Wohnsiedlung
ORF.at/Georg Hummer
Teuerung

Ein Drittel 2022 mit Einkommensverlust

Die Teuerung setzt Teilen der Bevölkerung merklich zu. Laut Statistik Austria gab etwas mehr als ein Drittel der Befragten im Alter von 16 bis 69 Jahren Ende 2022 an, im vergangenen Jahr Einkommensverluste erlitten zu haben. Ein großes Problem sind die Wohnkosten, für 24 Prozent der Befragten stellen sie mittlerweile eine schwere finanzielle Belastung dar.

Das entspricht einem Zuwachs von zehn Prozentpunkten im Vergleich zum selben Quartal 2021, wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Ergebnissen der Studie hervorgeht. Zudem rechnen 27 Prozent in den kommenden drei Monaten mit Zahlungsschwierigkeiten bei Miete, Wohnkredit, Wohnnebenkosten oder Betriebskosten. Dieser Anteil habe sich gegenüber 2021 mehr als verdoppelt. Für die quartalsweise durchgeführte, vom Sozialministerium und Eurostat finanzierte Studie mit dem Titel „So geht’s uns heute“ werden seit Ende 2021 3.000 bis 3.500 Personen wiederholt befragt.

Hochgerechnet hatten etwas mehr als eine Million Menschen zu Jahresende 2022 große Schwierigkeiten, mit ihrem Haushaltseinkommen die laufenden Ausgaben zu decken. Laut Statistik Austria hat sich dieser Anteil gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021 leicht erhöht. Eine rasche Besserung ist nicht in Sicht: Zwar ging die Inflationsrate zu Jahresbeginn etwas zurück, laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria von Dienstag kletterte sie im April aber wieder auf voraussichtlich 9,8 Prozent. Im März war sie noch bei 9,2 Prozent gelegen.

Grafik zur Entwicklung der Inflation
Grafik: APA/ORF; Quelle: Statistik Austria

Getrübte Erwartungen

Innerhalb der Gruppe von Personen mit geringem Einkommen gaben 47 Prozent an, nicht mit ihrem Haushaltseinkommen auszukommen. Auch der Anteil an Haushalten mit Arbeitslosigkeit war hoch (37 Prozent). Gegenüber 2021 besonders stark stieg die Gruppe der Personen aus Haushalten mit mehreren Kindern (von 20 auf 30 Prozent). Bei allen vulnerablen Gruppen habe die subjektive Wohnkostenbelastung im Vergleich zu den letzten Befragungswellen noch einmal deutlich zugenommen, hieß es.

In etwa verdoppelt hat sich der Anteil jener Personen, die Inflation als einzigen Grund für Einkommensverluste angeführt haben. Dem gegenüber hätten Arbeitszeitreduzierung und Lohnkürzungen als Ursachen für Einkommensverluste stark an Bedeutung verloren. Deutlich getrübt hätten sich auch die wirtschaftlichen Zukunftserwartungen. Mehr als die Hälfte aller Befragten (53 Prozent) gab Ende 2022 an, im kommenden Jahr Ausgaben für größere Anschaffungen (z. B. Möbel, Auto, Reisen) verringern zu wollen. Ende 2021 lag dieser Anteil noch bei 35 Prozent.

Einkaufsbudgets der Haushalte schmelzen

Tendenzen zum Sparen sieht auch eine aktuelle Umfrage der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). In den letzten drei Monaten sank das verfügbare Budget für mehr als die Hälfte der Haushalte, nur bei weniger als einem Zehntel der Bevölkerung stieg es. Gespart werde vor allem bei größeren Anschaffungen wie Möbeln und Elektrogeräten.

Für die Analyse wurden gut 1.100 Personen befragt. Die Ergebnisse zeigten, dass insbesondere einkommensschwächere Haushalte zunehmend mit weniger Mitteln für ihre Einkäufe auskommen müssen, schreiben die Studienautoren und -autorinnen.

Rauch verweist auf bestehende Maßnahmen

„Die hohe Inflation bereitet den Menschen nach wie vor große Sorgen. Auch wenn sich die Erwartungen leicht verbessert haben, werden die Wohnkosten eine immer größere Belastung“, räumte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) am Donnerstag ein. Er gab sich aber zuversichtlich, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zunehmend Wirkung zeigen werden.

Die schwarz-grüne Bundesregierung habe mit einer Vielzahl an Hilfsmaßnahmen versucht, die Teuerungen auszugleichen, so Rauch: Kleine Pensionen, Sozialhilfe und Mindestsicherung seien deutlich angehoben worden, die Sozialleistungen würden ab sofort jedes Jahr valorisiert. Zudem seien die Heiz- und Wohnkostenzuschüsse der Länder erneut aufgestockt worden, und die Strompreisbremse bringe seit Ende 2022 Entlastung.

Was das Thema Wohnen anbelangt, verwies Rauch auf den Wohnschirm. Dieser sei um Zuschüsse für die Energiekosten erweitert und zuletzt nochmals um 25 Millionen auf insgesamt 164 Millionen Euro aufgestockt worden.

Kocher plant Expertenrunde und mehr Transparenz

ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) wiederum stellten am Donnerstag neue Pläne im Kampf gegen die hohe Inflation in Aussicht, blieben aber in vielen Punkten vage. Für nächste Woche hat Kocher eine Expertenrunde anvisiert, falls es Interesse der Sozialpartner gebe, könne es auch ein Treffen mit diesen geben. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel ist nicht geplant. Vielmehr setzt die Regierung auf den freien Markt und Transparenz.

Dass die Inflation in anderen EU-Ländern niedriger ist, relativierten Kocher und Brunner. Schließlich sei durch Regierungsmaßnahmen die Kaufkraft gesteigert worden, und es habe auch überdurchschnittlich hohe Lohnabschlüsse in Österreich gegeben. Wobei sich die Lohnabschlüsse an der Inflation der vergangenen zwölf Monate orientieren und die in Österreich höher als in anderen Staaten war, wie IHS-Direktor Klaus Neusser bestätigte.

„Uns ist allen bewusst, wie belastend die Situation ist“, sagte Kocher. Österreich verzeichne aber auch mehr Wirtschaftswachstum, was eben die Preise in die Höhe treibe, „das sind kommunizierende Gefäße“. Positiv sei, dass die Energiepreise und die Erzeugerpreise rückläufig seien, das habe das Potenzial, bei den Endkundenpreisen durchzuschlagen.

Eine Preiskommission wie von der Opposition und Arbeitnehmervertretern gefordert sei nicht hilfreich, so Kocher. Wirksam sei Preistransparenz, ein Vorbild könne hier die Spritpreisdatenbank sein. Konkrete Maßnahmen nannten Wirtschafts- und Finanzminister aber nicht.

Opposition sieht „Regierungsversagen“

FPÖ-Chef Herbert Kickl wies indes darauf hin, dass die FPÖ schon im Mai 2020 einen Antrag auf ein Preismonitoring und einen Inflationsstopp eingebracht habe. Diese seien „heute dringender denn je zum Erhalt unseres Wohlstands“. Nötig sei eine Preisbremse für einen eigenen Warenkorb mit allen lebensnotwendigen Grundgütern wie Lebensmitteln, Mieten, Heizkosten, Treibstoffen. Außerdem forderte er eine Informationspflicht bei Abweichungen vom Preisband. Der Konsumentenschutzminister solle „im Anlassfall Preisstopps verordnen können“.

Für SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch hält die Statistik-Austria-Studie das „Regierungsversagen“ in der Teuerungskrise fest. Seit eineinhalb Jahren setze die Regierung auf die „falsche Politik“ der Einmalzahlungen. Diese verpufften, seien nicht treffsicher und kosteten viel Geld, würden aber keinen einzigen Preis senken, stattdessen aber die Inflation erhöhen. Muchitsch forderte ein Umdenken bei der Teuerungsbekämpfung. Die Regierung müsse endlich eine preis- und inflationssenkende Politik betreiben.

Mehr Menschen von Armut betroffen

Die Teuerung lässt mehr und mehr Menschen in die Armut rutschen. 76 Prozent der Armutsgefährdeten können sich nur jeden zweiten Tag eine warme Mahlzeit leisten.

Caritas: Wachsender Armut politisch gegensteuern

Eine neue Studie von Caritas und Sozialforschungsinstitut SORA wiederum stellt Armutsbetroffene in den Mittelpunkt – jene Menschen, die sonst „nicht am Radar der Umfragenforschung“ aufscheinen, wie SORA-Sozialforscher Günther Ogris am Donnerstag betonte. Angesichts der zuletzt stark steigenden Armut in Österreich bestehet laut Klaus Schwertner, Caritas-Direktor der Erzdiözese Wien, „akuter politischer Handlungsbedarf“ – mehr dazu in religion.ORF.at.