Rauch über einer Ölraffinierie in Wolna
IMAGO/Roman Sokolov
Brand in Raffinerie

Moskau meldet neuen Angriff auf Tanklager

Im Süden Russlands ist zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit ein Großbrand in einem Tanklager nahe der Halbinsel Krim ausgebrochen. Das Feuer sei durch einen Drohnenangriff ausgelöst worden, berichtete die russische Staatsagentur TASS Donnerstagfrüh. Getroffen wurde laut den Angaben das Tanklager einer Ölraffinerie in der Ortschaft Ilski. Russische Drohnen gingen in der Nacht auf Odessa und Kiew nieder.

In der Nacht auf Mittwoch war es zu einem ähnlichen Vorfall in der rund 50 Kilometer entfernten Siedlung Wolna im Bezirk Taman gekommen, der ebenfalls in der südrussischen Region Krasnodar liegt. Auch dort geriet ein Treibstoffreservoir in Brand, auch dort nannten russische Stellen einen Drohnenangriff als Ursache. Am Rande von Wolna liegt ein großes Umschlagterminal für Öl und Ölprodukte, die dann über das Schwarze Meer verschifft werden.

Nach Angaben des russischen Außenministeriums sei Russland einer beispiellosen „Sabotage“-Welle ausgesetzt. „Die terroristischen Aktivitäten und die Sabotage durch die ukrainischen bewaffneten Kräfte erreichen ein beispielloses Ausmaß“, so das Ministerium am Donnerstag in Moskau.

Schwere Angriffe auf Ukraine

Auf der anderen Seite nahm Russland bei neuen schweren Drohnenangriffen gegen die Ukraine in der Nacht vornehmlich die Hafenstadt Odessa ins Visier. „Der Feind hat in der Nacht 15 Schahed-131/136 (iranische Kampfdrohnen, Anm.) auf Odessa gelenkt“, teilte der Kommandostab Süd der ukrainischen Streitkräfte am Donnerstag mit.

Zwölf Drohnen seien abgeschossen worden, drei hätten in einem Wohnheim einen Brand ausgelöst, der aber schnell und ohne Opfer gelöscht werden konnte, hieß es. Insgesamt wurden nach Angaben der Luftstreitkräfte 18 von 24 auf die Ukraine gelenkten Drohnen abgeschossen.

Drohnenangriffe auch auf Kiew

Wie in der Nacht zuvor wurden die Drohnen ukrainischen Angaben zufolge vom westrussischen Gebiet Brjansk und vom Ostufer des Asowschen Meeres gestartet. Neben Odessa meldete auch die Hauptstadt Kiew Drohnenangriffe. Nach Angaben der Militärverwaltung wurden dort aber alle Flugobjekte noch beim Anflug zerstört. Drohnentrümmer seien zwar auf einzelne Wohngebiete gestürzt, hätten dort aber keine Schäden angerichtet.

Großbrand in russischem Tanklager

Im Süden Russlands ist bereits zum zweiten Mal ein Großbrand in einem Tanklager ausgebrochen. Die russischen Behörden machen einen Drohnenangriff dafür verantwortlich.

In der Nacht zuvor wurde durch russische Drohnen ein Öllager in der Industrieregion Kirowohrad getroffen. Nächtliche Angriffe mit Raketen und Drohnen nutzt Russland in seinem vor gut 14 Monaten begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine verstärkt seit vergangenem Herbst. Zunächst zielten die russischen Attacken auf die Energieversorgung des Nachbarlandes, um die Ukrainer während des Winters in Dunkelheit und Kälte zu stürzen und sie kriegsmüde zu machen. Trotz gewaltiger Schäden und längerer Stromausfälle ist es den Ukrainern aber gelungen, ihr Netz intakt zu halten.

Kreml sieht „Terroranschlag“ gegen Putin

Russland warf indessen der Ukraine am Mittwoch einen versuchten Drohnenanschlag auf Kreml-Chef Wladimir Putin vor und drohte offen mit Gegenmaßnahmen. Der Angriff werde als „geplanter Terroranschlag und Mordversuch gegen den Präsidenten der Russischen Föderation“ eingestuft, so der Kreml.

Der Kreml warf den USA vor, hinter diesem Drohnenangriff zu stecken. „Die Entscheidungen über solche Angriffe werden nicht in Kiew, sondern in Washington getroffen. Kiew setzt nur um, was von ihm verlangt wird“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. „Die Bemühungen Kiews und Washingtons, jegliche Verantwortung zu leugnen, sind völlig lächerlich.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies die Vorwürfe zuvor zurück und sagte, der Kreml habe sich das ausgedacht. Seine Armee greife weder Moskau noch Putin an. „Wir kämpfen auf unserem Hoheitsgebiet, wir verteidigen unsere Dörfer und Städte“, sagte er. Der Ukraine würde ein solches Vorgehen nichts auf dem Schlachtfeld nützen und nur Russland provozieren, „radikalere Maßnahmen“ zu ergreifen, so Mychailo Podoljak, der Berater des ukrainischen Präsidenten. Die Stellungnahme Russlands könne darauf hinweisen, dass es sich auf einen großen „terroristischen“ Angriff auf die Ukraine in den kommenden Tagen vorbereite.

Mangott vermutet „demonstrativen Akt“ Kiews

Der Russland-Experte Gerhard Mangott hält einen Angriff von ukrainischer Seite auf den Kreml in der Nacht auf Mittwoch für wahrscheinlich – wobei es wohl nicht darum gegangen sei, Präsident Putin zu töten, so Mangott im Telefonat mit der APA. Der Politologe der Universität Innsbruck spricht von einem „demonstrativen Akt der Ukraine“. Putin sei selten im Kreml, schon gar nicht in der Nacht, das wisse Kiew.

Ein Grab aus einem Video zeigt vermutlich einen Drohnenabschuss über dem Kreml
Reuters/Ostorozhno Novosti
In einem russischen Video ist eine Explosion über dem Kreml zu sehen

„Wenn westliche Medien nun davon schreiben, dass es sich um ein Attentat auf Putin handelt, dient das der russischen Propaganda“, sagt Mangott. Mit dem Tod Putins wäre auch „nichts gewonnen, der Krieg würde fortgesetzt“.

Technisch sei Moskau in der Lage zu einer kompletten Inszenierung eines Angriffs, einer „False-Flag-Operation“ – das heißt, auch ein Fake-Video wäre möglich. Mit einem wie auch immer inszenierten Angriff könnte man der russischen Bevölkerung verdeutlichen, dass das Heimatland in Gefahr sei, dass Krieg drohe, so Mangott. „Doch nur, weil man technisch dazu in der Lage ist und ein Motiv hat, begründet das nicht immer eine Täterschaft“, sagte er der APA. Russland würde damit nämlich auch zugeben, dass die Luftabwehr offenbar nicht sehr effektiv sei.

ISW: Drohnenangriffe auf Kreml selbst inszeniert

Nach Einschätzung internationaler Militärexperten dagegen hat Russland die angeblichen Kreml-Angriffe wahrscheinlich selbst inszeniert. Damit sollten der russischen Öffentlichkeit der Krieg nähergebracht und die Voraussetzungen für eine breitere gesellschaftliche Mobilisierung geschaffen werden, schrieb das in Washington ansässige Institute for the Study of War (ISW) in seinem Bericht am Mittwoch. Mehrere Indizien deuteten darauf hin, dass der Angriff von innen geführt und gezielt inszeniert worden sei.

Laut der US-Denkfabrik haben die russischen Behörden in letzter Zeit Schritte unternommen, um die Luftverteidigung zu verstärken, auch innerhalb Moskaus selbst. Es sei daher äußerst unwahrscheinlich, dass zwei Drohnen mehrere Luftverteidigungsringe hätten durchdringen und direkt über dem Herzen des Kremls detoniert oder abgeschossen werden können – und das laut Bericht auf eine Art und Weise, die von einer Kamera gut eingefangen werden konnte, um spektakuläre Bilder zu liefern.

Mehr Aktivität an russisch-ukrainischer Grenze

Aus dem russisch-ukrainischen Grenzgebiet werden seit Tagen vermehrt Angriffe und Aktivitäten gemeldet, die auf Sabotageakte hindeuten. Im russischen Dorf Wolna nahe der Brücke zur von Russland besetzten Halbinsel Krim geriet nach Angaben der Regionalverwaltung in der Nacht zum Mittwoch ein Treibstofflager in Brand. Tote und Verletzte habe es keine gegeben.

Rauchwolke über Sewastopol
Reuters/Mikhail Razvozhaev Via Telegram
Erst am Wochenende brannte auf der Krim ein russisches Treibstoffdepot

Bereits am Samstag war ein Treibstofflager in der strategisch wichtigen Hafenstadt Sewastopol auf der Krim nach einem mutmaßlichen Drohnenangriff in Flammen aufgegangen. Mitte April hatten die von Russland installierten Behörden auf der Krim die dortigen Gedenkfeierlichkeiten am 9. Mai zum sowjetischen Sieg im Zweiten Weltkrieg aus Sicherheitsgründen abgesagt. In Moskau werde die traditionelle Parade zum Weltkriegsende auf dem Roten Platz jedoch wie geplant stattfinden, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Putin werde daran teilnehmen.

Für die nahe Zukunft wird mit einer Frühjahrsoffensive der Ukraine gegen die russischen Invasionstruppen gerechnet. Verteidigungsminister Olexij Resnikow hatte kürzlich gesagt, die Vorbereitungen für die Gegenoffensive seien so gut wie abgeschlossen. Die Anschläge könnten Teil der Vorbereitung sein.