Produkt zeigt das Logo „Klimaneutral“
ORF/Dominique Hammer
Grüne Werbeslogans

Kampfansage an den Etikettenschwindel

Ob Lebensmittel, Kleidung oder Autos – vielen Österreicherinnen und Österreichern ist Nachhaltigkeit beim Konsum wichtig. Das haben längst auch Unternehmen erkannt und bewerben ihre Produkte deshalb mit Begriffen wie „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ und „biologisch abbaubar“. Oftmals sind die Versprechen aus der Luft gegriffen. Auf EU-Ebene will man dagegen vorgehen – das sorgt auch für Kritik.

Ist die Banane tatsächlich klimaneutral und der Plastikbecher biologisch abbaubar? Lässt es sich klimaneutral tanken und grün fliegen? „Wir werden sicherstellen, dass niemand ein Produkt als grün vermarkten kann, wenn diese Behauptung unbelegt ist“, versprach die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Biljana Borzan, Berichterstatterin des Binnenmarktausschusses (IMCO), am Dienstagabend in Straßburg.

Auf EU-Ebene wird im Sinne des „Green Deals“ derzeit an mehreren Vorhaben gefeilt, die Greenwashing bei Werbeversprechen ein Ende setzen und Verbraucherrechte stärken sollen. Noch fehlt im Bereich Umwelt- und Klimaschutz nämlich ein Regulativ, das ähnlich der Verordnung über gesundheitsbezogene Angaben fungiert. „Das öffnet Tür und Tor für Greenwashing“, heißt es von der NGO Greenpeace gegenüber ORF.at dazu.

Österreich: Vertrauen in Werbeversprechen groß

Eine Untersuchung der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 kam etwa zu dem Schluss, dass 53 Prozent der geprüften Umweltaussagen entweder vage, irreführend oder unfundiert waren. 40 Prozent waren nicht belegt. Dennoch ist das Vertrauen in umweltbezogene Angaben vor allem unter österreichischen Verbraucherinnen und Verbrauchern groß, wie eine im Auftrag der EU-Kommission durchgeführte IPSOS-Umfrage von 2022 zeigt.

Eine Grafik zeigt EU-weit das Vertrauen in Umweltaussagen
Grafik: ORF; Quelle: Consumer Conditions Survey 2022

Doch was ist in der EU nun konkret geplant, um für mehr Transparenz für Verbraucher und einen faireren Wettbewerb zu sorgen? Zum einen ist das die Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel, zum anderen die Richtlinie über Umweltaussagen („Green Claims“).

Über Erstere wird am Donnerstag im EU-Parlament abgestimmt. Sie gilt bereits als richtungsweisend im Kampf gegen Greenwashing. Der Richtlinienentwurf über Umweltaussagen, der diese Woche in Straßburg nur indirekt Thema ist, wurde von der EU-Kommission erst im März präsentiert. Er soll noch spezifischere Vorschriften für Umweltaussagen festlegen. Irreführende Werbeaussagen sind zwar derzeit schon nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verboten, künftig sollen aber deutlich strengere Anforderungen zur Begründung, Überprüfung und Kommunikation jener Versprechen gelten.

Umweltlabels werden strenger reguliert

In einem ersten Schritt soll etwa die Liste unlauterer Geschäftspraktiken erweitert werden. Dazu zählen vage Aussagen wie „umweltfreundlich“ oder „grün“, aber auch die Kennzeichnung mit einem freiwilligen Nachhaltigkeitssiegel, das weder auf einem Prüfverfahren durch Dritte basiert noch von Behörden stammt. „Alle Unternehmen, die solche Labels und Zertifikate anbieten, müssen durchleuchtet und von nationalen Behörden zertifiziert werden“, so Borzan.

Die Richtlinie sieht auch vor, dass Verbraucher darüber informiert werden müssen, wenn die Haltbarkeit eines Produkts begrenzt ist, etwa weil die Software eines Geräts die Funktionalität zu einem bestimmten Zeitpunkt einschränkt. Auch soll keine Aussage zur Umweltverträglichkeit eines Produkts gemacht werden dürfen, wenn sie tatsächlich nur einen bestimmten Teil davon betreffen.

Ruf nach Nachschärfungen bei Regel zu Emissionsausgleich

Außerdem soll das Werben mit Umweltaussagen verboten werden, die auf Emissionsausgleich beruhen. „Ein Unternehmen soll zukünftig also nicht mehr mit klimaneutraler Produktion werben können, weil es Klimaprojekte finanziert“, teilt die Vorsitzende des zuständigen Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Anna Cavazzini, gegenüber ORF.at mit.

„Hier müssen wir im Rahmen der noch laufenden Verhandlungen der Initiative zu grünen Werbeaussagen allerdings noch nachschärfen: Begriffe, die in Hinblick auf industrielle Produktion notwendigerweise irreführend sein müssen, wie ‚klimaneutral‘ oder ‚umweltpositiv‘, gehören grundsätzlich verboten“, so Cavazzini.

Greenpeace: Produkte durch Kompensation nicht grüner

Dass Verbrauchern derzeit suggeriert werde, dass es etwa durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten möglich sei, „klimaneutral zu tanken“ oder „grün zu fliegen“, ist auch Greenpeace ein Dorn im Auge. Eine Kompensation würde ein Produkt weder klimaneutral noch nachhaltiger oder grüner machen – „insbesondere da die hierfür herangezogenen Projekte oftmals keine tatsächliche Emissionsreduktion bewirken“, teilt die NGO mit Verweis auf Enthüllungen des britischen „Guardian“ und der deutschen „Zeit“ mit.

Eine Grafik zeigt einen EU-Vergleich, wie Auswirkungen auf die Umwelt Kaufentscheidungen beeinflusst haben
Grafik: ORF; Quelle: Consumer Conditions Survey 2022

Zuspruch unter österreichischen Abgeordneten

Vonseiten der österreichischen EU-Abgeordneten fällt das Urteil zu den Greenwashing-Vorhaben am Rande der Plenartagung in Straßburg überwiegend positiv aus. Im Zusammenhang mit der Richtlinie zur Stärkung der Rolle der Verbraucher für einen ökologischen Wandel sprach ÖVP-EU-Abgeordnete Barbara Thaler in einem Statement von intensiven Verhandlungen. Nun sei „wichtig, dass die weiteren interinstitutionellen Verhandlungen starten“. Die EVP und die ÖVP unterstützen den Vorstoß.

Auch die SPÖ begrüßt die Initiative im Grunde: Europa ergreife beim Kampf gegen Greenwashing „seit Jahren“ die Initiative, sagt SPÖ-EU-Abgeordneter Andreas Schieder gegenüber ORF.at. Die Vorhaben gingen seinen Worten nach aber „nicht weit genug“.

Von „mehr Transparenz“ bis „mehr Verwaltungsaufwand“

Es gehe darum, von EU-Seite „Transparenz für Konsumenten“ zu schaffen, sagte der Grünen-Politiker Thomas Waitz zu ORF.at. Unternehmen sollten sich „kein grünes Mäntelchen“ umhängen können. Seine Parteifreundin Sarah Wiener merkte aber an, dass sich etwa kleine Anbieter eine Zertifizierung ohnehin nicht leisten könnten. Die „Gesamtheit einer Kreislaufwirtschaft“ könne mit einem Label nicht abgebildet werden, so Wiener auch.

In puncto grüner Werbeversprechen sei in der Vergangenheit „viel Schindluder“ betrieben worden, sagte die EU-Abgeordnete Claudia Gamon zu ORF.at. Es sei daher wesentlich, dass es „strengere Regeln“ gibt und dass der „Wildwuchs an Gütesiegeln eingeschränkt wird“, so Gamon.

Der FPÖ-Europaabgeordnete Roman Haider hält die Idee im Prinzip für „sinnvoll“, lehnt das Vorhaben aber dennoch ab: Er warnte vor „mehr EU-Zentralismus“ und einer „Stärkung der Kommission“. Bedenken äußerte Haider auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit, dem Verwaltungsaufwand und damit einhergehenden Mehrkosten.

Startschuss für Trilog-Verhandlungen

Wird die Richtlinie am Donnerstag im Parlament angenommen, dann können die Trilogverhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat starten. Laut EU-Justizkommissar Didier Reynders ist das Ziel, die Verhandlungen noch in diesem Jahr abzuschließen. Das gleiche Prozedere gilt in der Folge auch für die „Green Claims“-Richtlinie. EU-Richtlinien müssen anders als Verordnungen erst noch in nationales Recht der einzelnen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.

NGOs vermissen Berücksichtigung sozialer Aspekte

Die Rufe nach strengeren Regeln bleiben indes bestehen. Ursula Bittner, Wirtschaftsexpertin bei Greenpeace, forderte „ein starkes Regelwerk an Gesetzen, um dem heimtückischen Geschäft mit Greenwashing den Riegel vorzuschieben. Denn Unternehmen, die mit umwelt- und klimaschädlichen Praktiken Profit machen, sind äußerst kreativ darin, bestehende Lücken zu nutzen.“

In der erst kürzlich von der Kommission präsentierten Richtlinie über Umweltaussagen ortet die Organisation eine „vertane Chance“. Klimaneutralität solle als grünes Versprechen generell verboten werden. Außerdem seien soziale Aspekte nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die NGO tritt für ein generelles Werbe- und Sponsoringverbot für fossile Unternehmen und „für all jene, die die Klimakrise durch ihr Kerngeschäft in erster Linie befeuern (wie etwa Autohersteller oder Fluggesellschaften)“ ein.

Auch für die Umweltschutzorganisation WWF griff der Kommissionsvorschlag im März zu kurz. „Wesentliche Aspekte wie Biodiversität und Bodengesundheit bleiben in den derzeit vorgeschlagenen Methoden außen vor“, kritisierte Maja-Catrin Riecher, Referentin für nachhaltige Agrarrohstoffe.

Zudem gebe es noch einen zu großen Spielraum für Verbrauchertäuschung durch Klimaneutralitätslabels. Anstelle einer Regulierung rein umweltbezogener Werbung sei ein umfassenderes Nachhaltigkeitslabel nötig, das auch soziale und gesundheitliche Aspekte umfasse.