Migranten an der Grenze zwischen Texas und Mexiko bewacht von Grenzschutzpolizisten
AP/Andres Leighton
Grenzchaos erwartet

US-Abschieberegelung läuft aus

In den USA läuft am Donnerstag die umstrittene Abschieberegelung „Title 42“ aus. Diese unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump erlassene Regelung erlaubte es der US-Regierung, bestimmte Personen an der Grenze schnell abzuweisen – offiziell mit dem Ziel, die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Der jetzige US-Präsident Joe Biden erwartet, dass die Lage „eine Weile chaotisch“ sein wird.

Die Behörden befürchten, dass das Auslaufen der Regelung einen Ansturm von Menschen auslösen wird, die in den USA Fuß fassen wollen. Das könnte die ohnehin schon schwierige humanitäre Lage an der südlichen Grenze verschärfen. Auf die Frage, ob die USA vorbereitet seien, sagte Biden am Dienstag: „Das bleibt abzuwarten. Es wird eine Weile chaotisch sein.“

Derzeit sammeln sich an den Grenzübergängen Zehntausende Menschen, die Behörden in den USA rechnen mit einem starken Anstieg der Asylanträge. Im US-Bundesstaat Texas haben die Städte El Paso, Brownsville und Laredo den Ausnahmezustand erklärt. Dort halten sich bereits Hunderte Menschen auf, die aus Lateinamerika und auch aus China, Russland und der Türkei gekommen sind.

Behörden befürchten Eindruck einer offenen Grenze

Die im März 2020 zu Beginn der Coronavirus-Pandemie eingeführte Regelung sieht vor, dass an der Grenze zu Mexiko aufgegriffene Schutzsuchende umgehend abgewiesen werden können. Begründet wurde das mit dem Kampf gegen das Coronavirus – für Kritikerinnen und Kritiker nur ein Vorwand, um eine harte Grenzpolitik durchzusetzen.

Die Behörden befürchten einen Ansturm von Schutzsuchenden, sobald „Title 42“ ausläuft, weil der Eindruck einer Öffnung der Grenzen entstehen könnte. Laut dem Nachrichtensender CNN schätzt die US-Regierung, dass sich mehr als 150.000 Personen mit dem Ziel USA im Norden Mexikos aufhalten.

Polizist der U.S. Border Patrol versorgt wartende Migranten mit Wasser
Reuters/Mike Blake
Schon jetzt ist die Lage an den Grenzübergängen zwischen den USA und Mexiko äußerst prekär

Im Gespräch mit der AFP äußerte El Pasos demokratischer Bürgermeister Oscar Leeser große Sorge. In der mexikanischen Nachbarstadt Ciudad Juarez würden sich zwischen 8.000 und 10.000 Menschen aufhalten, die in die USA gelangen wollten, so der texanische Politiker. Und weil eine „Karawane“ mit weiteren Menschen auf dem Weg nach Ciudad Juarez sei, könnte es seine direkt an der Grenze zu Mexiko gelegene Stadt bald mit 12.000 bis 15.000 Neuankömmlingen zu tun haben.

Schon jetzt sind die US-Behörden in Grenzstädten überfordert. In El Paso schlafen viele Menschen, die einer Abschiebung entgangen sind, auf den Straßen und suchen unter Tüchern Schutz vor der Sonne, Kinder betteln um Geld.

Noch schärferes Gesetz könnte folgen

Auch in der texanischen Grenzstadt Brownsville harren viele Menschen aus Zentralamerika und aus südamerikanischen Ländern wie Venezuela und Kolumbien auf den Straßen aus. Hier ist die Zahl der eintreffenden Menschen in den vergangenen zwei Wochen schon vor dem Auslaufen von „Title 42“ gestiegen, denn es wurden bei Weitem nicht alle Schutzsuchenden abgewiesen. Der „New York Times“ („NYT“) zufolge wurde die Verordnung in etwa einem Drittel der Fälle angewandt. Die meisten Menschen, die im Rahmen dieser Regelung ausgewiesen wurden, stammten aus Mexiko und Mittelamerika.

Die USA erwarten einen starken Ansturm von Migrantinnen und Migranten sowie Schutzsuchenden an ihrer Grenze zu Mexiko. Denn eine umstrittene Abschieberegel läuft aus.

Mit dem Ende von „Title 42“ wollen sich die USA auf ein unter dem Namen „Title 8“ bekanntes älteres Regelwerk stützen, das in den vergangenen Jahren parallel zu „Title 42“ angewandt wurde. Dieses ist stellenweise schärfer als die Coronavirus-Regeln und sieht unter anderem Strafen für versuchte illegale Grenzübertritte vor. Biden kündigte jedenfalls bereits an, man werde weiterhin strikt gegen illegale Grenzübertritte vorgehen. Zur Unterstützung des Grenzschutzes mobilisierte er 1.500 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten.

Einigung zu Migrationsgesetz im Kongress unwahrscheinlich

Doch will Biden zugleich mehr Möglichkeiten für eine legale Einreise schaffen. Dafür sollen unter anderem Migrationszentren in lateinamerikanischen Staaten eröffnet werden. Für den US-Präsidenten ist die Krise an der Grenze zu Mexiko politisch äußerst heikel – und die Grenzpolitik ein Balanceakt.

Die oppositionellen Republikaner werfen dem Demokraten vor, ungehindert Hunderttausende Ausländerinnen und Ausländer ins Land zu lassen, und schüren Ängste vor einer Zunahme von Kriminalität und Drogenproblemen. Ein Thema, mit dem sich gut Wahlkampf machen lässt.

Unterdessen wirft der linke Flügel der Demokraten Biden vor, sein Wahlkampfversprechen einer Abkehr von der harten Flüchtlings- und Migrationspolitik des Rechtspopulisten Trump gebrochen zu haben. Während es schon seit langer Zeit Forderungen nach einer Reform des US-Einwanderungsrechts gibt, ist eine Einigung von Demokraten und Republikanern im Kongress in weiter Ferne.

Die als „Title 42“ bekannte US-Abschieberegelung endet offiziell am Donnerstag um 23.59 Uhr US-Ostküstenzeit (Freitag, 5.59 Uhr MESZ). Dann läuft auch der nationale Coronavirus-Gesundheitsnotstand aus.