Studenten während einer Vorlesung
ORF.at/Peter Pfeiffer
ÖH-Wahl gestartet

Breite Auswahl gegen mangelnde Beteiligung

Von Dienstag bis Donnerstag findet die voraussichtlich einzige bundesweite Wahl des heurigen Jahres statt. 346.446 Studentinnen und Studenten an 76 Hochschulen sind dazu aufgerufen, ihre Vertretung in der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) zu bestimmen. Ziel sollte auch sein, die Wahlbeteiligung nach dem Allzeittief 2021 wieder zu erhöhen – das angebotene Spektrum ist mit neun antretenden Listen groß.

Die aktuelle ÖH-Spitze sowie die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten fast aller Fraktionen riefen die Studierenden vor der Universität Wien dazu auf, zu den Urnen zu gehen. Unter anderem schrieb sich ÖH-Vorsitzende Keya Baier (Grüne und Alternative StudentInnen/GRAS) die zuletzt erfolgte Valorisierung der Studienbeihilfe sowie die Studiengebührenbefreiung von Iranern und Ukrainern auf die Fahnen. Ihre Stellvertreterin Sara Velic (Verband Sozialistischer StudentInnen/VSStÖ) verwies etwa auf den CoV-Härtefallsfonds der ÖH.

Üblich sind bei ÖH-Wahlen Beteiligungen von rund 25 Prozent. Vor zwei Jahren fiel die Wahl pandemiebedingt in eine Phase, in der viele Lehrveranstaltungen nicht in den Hörsälen, sondern nur online stattfanden. Entsprechend wenig Studierende fanden sich in den Wahllokalen an den Hochschulen ein. Eine höhere Beteiligung bei der ebenfalls möglichen Briefwahl konnte das nicht wettmachen. Der erste Wahltag stand daher im Zeichen von Appellen, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Als ein Grund für die traditionell niedrige Wahlbeteiligung gilt, dass die ÖH primär Interessenvertretung ist und wenig selbst entscheiden kann. Ob es etwa Studiengebühren oder Zugangsbeschränkungen gibt, liegt nicht in der Kompetenz der ÖH. Selbst über Themen wie die Pflichtmitgliedschaft in der ÖH oder die Höhe des ÖH-Beitrags entscheidet sie nicht selbst – diese Fragen sind im Hochschülerschaftsgesetz geregelt, das nur vom Nationalrat geändert werden kann.

Grafik zu ÖH-Wahlen
Grafik: APA/ORF

„Ende des Kapitalismus“ vs. „ideologiefreie Hochschulen“

Bemängelt wird auch eine zu geringe oder, je nach Sichtweise, zu starke Ausrichtung auf allgemeinpolitische Themen. Das ist auch in diesem Wahlgang zu beobachten. So kämpft etwa der von der Bundes-KPÖ unterstützte Kommunistische Studierendenverband – Linke Liste (KSV LiLi), „für nicht weniger als das Ende des Kapitalismus, für den Kommunismus und die befreite Gesellschaft“. Der zweite kommunistische Studierendenverband, der KSV-KJÖ, will durch Einnahmen aus einer Reichen- und einer Erbschaftssteuer sowie der Enteignung von Übergewinnen der Öl- und Gasfirmen die Hochschulen ausfinanziert wissen.

Dagegen hält die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) explizit fest: „Gesellschaftspolitik hat für uns in der ÖH-Arbeit nichts zu suchen.“ „Ideologische Grabenkämpfe“ seien mit ein Grund dafür, warum sich viele Studierende von ihrer Vertretung nicht abgeholt fühlten. Die AG tritt mit drei Schwerpunktthemen an: Vereinbarkeit von Studium und Beruf, Digitalisierung der Lehre und mentale Gesundheit von Studierenden.

Grafik zu ÖH-Wahlen
Grafik: APA/ORF

Auch der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) macht sich für „ideologiefreie Hochschulen“ stark und wettert gegen „selbst ernannte Moralapostel“, die andere Studierende bevormunden würden. Unter dem Slogan „Lieber Frauenrechtler als 72 Geschlechter“ wehrt sich der RSF etwa gegen eine Genderpflicht in wissenschaftlichen Arbeiten.

Derzeit linke Koalition am Ruder

Der VSStÖ wurde 2021 erstmals in der Geschichte der ÖH stimmenstärkste Fraktion. Er setzte im Wahlkampf wieder auf klassisch rote Themen wie soziale Absicherung durch ausreichend hohe Beihilfen und eine Abschaffung der Studiengebühren, auch erschwingliches Wohnen hat es wegen der Teuerung ganz oben auf den Forderungskatalog geschafft. An den Hochschulen selbst will der VSStÖ etwa „freie und kritische Bildung“ anstelle von Leistungsdruck und „starrer Ausbildung“. Die Hochschulen sollen außerdem diverser werden.

ÖH-Wahl: Diskussion der Spitzenkandidaten

Die neun Spitzenkandidatinnen und -kandidaten in einer von Armin Wolf moderierten Debattenrunde.

Klimapolitik und Antidiskriminierung im Fokus

Die GRAS, die derzeit in einer Koalition mit VSStÖ und den Fachschaftslisten (FLÖ) den Vorsitz der ÖH führen, stellten klimapolitische Aspekte in den Vordergrund: Bis spätestens 2030 sollten die Hochschulen klimaneutral werden, das Thema Klima sollte in jedem Lehrprogramm seinen Platz bekommen und für Studierende ein kostenloses Klimaticket zur Verfügung stehen. Zweiter Schwerpunkt ist Antidiskriminierung: Die grünen Studierenden fordern „die Zerschlagung des Hetero-Cis-Patriarchats und eine antifaschistische und diskriminierungsfreie Gesellschaft“.

Die FLÖ geht seit jeher als parteipolitisch unabhängige Studierendenvertretung ins ÖH-Rennen, ihr Wahlprogramm ist dabei eher im linken Spektrum angesiedelt. Im Wahlkampf standen neben klimaneutralen Hochschulen vor allem inklusive und diskriminierungsfreie Hochschulen ganz oben auf der Prioritätenliste. Dazu zählt etwa der Ausbau von Mental-Health-Angeboten: die Bereitstellung von psychosozialen Anlaufstellen an den Hochschulen und eine Aufstockung kassenfinanzierter Therapieplätze.

ÖH-Wahl auf drei Ebenen:

Gewählt wird die ÖH auf drei Ebenen:
Bundesvertretung in Wien mit 55 Mandaten
Hochschulvertretung am jeweiligen Standort der Universität bzw. Fachhochschule
Studienvertretung für das entsprechende Studienfach

Eine Briefwahl, die bis 2. Mai beantragt werden musste, ist für Bundesvertretung und Hochschulvertretung möglich. Die Studienvertretung kann nur an Ort und Stelle gewählt werden.

Die NEOS-Studierendenvertreter und -vertreterinnen (JUNOS) geben sich, ganz nach Vorbild der Mutterpartei, pragmatisch. Sie wollen dafür sorgen, dass an den Hochschulen stärker das gelernt wird, was man im Leben tatsächlich braucht. Schwerpunkte sind mehr digitale Inhalte und künstliche Intelligenz (KI) sowie mehr Praxisbezug im Studium. Außerdem sollen Studierende bei der Bewältigung der Teuerung unterstützt und die Hochschulen ausfinanziert werden. Als einzige Fraktion plädieren sie für „nachgelagerte“ Studiengebühren – die erst abgezahlt werden, wenn die Absolventen zu arbeiten beginnen.

Neu auf die Kandidatenliste schaffte es diesmal die Fraktion mit dem klingenden Namen „Who the F*uck is Herbert“. Spitzenkandidat Julian Gredinger wählte die Verkleidung einer Spaßfraktion, um Modernisierungsthemen ernsthaft zu behandeln. Künftig sollten alle Services und Dienstleistungen der Bundes-ÖH übersichtlich an einer Stelle angeboten werden, idealerweise per App, und alle Lehrveranstaltungen digital verfügbar gemacht werden. Die Hochschulen sollten zu jedem Vollzeitstudium auch ein Teilzeit- bzw. berufsbegleitendes Studium anbieten müssen.

Neuer Vorsitz beginnt mit Juli

Letzerem Punkt konnten übrigens alle Spitzenvertreterinnen und -vertreter der Fraktionen bei einer Diskussionsrunde mit ZIB2-Moderator Armin Wolf zustimmen, eine Rarität – mehr dazu in fm4.ORF.at. Die Funktionsperiode der neuen Bundesvertretung beginnt am 1. Juli. Aufgrund der zahlreichen Listen und engen Resultate an der Spitze wird über den ÖH-Vorsitz, wie in der Bundespolitik, meist nicht am Wahlabend, sondern bei anschließenden Koalitionsverhandlungen entschieden.