Innenminister Gerhard Karner (ÖVP)
APA/Eva Manhart
Karner zu Staatsschutz

Teil der Klimaaktivisten unter Beobachtung

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat am Freitag bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts betont, dass „radikale Klimaaktivisten“ unter Beobachtung des Staatsschutzes stehen. Er warnte zugleich vor Pauschalurteilen und betonte, man müsse differenzieren. Eine deutlich größere Gefahr sieht der Verfassungsschutz in drei bekannten Kategorien: Rechtsextremismus, „Staatsverweigerer und Reichsbürger“ und islamistischer Extremismus.

Karner machte klar, dass mit „radikalen Klimaaktivisten“ grundsätzlich nicht die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“ gemeint sind, die mit Blockaden des Straßenverkehrs mittelweile regelmäßig für Aufsehen und Aufregung bis Empörung nicht zuletzt bei vielen Autofahrerinnen und Autofahrern sorgen.

Karner verwies konkret auf die internationale Gaskonferenz im März in Wien und Teile der Proteste am Rande dieser Veranstaltung, an denen „gewaltbereite Aktivisten“ teilgenommen hätten, die teils international vernetzt seien. Auch eine Störung des Neujahrskonzerts habe nur verhindert werden können, weil „radikale Klimaaktivisten“ „selbstverständlich unter Beobachtung stehen“, wie Karner sagte.

„Letzte Generation“ nicht linksextrem

Auch der Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, betonte, Umweltgruppen und Klimaaktivisten seien „nicht per se“ als extrem einzustufen. Es gebe jedoch teils „Verschneidungen“ mit linksradikalen Gruppen. Letztere würden das Klimathema benutzen, um Leute für die eigene Sache zu werben. Hier ist laut Haijawi-Pirchner eine „überregionale und internationale Mobilisierung“ zu beobachten.

Gruppierungen wie „Letzte Generation“ und „Extinction Rebellion“, also zwei Organisationen, die Klimaschutzaktivismus betreiben, werden „aktuell“ nicht als linksextrem eingestuft, wird im Bericht klargestellt.

„Kleben und kleben lassen“

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach über „radikale Klimaaktivisten“ und jene Maßnahmen, die im Verfassungsschutzbericht ausgearbeitet wurden.

Karner: Gegen Pauschalurteile

Gefragt, ob jene, die sich aus Protest gegen mangelnde Klimaschutzmaßnahmen auf der Straße festkleben, „radikale Klimaaktivisten“ seien, sagte Karner, als Innenminister sei man gut beraten, keine Pauschalverurteilungen auszusprechen. Wenn jemand Sorge wegen des Klimawandels habe und deshalb auf die Straße gehe, sei das legitim.

Wenn durch den Protest aber Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder für Leib und Leben entstehe, handle die Exekutive mit aller Konsequenz, so Karner. Er verwies auf mehr als 600 Anzeigen und mehr als 100 Festnahmen seit Jahresbeginn. Wo es aus Sicht der Exekutive kein Problem mit einem Protest gebe, lasse man aber durchaus auch das Motto „Kleben und kleben lassen“ walten.

Auf den jüngsten Fall einer Blockade, bei der ein Rettungswagen aufgehalten wurde und nun ermittelt wird, ob deshalb ein Patient verstarb, wollte Karner nicht näher eingehen. Er verwies auf die laufenden Ermittlungen.

Keine Pläne für Verschärfungen

Gefragt, ob es gesetzliche Verschärfungen geben werde, sagte Karner, das sei Sache des Parlaments. Als Innenminister werde er nie dagegen sein, wenn die Polizei mehr Möglichkeiten erhalte. Es gebe aber auch jetzt Möglichkeiten vorzugehen.

Noch im Jänner hatte ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer mit scharfen Tönen – auch im Vorfeld des Niederösterreich-Wahlkampfs – gegenüber sich festklebenden Klimaaktivisten aufhorchen lassen und angekündigt, mit Karner gemeinsam gesetzliche Verschärfungen zu prüfen. Das würde allerdings wohl auf den Widerstand des grünen Koalitionspartners stoßen. Die Grünen hatten unter anderem nach dem Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten am Rande der Gaskonferenz eine Anfrage im Parlament eingebracht.

Mehrere Strömungen

Generell betonten Karner und Haijawi-Pirchner, dass die aktuellen Krisen Extremismus an beiden Enden des Spektrums verstärken würden. Das Jahr 2022 stand vor allem im Zeichen von Krisen wie dem Krieg in der Ukraine und der schwierigen Energiesituation bzw. der hohen Inflation – multiple Krisen und Herausforderungen, die sich auf die Sicherheitslage auswirken können, wie im Bericht betont wird.

Die Gefahren für die Staatssicherheit gehen laut Karner in erster Linie von drei Strömungen aus: vom Rechtsextremismus, von staatsfeindlichen Verbindungen und vom islamistischen Extremismus. Die Neonazi-Szene und die Neue Rechte, also Gruppierungen wie die Identitären, machten laut Bericht zuletzt etwa bei den Demonstrationen gegen Pandemiemaßnahmen auf sich aufmerksam.

Auch entsprechende Aktivitäten im virtuellen Raum wurden verstärkt, zum Beispiel durch die Einrichtung der Website „Corona-Querfront“. Ziel der Maßnahmen sei es, Akzeptanz weit über das übliche Publikum hinaus zu erzeugen, wird im Bericht ausgeführt.

Querverbindung zu Verschwörungsideologen

Gesucht wird dabei etwa die Zusammenarbeit mit Verschwörungsideologen und rechtsradikal orientierten „Staatsverweigerern“. Letztere sind ebenfalls zum Teil aus den Protesten gegen die Pandemiemaßnahmen hervorgegangen. Nach dem Ende der Pandemiemaßnahmen wurde Kritik an der Teuerung als neuer Schwerpunkt erkannt. Asyl- und fremdenfeindliche Erklärungsmuster seien aber ebenfalls weiter zentraler Bestandteil derartiger Bewegungen, hieß es.

Laut Karner wurden bei Kundgebungen auch Holocaust-Verharmlosungen registriert. Gezeigt habe sich auch, mit welcher möglichen Gewaltbereitschaft zu rechnen ist. Der Minister verwies auf mehrere Waffenfunde in der rechten Szene. 2022 seien mehr als 660 Personen in diesem Bereich angezeigt, mehr als 100 Hausdurchsuchungen durchgeführt worden, es habe 37 Festnahmen gegeben.

Islamismus: Radikalisierung oft online

Eine aktuell weiter hohe Bedrohungslage gebe es auch durch islamistische Extremisten, wurde hervorgehoben. Rückkehrer aus dem Bürgerkriegsgebiet Syrien spielten hier weiter eine Rolle – genauso wie Personen, die demnächst aus der Haft entlassen würden. Die Szene, so Haijawi-Pirchner, sei derzeit weniger sichtbar, „aber deswegen nicht weniger gefährlich“. Sie sei von Einzelpersonen oder kleineren Gruppen geprägt, die Radikalisierung erfolge oft online.

Haijawi-Pirchner forderte in diesem Zusammenhang zusätzliche Möglichkeiten, konkret: das Überwachen von Messengerdiensten. Auf Nachfrage versicherte der DSN-Chef, es gehe um die Überwachung verdächtiger Einzelpersonen, nicht eine breitflächige Überwachung.

„Wesentliche Aktionen“ von Spionagediensten

Bezüglich Spionageabwehr sprach der DSN-Chef davon, dass im Vorjahr „wesentliche Aktionen“ ausländischer Geheimdienste in Österreich stattfanden. Von Relevanz seien dabei vor allem russische, iranische, türkische und chinesische Dienste. Vor allem die russische Aktivität habe durch den Ukraine-Krieg nochmals deutlich zugenommen, insbesondere im Bereich Wirtschaftsspionage. Auch Sabotageakte seien künftig nicht auszuschließen.

Der Verfassungsschutzbericht 2022 ist der erste vom DSN verfasste Bericht. Der Staatsschutz war nach dem BVT-Skandal zur Zeit des damaligen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl, der unter anderem dazu führte, dass Dienste befreundeter Staaten den Informationsaustausch weitgehend einstellten, Ende 2021 auf völlig neue Beine gestellt worden. Auch Versäumnisse im Vorfeld des Wiener Terroranschlags vom 2. November 2020 hatten aus Sicht der Politik eine Reform nötig gemacht.

SPÖ vermisst konkrete Zahlen

Die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz, zeigte sich vom ersten DSN-Bericht enttäuscht. Ihr fehlen konkrete Daten und Zahlen vor allem zur rechtsextremen und islamistischen Gefährdung. Das sei „eindeutig zu wenig“, umso mehr, als die Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts bereits zwei Jahre „verschleppt“ werde.

Für die FPÖ bezog sich deren Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung auf den Klimaaktivismus. Er forderte ein eigenes Kapitel dafür und sprach wörtlich von „Klimaterrorismus“.

„Postenpolitik weiterhin verheerend“

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper kritisierte, dass wie im Innenministerium auch in der DSN die „Postenpolitik weiterhin verheerend“ sei und Postenkorruption „wahrlich nicht ausgeschlossen“ werden könne. Sie plädierte für mehr Maßnahmen im Bereich der Spionageabwehr.

Die Wiener grüne Gemeinderätin Viktoria Spielmann forderte „mehr Engagement“ des Verfassungsschutzes im Bereich Rechtsextremismus. Man beschäftige sich lieber mit Klimaschutzaktivisten und blende das Gefahrenpotenzial durch die Mobilisierung in rechtsextremen Telegram-Kanälen aus.