Loreen aus Schweden bei Probe
IMAGO/TT/Jessica Gow
Song-Contest-Semifinale

Erste Nagelprobe für schwedische Favoritin

Es ist wieder so weit: Am Dienstagabend startet der Song Contest 2023 mit dem ersten Semifinale. Während die österreichischen Kandidatinnen Teya & Salena noch Schonfrist bis Donnerstag haben, müssen zahlreiche Favoritinnen und Favoriten am Dienstag um ihren Platz im Finale singen – allen voran die Schwedin Loreen, Siegerin des Bewerbs von 2012. Doch ob die perfektionistische schwedische Popfabrik auch heuer alles richtig gemacht hat, muss sich erst weisen – musikalisch wie optisch.

15 Länder treten im ersten Semifinale an, zehn dürfen sich über einen Platz im Finale freuen. Und Beobachterinnen und Beobachter sind sich einig, dass die Konkurrenz am Dienstag deutlich härter ist als die am Donnerstag: Vor allem die eher außergewöhnlichen Acts wurden ins erste Semifinale gelost.

Schon als bekanntwurde, dass Loreen heuer beim schwedischen Vorentscheid, dem Melodifestivalen, antreten wird, waren die Erwartungen riesig: Mit „Euphoria“ hatte sie 2012 den Song Contest gewonnen und eine Hymne für den Bewerb beigesteuert. Tatsächlich setzte sie sich durch und landete sofort auf dem ersten Platz bei den Buchmachern.

Loreen aus Schweden bei Probe
AP/Martin Meissner
Schon bei den Proben von Loreen in den vergangenen Tagen zeigte sich: Bei Schweden sitzt jeder Handgriff

Zwischen den Platten

Dass die schwedischen Verantwortlichen nichts dem Zufall überlassen, auch den Willen zum Sieg haben und damit die teure Austragung im Folgejahr in Kauf zu nehmen, ist bekannt. Loreens „Tattoo“ passt mit seinem sich ins Hymnische steigernden Ende in das Muster der schwedisch Popsong-Architektur – doch bis dahin ist es ein weiter Weg.

Liveticker in ORF.at

Das Semifinale am Dienstag ist ab 21.00 Uhr live in ORF1 und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen. ORF.at begleitet den Bewerb mit einem Liveticker – samt Bildern, animierten GIFs und Social-Media-Kommentaren.

Der ganz schnelle Ohrwurm ist nicht gelungen – und düster geht es auch optisch zur Sache. Loreen stemmt sich dunkelbeige im „Mad Max“-Outfit zwischen zwei Betonplatten, an denen man sich sehr leicht die gefühlt 15 Zentimeter langen Fingernägel ruinieren könnte. Ob das ankommt? Das Semifinale dürfte im wahrsten Sinne des Wortes für sie zur Nagelprobe werden.

Finnische Härte

Glaubt man den Buchmachern, so ist auch der zweite große Siegesanwärter gleich am Dienstag zu sehen: der finnische Rapper Käärijä, der mit seinem Song „Cha Cha Cha“ die Grenzen von Rap, Elektro und Metal auslotet und auch optisch in die Kategorie „ungewöhnlich“ fällt. So originell der Auftritt sein wird, ob das massenkompatibel genug für den ganz großen Erfolg ist, darf zumindest bezweifelt werden.

Jere Poyhonen (Finnland) auf Bühne
AP/Martin Meissner
Auffällig – sowohl optisch als auch musikalisch – ist heuer Finnland

Wikingerinnen und Einhörner

Auf die klassische Song-Contest-Kandidatin mit wallender Robe und wehendem Haar wartet man in diesem Semifinale vergeblich. Nichtsdestoweniger gibt es neben Loreen noch andere weibliche Acts mit Chancen auf eine Topplatzierung. Norwegen setzt dabei mit der italienischen Sängerin Alessandra und „Queen of Kings“ auf einen Ohrwurm mit Wikinger-Fantasy-Inszenierung. In den diversen Streamingcharts legte sie damit schon einen beeindruckenden Höhenflug hin – ein Finaleinzug sollte ihr laut Buchmachern sicher sein, eine Topplatzierung am Samstag scheint für Norwegen auch möglich.

Diesbezüglich ähnlich ist die Lage auch für Noa Kirel aus Israel: Die 22-Jährige ist in ihrer Heimat ein Superstar mit ausreichend Chart- und Castingshow-Erfahrung und soll vom Sender Kan für den Song Contest ausgewählt worden sein, obwohl sie sich gar nicht dafür beworben hat. Ihr Auftritt zum Popdance-Knaller „Unicorn“ verspricht eine regelrechte Explosion in Sachen Choreografie, gepaart mit den vielleicht knappsten Kostümen des heurigen Bewerbs nur semijugendfrei, aber auch mit einer recht fixen Prognose für den Aufstieg ins Finale.

Noa Kirel (Israel) auf Bühne
IMAGO/Cover-Images
Die israelische Kandidatin Noa Kirel wird bei ihrer Nummer „Unicorn“ eine aufwendige Choreografie präsentieren

Deutlich schwieriger wird es laut Buchmachern die portugiesische Kandidatin Mimicat haben: Zwar nennt man sie dort offenbar die Amy Winehouse vom Tejo, mit ihrem Chanson „Ai coracao“ setzt sie in Liverpool auf Cabaret-Inszenierung mit wortwörtlichem Augenzwinkern und Kastagnettengeklapper und Flamenco-Zitaten.

Alternative goes Song Contest

Überraschend hoch ist heuer der Anteil an Ländern, die Bands nach Liverpool schicken, die auf den ersten Blick nicht ganz ins Song-Contest-Genre passen. Aus der Indie-Band-Ecke kommen etwa Sudden Lights aus Lettland, deren Song „Aija“ nicht recht in die Gänge kommt. Die Chancen auf das Finale stehen für sie ebenso schlecht wie für The Busker aus Malta. Mit „Dance (Our Own Party)“ versucht es das Trio mit Witz und Funk. Es bleibt beim Versuch. Aserbaidschan, immer mit Hochglanzacts beim Song Contest vertreten, schickt das Zwillingspaar TuralTuranX, das sich mit seinem lieblichen Gitarrenpoplied „Tell Me More“ musikalisch sehr dem Gastgeberland annähert.

Teletwitter

Vom Teletwitter-Team ausgewählte Tweets mit „#ESCORF“ werden während der TV-Übertragungen auf der ORF-Teletext-Seite 780 eingeblendet.

Wild Youth galten in Irland einmal als hoffnungsvolle Newcomer-Band. Mit „We Are One“ liegt man musikalisch irgendwo zwischen Take That und U2 und textlich sehr nah am Eurovision-Mottoklassiker „Wie haben uns alle, aber wirklich alle sehr lieb“. Der serbische Vertreter Luke Black wiederum setzt auf einen dystopisch-apokalyptischen Zugang und dürfte Trent Reznor, Sänger der US-Band Nine Inch Nails, als großes Vorbild haben.

Spektakuläres aus Serbien und Kroatien

Wem Blacks Inszenierung auf Startnummer drei schon als abgefahrenster Act des Jahres vorkommt, kann vier Songs später sich von Let 3 eines Besseren belehren lassen. Die Band könnte man als eine Art Drahdiwaberl Kroatiens sehen. In „Mama SC!“ geht es um Mamas, Traktoren, kleine Psychopathen – und Krieg.

Kroatisches Team auf Bühne
AP/Martin Meissner
Die kroatische Band Let 3 will mit Aktionismus und Antikriegsbotschaft punkten

Eine Antikriegsbotschaft kommt auch aus Tschechien mit der sechsköpfigen Frauenband Vesna und „My Sister’s Crown“, in dem sich slawische Motive mit elektronischen Beats und Rap-Elementen vermischen. Schön subtil, aber doch klar umgehen sie mit ihrem Song auch das strenge und gern zitierte Verbot politischer Botschaften beim Song Contest, in dem sie auf Tschechisch, Bulgarisch, Englisch und Ukrainisch über den Zusammenhalt der Schwestern gegen einen Aggressor singen.

Duncan Laurence lässt grüßen

Weitaus traditioneller singt der Schweizer Remo Forrer gegen den Krieg an, seine Klavierballade erinnert stark an den Siegersong 2019, „Arcade“ von Duncan Laurence. Laurence selbst wiederum schrieb den Song „Burning Daylight“, mit dem Mia Nicolai & Dion Cooper für die Niederlande ins Rennen gehen. Das Duett entwickelt sich vom Konflikt- zum Hoffnungssong, braucht dafür aber sehr lange.

Moldawien schickt mit Sänger Pasha Parfeni einen Wiederholungstäter ins Rennen. 2009 war er mit der Band SunStroke-Project in Moskau, 2013 dann als Solosänger in Baku am Start. Mit „Soarele si luna“ setzt er heuer auf Dancebeats in Kombination mit Folklore. Vor zwei Jahren hatte die ukrainische Band Go-A mit „Shum“ einen ähnlich flötenlastigen Song sehr erfolgreich im Bewerb.