Eine Pflegerin stützt eine Frau mit Gehhilfe
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Personalmangel

Situation in Pflege „prekär“

Anlässlich des internationalen Tages der Pflege haben Gewerkschaften und Institutionen am Freitag vor der sich verschärfenden Lage im Gesundheitsbereich gewarnt. Dem Pflegebereich gehe das Personal aus. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) verwies auf die Pflegereform und laufende Bemühungen, die Finanzierung der Pflege im Zuge des Finanzausgleichs langfristig abzusichern.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz legten GÖD-Gesundheitsgewerkschaft und younion bundesweit erhobene Zahlen zum Pflege- und auch Ärztemangel vor. Die hohe Arbeitsbelastung und der Mangel an medizinisch-pflegerischem Personal hätten dazu geführt, dass derzeit in ganz Österreich 2.775 Spitalsbetten gesperrt seien – das seien mehr Betten als im AKH mit 1.732 verfügbar, sagte Reinhard Waldhör von der GÖD. Er sprach von „äußerst beunruhigenden Zahlen“.

Österreichweit würden 2.200 Pflegekräfte fehlen, ergänzte Edgar Martin (younion), dazu 200 in der Verwaltung. Verschärft werde der „Notstand“ durch knapp 700 offene Stellen bei den Ärzten und Ärztinnen. „Dabei stehen wir erst am Anfang, die Pensionierungswelle der Babyboomer steht gerade erst an“, so Waldhör weiter. Man fühle sich vom Bund und den Ländern nicht gehört, es brauche ein koordiniertes Vorgehen.

Am Freitag fand auch eine Protestaktion der Gewerkschaft vor dem Gesundheitsministerium statt. Der Forderung nach einem Spitalsgipfel erteilte das Ministerium eine Absage. Man befinde sich ohnehin in laufendem Austausch mit den Ländern. Die Lage sei selbstverständlich bekannt, gerade deswegen seien aktuell Reformen auch Gegenstand von Verhandlungen im Rahmen des Finanzausgleichs.

Rauch: Pflegereform „erfolgreicher erster Schritt“

In seiner Aussendung verwies Rauch auf die exakt vor einem Jahr präsentiere Pflegereform als „erfolgreichen ersten Schritt“. Alle 20 Maßnahmen – von Gehaltserhöhungen über Änderungen in der Ausbildung bis zu Verbesserungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige, versehen mit einem Budget von einer Milliarde Euro – seien bereits umgesetzt. Auch die Beschäftigung von Pflegekräften aus dem Ausland bis zum Abschluss ihrer Nostrifikation sei erleichtert worden.

Rauch zitierte auch die Prognose der Gesundheit Österreich GmbH, die allein im Pflegebereich mit einem Bedarf von über 76.000 Arbeitskräften zusätzlich bis 2030 rechnet. Nächste Schritte seien in Vorbereitung, die Erweiterung des Angehörigenbonus sei einer davon. Auch der Zugang für ausländische Arbeitskräfte soll weiter erleichtert und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse beschleunigt werden. Zudem soll es Hilfe beim Erwerb der deutschen Sprache geben.

Deutschkenntnisse von Pflegenden müssten eine Selbstverständlichkeit sein, so FPÖ-Seniorensprecherin Rosa Ecker in einer Aussendung, die darin ebenfalls auf die schlechte Situation auf dem heimischen Pflegemarkt hinwies. Sie forderte, dass der Beruf attraktiver gestaltet werden müsse.

Pensionswelle setzt auch Pflege unter Druck

Die Kritik an den aktuellen Zuständen überwog am Freitag deutlich: Aufgrund des chronischen Personalmangels würden Patientinnen und Patienten wie am Fließband betreut und die Verweildauer im Krankenhaus laufend kürzer, so Josef Zellhofer, Vorsitzender der ÖGB/ARGE-Fachgruppenvereinigung für Gesundheits- und Sozialberufe, in einer Aussendung. Er verwies ebenfalls auf die anstehende „riesige Pensionierungswelle“, die den Mangel noch verschärfen werde.

Es gebe viele Lösungsansätze, man weise immer wieder auf die Notwendigkeit grundlegender Reformen und eine substanzielle Verbesserung der Arbeitsbedingungen hin. Stattdessen würden Ökonomen versuchen, für Sparpotenziale mit der Stoppuhr den Pflegeberuf zu erklären – diesen könne man aber nicht mit der Stoppuhr messen. Die Pflegelehre werde das Problem des Personalmangels „nicht einmal ansatzweise“ lösen, so Zellhofer weiter.

Breiter Forderungskatalog

Helmut Lutz, Geschäftsführer von Malteser Care, verlangte eine unverzügliche Anhebung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung auf mindestens 800 Euro pro Monat, um den Wertverlust bis 2022 aufzuholen. Auch eine sofortige Anhebung der Einkommensgrenze auf mindestens 3.500 Euro brauche es, damit nicht mehr und mehr Betroffene aus dem Fördersystem ausgeschlossen würden.

Internationaler Tag der Pflege

Am 12. Mai ist der Internationale Tag der Pflege. Die Caritas präsentierte ein Forderungspaket an die Regierung.

Der schwarze Tiroler Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl forderte die schwarz-rote Regierung in Tirol sowie Türkis-Grün im Bund zum Handeln auf. Es müsse alles getan werden, um neue Mitarbeiter zu gewinnen, sonst drohe ein „Kollaps“, sagte er in einer Aussendung. Er will unter anderem einen noch niederschwelligeren Zugang zum neu eingeführten Pflegestipendium sowie einen Flexibilisierungszuschlag auch für Gemeindebedienstete. Zudem brauche es einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit auch für Gemeinde- und Landesbedienstete.

Waltraud Rohrer, Vorsitzende des Betriebsrates im Landeskrankenhaus Villach, forderte einen Spitalsgipfel, um das Problem an der Wurzel zu packen. Bund, Länder und alle Vertreter des Gesundheitsbereichs sollten teilnehmen, da man das Problem „nicht lokal, alleine“ lösen könne. Es gehe darum, nicht „Verantwortung an den anderen abzuschieben, sondern gemeinsam Verantwortung zu übernehmen“.

25 Prozent Drop-out-Rate bei Ausbildung

Eine positive Wortmeldung kam von der Fachhochschul-Konferenz (FHK). Die Überführung der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege an die Fachhochschulen sei hervorragend gelungen, meinte FHK-Präsidentin Ulrike Prommer. Damit sei vor allem die internationale Vergleichbarkeit und Anschlussfähigkeit sichergestellt worden, aber auch gute Zugangsmöglichkeiten für andere Pflegeberufe. In Zeiten des Fachkräftemangels seien diese Aspekte ganz wesentlich zur Attraktivierung der Ausbildung.

Gerlinde Buchinger (GÖD-Gesundheitsgewerkschaft – Ausbildung) verwies hingegen bei der Pressekonferenz am Freitag auf Mängel bei Praktikumsplätzen im Bereich Pflegeausbildung und forderte eine Aufstockung der Praxisanleiter: Derzeit sehe ein Praktikant den Anleiter nur am Beginn und am Ende seiner Ausbildung. Aktuell gebe es bei der Ausbildung im Pflegebereich eine kumulierte Drop-out-Rate von 25 Prozent.

Initiative „Recht auf Pflege“ gestartet

Der Krankenpflegeverband (ÖGKV) startete am Freitag unterdessen die Pflegeinitiative „Recht auf Pflege“. Alle Menschen in Österreich müssten einen niederschwelligen Zugang zu professioneller Pflege haben, so ÖGKV-Präsidentin Elisabeth Potzmann in einer Aussendung.

Das gelte auch für die Pflegenden: „Sie müssen Bedingungen vorfinden, wo sie das Recht der professionellen Ausübung ihres Berufes wahrnehmen können.“ In der Petition nannte der ÖGKV Zeit, Geld und Qualität als wichtigste Parameter. Pflege müsse leicht und schnell organisierbar sein, und es brauche bessere Rahmenbedingungen, wiederholte sie die anhaltenden Kritikpunkte.

Die Forderungen werden auch von der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger (IG Pflege) unterstützt. Es gebe fast eine Million pflegende An- und Zugehörige, so Präsidentin Birgit Meinhard-Schiebel, diese seien „extrem darauf angewiesen“, von professionellen Pflegekräften in vielen Bereichen unterstützt zu werden. Wegen fehlender Möglichkeiten professioneller Unterstützung sei es zuletzt in der häuslichen Pflege vermehrt zu dramatischen Situationen gekommen, hieß es auch von Waltraud Duven, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands Selbsthilfe Österreich (BVSHOE).