung. „Auch wenn der UPTS – aus welchen Gründen auch immer – nun zum Ergebnis gekommen ist, dass die ÖVP im Jahr 2019 die Wahlkampfkostenobergrenze doch eingehalten hat, ist diese Causa doch einzigartig in der Geschichte und ein Lehrbeispiel der Politik im Zeichen von Tarnen und Täuschen. Für all diese Tricksereien müsste sich die ÖVP eigentlich bei den Menschen entschuldigen“, meinte Hafenecker in einer Aussendung.