Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) und Alexander Bogner (ÖAW)
APA/Eva Manhart
Folgen der Pandemie

Fahrplan für „Aufarbeitung“ vorgestellt

Die Bundesregierung hat am Donnerstag jenen Prozess in Gang gesetzt, den Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer im Februar als Aufarbeitung der gesellschaftlichen Folgen der Pandemie angekündigt hatte. Im Wesentlichen ist eine sozialwissenschaftliche Analyse der Akademie der Wissenschaften zu Themen wie Wissenschaftsskepsis und Polarisierung vorgesehen. Die Meinung der Bevölkerung wird über vertiefende Interviews eingeholt. Bis Jahresende soll ein Abschlussbericht vorliegen.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sagte bei der Präsentation der Pläne Donnerstagfrüh, niemand könne die Vergangenheit ändern, jetzt sei aber die Zeit, Schlüsse zu ziehen, auch um als Gesellschaft resilienter zu werden für künftige Herausforderungen. Die Maßnahmen hätten Menschenleben gerettet, aber zugleich zu Polarisierung und Verunsicherung in der Gesellschaft geführt.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) machte klar, dass die Aufarbeitung durch die Akademie der Wissenschaften nur Teil des Gesamtprozesses sei. Schließlich lägen bereits mehrere Rechnungshof-Berichte zur Pandemiebekämpfung vor. Aus den entsprechenden Erfahrungen will man für einen künftigen Pandemieplan lernen. In Ausarbeitung ist auch ein neues Epidemiegesetz, bis Jahresende soll es laut Rauch einen Gesetzesentwurf geben.

Regierung will Pandemiefolgen aufarbeiten

Die Bundesregierung hat am Donnerstag jenen Prozess in Gang gesetzt, den Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer im Februar als Aufarbeitung der gesellschaftlichen Folgen der Pandemie angekündigt hatte. Im Wesentlichen ist eine sozialwissenschaftliche Analyse der Akademie der Wissenschaften zu Themen wie Wissenschaftsskepsis und Polarisierung vorgesehen. Die Meinung der Bevölkerung wird über vertiefende Interviews eingeholt. Bis Jahresende soll ein Abschlussbericht vorliegen.

Für den Gesundheitsminister ist Ziel der Aufarbeitung, eine gewisse Grundsolidarität in der Bevölkerung zu erreichen. Die Wissenschaftlichkeit in dem Prozess müsse dabei jedenfalls außer Streit gestellt werden. ÖVP-Wissenschaftsminister Martin Polaschek, dessen Ressort die Verantwortung für das Projekt trägt, sprach von einem fundierten Forschungsprozess. Gearbeitet werde auch zielgruppenorientiert, um festzustellen, in welchen Gruppen man für mehr Verständnis werben müsse.

Vier Themenbereiche

Alexander Bogner von der Akademie der Wissenschaften nannte bei der gemeinsamen Pressekonferenz vier Themenbereiche, die behandelt würden, nämlich Polarisierung, politische Zielkonflikte („welche Dialogmöglichkeiten man vielleicht verpasst hat“), Politikberatung (Beratung der Politik durch die Wissenschaft) und öffentliche Kommunikation sowie Wissenschaftsskepsis.

Die Forschenden werden unter anderem Fallstudien zu den Themen erstellen, Entscheidungsträger und -trägerinnen aus der Pandemie interviewen und, soweit das möglich ist, auch internationale Vergleiche anstellen – ein internationaler Beirat wird den Prozess begleiten. Im Herbst wird über Fokusgruppen der Dialog mit der Bevölkerung intensiviert. Bereits vor dem Abschlussbericht zum Jahresende soll es im Sommer erste Zwischenergebnisse geben.

Von Bogner und auch seitens der Minister wurde betont, dass die Wissenschaft in diesem Prozess „natürlich autonom“ arbeite. Die Kosten für den Prozess betragen laut Polaschek 545.000 Euro. Er verwies darauf, dass die Analyse vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Akademie der Wissenschaften durchgeführt werde. Im Allgemeinen verwies Polaschek auf die Notwendigkeit, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erneuern.

Nehammer plant keine „Versöhnungsrede“

Dass man die laufenden Debatten in Bierzelten und Stammtischen mit dem nun in Gang gesetzten Prozess bis Ende des Jahres nicht erreiche, wollte Gesundheitsminister Rauch auf Nachfrage so nicht sehen – er verwies auf die Notwendigkeit dieses wissenschaftlichen Prozesses. Es brauche fundierte Arbeit, anekdotische Evidenz sei nicht ausreichend, so Rauch.

Nehammer hatte bei der Vorstellung der Idee im Februar die Zeit der Pandemie als „eine Art Trauma“ für die Gesellschaft bezeichnet, das tiefe Gräben hinterlassen habe und das man nun bewältigen müsse. An der Pressekonferenz zum Startschuss des Projekts nahm der Kanzler nicht teil. Eine Einbindung der Opposition ist ebenso wenig vorgesehen wie eine ursprünglich kolportierte „Versöhnungsrede“ Nehammers.

Bürger (ORF) über die „Aufarbeitung“ der Pandemie

ORF-TV-Innenpolitikchef Hans Bürger analysiert die geplante Aufarbeitung der Pandemiefolgen durch die Regierung.

FPÖ und NEOS mit Kritik

Erwartbare Kritik kam von der FPÖ: Der Fahrplan zeige, dass es der Regierung kein echtes Anliegen sei, die letzten drei Jahre gewissenhaft aufzuarbeiten, wie es in einer Aussendung hieß. Es sei einmal mehr der Versuch der Regierung, „die Verantwortung für ihre unverantwortliche Corona-Politik abzuschieben und den Kopf aus der Schlinge zu ziehen“, wurde FPÖ-Chef Herbert Kickl zitiert. Das werde man nicht zulassen, es müsse Neuwahlen und danach einen parlamentarischen U-Ausschuss zur Zeit der Pandemie geben.

Die Nichteinbindung der Opposition sorgte indes bei NEOS für Missfallen. Pandemiesprecher Gerald Loacker erinnerte daran, dass die Regierung in der Hochphase der Pandemie permanent den Schulterschluss mit den anderen Parteien eingemahnt habe. Jetzt bei der Aufarbeitung schließe die Koalition die Opposition von vornherein aus: „So lassen sich eher keine Gräben zuschütten, so lässt sich auch kein Vertrauen wieder aufbauen“, wurde Loacker in einer Aussendung zitiert.