Was sich bereits im Vorfeld abgezeichnet hatte, wurde dann am Abend auch klar. Das zweite Semifinale konnte in Sachen Spektakel der ersten Show am Dienstag nicht ganz das Wasser reichen. Zahlreiche Sängerinnen und Sänger lieferten zwar ordentliche Leistungen, blieben am Ende aber zu verwechselbar und zu wenig wiedererkennbar. Ausgeschieden sind Dänemark, Rumänien, Island, Griechenland, San Marino und Georgien.
Ins Finale geschafft haben es neben Österreich auch Australien, Belgien, Slowenien, Polen, Albanien, Armenien, Litauen, Estland und Zypern. Entscheidend war ausschließlich das Publikumsvoting, die nationalen Jurys dürfen bei den Semifinale heuer nicht mitstimmen und kommen erst am Samstag zum Zug.
Österreich: Teya & Salena – „Who the Hell Is Edgar?“
Jubel auch in der Halle
Österreich galt in den Wettbüros quasi als fix qualifiziert, wie viele Punkte sie erhalten haben, wird allerdings erst am Samstag nach dem Finale öffentlich gemacht. Stimmlich sicher und mit viel Schwung in der in Weiß, Rot und Schwarz gehaltenen Bühnenshow brachten die beiden ihren Song „Who the Hell Is Edgar?“ dar. Die Begeisterung in der Halle war beim österreichischen Beitrag deutlich merkbar. Auch im Finale ist Teya & Salena alles zuzutrauen: In diversen Rankings und bei den Buchmachern liegen sie immer in den Top Ten, Tendenz nach der Show steigend.
Interview mit Teya & Salena (Österreich)
Startnummer eins für Österreich
Die beiden werden am Samstag die Ehre haben, den Song Contest mit Startnummer eins zu eröffnen. Sie wurden in die erste Häfte des Feldes gelost, die genaue Startreihenfolge wurde dann nach dramaturgischen Gesichtspunkten festgelegt.
„Wir sind überwältigt“, sagte Teya in einer ersten Reaktion nach ihrem Auftritt. „Es war eine geile Show, es hat so viel Spaß gemacht.“ In der Pressekonferenz in der Nacht sagten sie, ihr größter Traum sei wahr geworden. Der Song sei bei einem Songwriting-Camp eigentlich als Spaßlied entstanden. Mit ihrem Lied hätten sie auch eine Debatte über die Probleme von Songwriterinnen ausgelöst.
Australische Rocker und slowenische Indie-Band
Im Finale treffen die beiden erneut auf die australische Band Voyager, die sich selbst musikalisch und optisch in den 80er Jahren verortet, als ihre Musikrichtung noch Hardrock hieß. Dem Publikum gefiel offenbar der eingängige Song, man ließ sich von den härteren Metal-Einsprengseln nicht abschrecken und fand auch nichts dabei, wenn im Jahr 2023 Freiheit mit einem Auto auf der Bühne symbolisiert wird.
Australien: Voyager – „Promise“
Ebenfalls ein Wiedersehen am Samstag gibt es mit der slowenischen Indie-Band Joker Out und ihrem Song „Carpe Diem“. Der erinnert wiederum an The Killers, doch die Slowenen brachten ihre Darbietung recht energisch und charmant über die Bühne.
Armenien und Albanien im Finale
Bei den Solokünstlerinnen fiel am ehesten Brunette aus Armenien auf. Mit einer schiefen Platte als einzigem Bühnengestaltungselement begann ihr Song „Future Lover“ langsam und balladesk, gewann dann im zweiten Teil aber an Fahrt. Auch sie schaffte es damit ins Finale. Albanien konnte sein Alleinstellungsmerkmal nutzen: Sängerin Albina brachte als einzige Balkanpop auf die Bühne – und ihre Eltern und drei Geschwister. Sie alle dürfen am Samstag wiederkommen.
Trennung unterschiedlich verarbeitet
Zypern schickte den Australier Andrew Lambrou, der seine Trennungsballade „Break a Broken Heart“ inbrünstig und recht glaubwürdig vortrug, während im Hintergrund ganze Wasserfälle von Tränen vergossen wurden. Am Samstag darf er wieder antreten.
„Solo“, aber trotzdem gut gelaunt, präsentierte sich Blanka aus Polen, das heuer mit Latino- und Karibik-Vibes punkten wollte. Die eher aus dem Model- und Influencer-Fach kommende Sängerin konnte das Publikum so weit überzeugen, dass auch sie im Finale vertreten ist – auch wenn ihr Antreten nach Schiebungsvorwürfen in Polen für recht viel Wirbel gesorgt hatte.
Mit ORF.at durchs Finale
ORF.at begleitet auch das Finale am Samstag mit einem Liveticker – samt Livestream, Bildern, animierten GIFs und Social-Media-Kommentaren.
Baltinnen und Boy-George-Lookalike weiter
Als kleine Überraschungen schafften es auch beide baltischen Länder ins Finale: Alika aus Estland konnte mit ihrer Klavierballade „Bridges“ punkten, Monika Linkyte aus Litauen versuchte, von einem vierköpfigem Backgroundchor umringt, mit dem Songtitel „Stay“ sogar textlich abgestimmt im Bewerb bleiben zu wollen – und hatte damit Erfolg.
Vor allem modisch – mit Hut und einer Art rosa Pluderhose – stach der belgische Sänger und Boy-George-Doppelgänger Gustaph hervor. Mit House- und Gospel-Versatzstücken sorgte „Because Of You“ als eine der wenigen Gute-Laune-Nummern für Stimmung in der Halle in Liverpool. Er sollte auch der Einzige sein, dem Hosen in Rosa Glück brachten.
Belgien: Gustaph – „Because of You“
Cute alleine reicht nicht
Schon im Vorfeld als Wackelkandidat galt Reiley aus Dänemark, der mit kindlichem Charme und rosa Anzügchen durch seine Puppenhauskulisse wanderte. Der 25-Jährige von den Färöern konnte die stimmlichen Herausforderungen seiner durchaus interessanten Nummer „Breaking My Heart“ nur bedingt meistern und schaffte es deshalb nicht ins Finale.
Vielleicht ein bisschen unter Wert geschlagen muss Theodor Andrei aus Rumänien die Heimreise antreten. Sein „D.G.T. (Off and On)“ war auch nicht schlechter als andere Songs. Er wirkte – ebenfalls in Rosa – auf der Bühne allerdings recht alleine gelassen. Erst am Schluss holte ihn eine Tänzerin ab.
Zu zappelig, zu holprig, zu jenseitig
Keine Chance auf das Finale hatte Victor Vernicos aus Griechenland. Die Klüfte zwischen zappeligem Auftreten, nervös zirpender Musik und balladeskem Gesang mit wenig Wiedererkennungswert waren schlicht zu groß. Holprig wirkte auch der Auftritt von Dija aus Island: Die Kraft ihres Songs „Power“ versuchte sie mit akrobatischen Tanzmoves beweisen zu wollen, die wirkten aber tendenziell deplatziert.
In ORF1 und auf FM4
Das Finale ist am Samstag ab 21.00 Uhr live in ORF1 und im Livestream in tvthek.ORF.at zu sehen. Für FM4 kommentieren der deutschen Satiriker Jan Böhmermann und der Sänger Olli Schulz. Zu hören ist das Spektakel nicht nur auf FM4, in der ORF-TVthek gibt es auch einen eigenen Stream für das passende Bild zum Ton.
Ebenso klar gescheitert ist die italienische Band Piqued Jacks. Die für San Marino antrat. Den auf allen Ebenen nicht besonders originellen Rocksong „Like An Animal“ hätte man vielleicht zweieinhalb Minuten irgendwie ertragen, gegen Ende setzte Sänger Andrea Lazzeretti zu einem mehrfachen und langezogenen „Way“ an, das wohl die letzten potenziellen Fans vertrieb.
Klischees ausgedient?
Eigentlich im Finale vermutet hätte man die Georgierin Iru: Stimmlich durchaus überzeugend, versuchte sie mit „Echo“ den Spagat zwischen dramatischer Ballade und zeitgenössischer Elektronik. Mit wallendem Gewand, wehenden Haaren und recht viel Glitzerzeugs im Gesicht könnte sie es aber mit Song-Contest-Klischees übertrieben haben – vielleicht ist da tatsächlich ein neues Zeitalter hereingebrochen.