Lebensmittel
ORF/Roland Winkler
Thema Teuerung in Nationalrat

Hitzige Debatten und Rufe nach Rücktritten

Die von der SPÖ initiierte Nationalratssondersitzung ist am Freitag Schauplatz für diverse Schlagabtausche gewesen. Das gerade vorgestellte Regierungspaket gegen die Teuerung wurde von der Opposition zerpflückt, SPÖ und FPÖ brachten auch jeweils eigene, letztlich erfolglose, Misstrauensanträge ein. Die SPÖ kündigte zudem an, keinerlei Regierungsvorhaben mehr zu unterstützen.

Die Debatte wurde am Freitag schnell emotional, der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) griff schon nach wenigen Minuten ein, um das Plenum zu kalmieren. Beim Thema Teuerung ist der Nationalrat gespalten: Das neue Paket der Koalitionsparteien, am Mittwoch vorgestellt, reicht der Opposition bei Weitem nicht.

Kern dieses Pakets ist die intensivere Abschöpfung der Gewinne von Energiekonzernen, wenn diese Preissenkungen nicht weitergeben. Bei den Lebensmitteln werden flankierende Maßnahmen eingeführt, etwa ein Transparenzbericht über Einkaufspreise des Handels.

Die SPÖ übte scharfe Kritik an den Schritten der Koalition und nutzte die Sondersitzung für einen Dringlichen Antrag. In der von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner erstunterzeichneten Initiative wird unter anderem ein sofortiges, temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs verlangt. Weiters sollen die Richtwerterhöhungen zurückgenommen und alle Mieten bis 2025 eingefroren werden. Zudem forderte die SPÖ eine „schlagkräftige“ Antiteuerungskommission.

Fritz Jungmayer (ORF) zur Nationalratssitzung

Fritz Jungmayer (ORF) spricht über die Sondersitzung des Nationalrats am Freitag. Die Sondersitzung wurde von der SPÖ eingefordert.

„Erwarte mir nichts mehr außer Rücktritt“

„Ich erwarte mir von der Regierung nichts mehr außer ihren Rücktritt“, so Pamela Rendi-Wagner am Freitag. Begonnen habe die Regierung mit dem Motto „das Beste aus zwei Welten“, herausgekommen sei ein „Albtraum für das Land“. Schon der Lebensmittelgipfel sei gescheitert, mit dem jüngsten Paket werde auch kein einziger Preis gesenkt.

Wenn Menschen Rechnungen nicht mehr bezahlen können und die Mittelschicht abzurutschen drohe, müsse der Staat in einen nicht mehr funktionierenden Markt eingreifen. Das sei Aufgabe der Politik: „Das nennt man soziale Marktwirtschaft.“ Dass die Grünen nicht versuchen, sich gegen die ÖVP durchzusetzen, mache sie zu Komplizen der Hilflosigkeit und Gleichgültigkeit, so die SPÖ-Chefin.

SPÖ will keine Stimmen mehr liefern

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried betonte einmal mehr, die SPÖ mahne seit mehr als einem Jahr inflationsdämpfende Maßnahmen ein. ÖVP und Grüne hätten diese aber ignoriert und stattdessen auf eine kurzsichtige Politik der Einmalzahlungen gesetzt, die keinen einzigen Preis gesenkt habe. Hart arbeitende Menschen könnten sich das Essen nicht mehr leisten, so Leichtfried.

Die SPÖ wolle einen Politikwechsel herbeiführen, daher bringe man einen – letztlich erfolglosen – Misstrauensantrag ein. Und nicht nur das: Nach Jahren konstruktiver Oppositionspolitik könne man nun nicht mehr zusehen, so Leichtfried. Daher werde die SPÖ die Koalition künftig nicht mehr unterstützen, wenn diese auf SPÖ-Stimmen angewiesen ist, weder bei einfachen noch bei Zweidrittelmehrheiten. Neben dem Misstrauensantrag wurde auch der Dringliche Antrag der SPÖ von Koalition und NEOS abgelehnt.

Nehammer verteidigt Maßnahmen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) konterte der Kritik: „Wenn die Regierung etwas bewiesen hat – sie ist widerstandsfähig.“ Vergangenes Jahr seien noch Gasfüllstände Thema Nummer eins gewesen, da habe man ebenso bewiesen, wie die Koalition Krisen meistere. Die Arbeitslosigkeit sei jetzt gering und es sei gelungen, die Kaufkraft zu erhalten. Nun werde die Teuerung bekämpft und gleichzeitig werde dafür gesorgt, dass der Wirtschafts- und Industriestandort attraktiv bleibe. Die Energieunternehmen müssten die gesunkenen Großhandelspreise an die Menschen weitergeben, dafür sorge das neue Maßnahmenpaket. Zudem kündigte Nehammer zusätzliche Maßnahmen gegen Kinderarmut an.

ÖVP-Klubchef August Wöginger konterte und riet Leichtfried, den Misstrauensantrag im Wiener Rathaus einzubringen – „dort sitzt der Sheriff von Nottingham“. Schließlich erhöhe die Stadt Wien laufend die Gebühren.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Bundeskanzler Karl Nehammer
APA/Robert Jaeger
Nehammer und Rendi-Wagner: Emotionale Debatte über die Teuerung

Scharfe Attacken Kickls

Doch auch der FPÖ war das zu wenig, sie übte scharfe Kritik an der Regierung. Die Regierung unternehme nicht nur nichts gegen die Teuerung, sie freue sich gar über die Mehreinnahmen über die Mehrwertsteuer, so Parteichef Herbert Kickl. Die Regierung habe eine „Spur der Verwüstung durch dieses Land“ gezogen und „lauter faule Früchte“ und „Zwangsbeglückung“ wie CO2-Steuer und die ORF-Haushaltsabgabe geliefert. Statt Kaufkraftsteigerung sei Armut der Begriff, der auf die Zustände in diesem Land passe: „Diese hat längst die Menschen erreicht, die arbeiten und Leistung erbringen.“

Auch Pensionistinnen und Pensionisten seien von der Regierung im Stich gelassen worden, so Kickl: „Mittlerweile ist man besser dran, wenn man in diesem Land einen Asylantrag statt eines Pensionsantrags stellt.“ SPÖ und NEOS seien nicht viel besser als die Koalitionsparteien, handle es sich ohnedies bei allen vier Parteien mittlerweile um eine „Einheitspartei“. Alle hätten bei der „fanatischen und falschen Coronapolitik“ oder bei der Beteiligung am „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland mitgemacht. Auch die Freiheitlichen griffen zu einem Misstrauensantrag, der ebenso wie jener der SPÖ scheiterte.

„Oppositionsbank, Regierungsbank, Anklagebank“

Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer zieh Kickl daraufhin der Scheinheiligkeit, Lüge und Heuchelei, was ihr einen Ordnungsruf einbrachte. Die FPÖ habe in Regierungsverantwortung einen „riesigen Schaden im österreichischen Sozialsystem angerichtet“, so Maurer. Die FPÖ behaupte, dass sie sich für sozial Schwache einsetze, doch es sei bekannt, was passiert, wenn die FPÖ in die Regierung kommt. Es folge immer dem Schema „Oppositionsbank, Regierungsbank, Anklagebank“, so Maurer. Sie rief die Opposition auf, sich an den Maßnahmen gegen die Teuerung konstruktiv zu beteiligen.

NEOS mit Kreisky gegen Marx

NEOS hingegen brachte einen Entschließungsantrag ein, der die Regierung dazu auffordert, Abgaben und Gebühren zu senken. Seit Monaten weise man darauf hin, dass das Land nicht gut durch die Krisen gekommen sei, so Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Die „expansive Förderungspolitik“ und das „Auspacken der Gießkanne“ habe zu starker Überförderung geführt und die Inflation weiter befördert. „Statt die Gießkanne auszupacken, hätte die Regierung die Schwächsten unterstützen sollen.“

NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker sprach sich dafür aus, den Wettbewerb im Handel und bei Dienstleistungen zu erhöhen, anstatt in den Markt einzugreifen, wie es die SPÖ fordert. Das habe, so Loacker, etwa Bruno Kreisky in den 1970er Jahren erkannt, der den Wettbewerb gefördert und die Nachfrage, etwa in der Ölkrise, aktiv gesenkt habe. Kreisky sei hier nicht „marxistischen Ideen“ nachgehangen, so Loacker.

Kritik an angekündigter SPÖ-Blockade

Die Ankündigung Leichtfrieds im Plenum, der Koalition künftig alle unterstützenden SPÖ-Stimmen, auch bei Zweidrittelmaterien, zu verweigern, löste Kritik aus. ÖVP-Klubchef August Wöginger und Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer nannten das Vorhaben bei einem kurzfristig anberaumten Pressestatement „verantwortungslos“. Die SPÖ dürfe nicht aus reiner Parteitaktik wichtige Gesetzesmaterien wie das Erneuerbare-Wärme-Gesetz und das Energieeffizienzgesetz blockieren, für die es eine Verfassungsmehrheit braucht. Denn das gehe zulasten der Bevölkerung. Beide appellierten an die „konstruktiven Kräfte in der SPÖ“ und betonten, dass man weiterhin für Gespräche zur Verfügung stehe. „Finden wir zu einem sachlichen Stil zurück“, so Maurer.

Auch NEOS übte Kritik: „Die Regierung hat im Kampf gegen die Teuerung versagt, das steht außer Zweifel. Deshalb aber jetzt die Arbeit einzustellen und wichtige Gesetze zu blockieren, wie es der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Leichtfried heute im Nationalrat angekündigt hat, ist einfach nur unverantwortlich“, so Energiesprecherin Karin Doppelbauer per Aussendung. Insbesondere die Energiewende könne Österreich nur mit einem überparteilichen Schulterschluss meistern.

Rendi-Wagner aber bekräftigte kurz darauf noch einmal den Standpunkt ihrer Partei. Auf Twitter schrieb sie: „Solange die Bundesregierung keinen Markteingriff vornimmt, der Preise senkt, wird es von der Sozialdemokratie keine Zustimmung zu Gesetzen mit 2/3 Mehrheit geben. Die ÖVP kann mit der FPÖ verhandeln. Da hat sie in den letzten Wochen ja gute Erfahrungen gemacht.“