Zudem kündigte Pakistans Premier Shehbaz Sharif harte Maßnahmen gegen Khan-Anhänger, die an den gewalttätigen Protesten beteiligt gewesen waren, an. Die seit Monaten anhaltenden Spannungen eskalierten vergangene Woche, nachdem Khan am Dienstag wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden war. Bei folgenden Straßenschlachten gab es nach Angaben des Innenministeriums mindestens acht Tote und 300 Verletzte. Mindestens 2.800 Menschen wurden festgenommen. Befeuert wurden die Proteste durch die Folgen der schweren Wirtschaftskrise Pakistans.
Ex-Premier Khan muss sich in rund 100 Fällen vor Gericht verantworten. Beobachterinnen und Beobachter gehen davon aus, dass das Vorgehen politisch motiviert ist. Im Fall einer Verurteilung könnte ihm ein politisches Amt nach der für Herbst geplanten Parlamentswahl verboten werden. Am Freitag war Khan überraschend unter strengen Sicherheitsvorkehrungen auf Kaution für zwei Wochen aus dem Gefängnis freigelassen worden.

Khan: Unzulässige Einmischung von Militär
Am Samstag rief Khan in einer Rede seine Anhänger und Anhängerinnen zu neuen Protesten am Sonntag auf. Landesweit sollten seine Anhänger in ihren Straßen und Dörfern protestieren, gab Khan via YouTube bekannt. Ab Mittwoch wolle er seine Kampagne für sofortige Neuwahlen wieder aufnehmen. Der Ex-Premier warf zudem dem Militär unzulässige Einmischung in die Politik vor: „Niemand kann eine politische Partei mit Gewalt ausschalten und ins Gefängnis stecken.“
Seine Rede wurde laut der Zeitung „Dawn“ nicht im pakistanischen Fernsehen übertragen, obwohl ein Gericht ein Ausstrahlungsverbot seiner Reden jüngst aufgehoben hatte. Khan kämpft seit knapp einem Jahr für ein politisches Comeback und mobilisierte wieder Zehntausende Anhänger und Anhängerinnen.

Das Militär spielt seit der Gründung Pakistans vor 75 Jahren eine wesentliche Rolle in der Politik und behielt – zumindest indirekt über vom Militär gestützte Kandidaten – auch in zivilen Regierungen die Macht. Offene Kritik am Militär ist in Pakistan eine Ausnahme.
Antiterrorverfahren gegen Demonstrierende angekündigt
Premier Sharif drohte indes den Teilnehmenden der Unruhen. Die Verantwortlichen für „die schändlichen Vorfälle von Brandstiftung, Plünderung, Sabotage und Beschädigung von öffentlichem und privatem Eigentum“ sollen innerhalb von 72 Stunden verhaftet werden. Er kündigte Antiterrorverfahren vor Gericht für diese Menschen an.
Schon nach den Unruhen wurde für mehrere Tage eine Internetsperre verhängt. Nach einer kurzzeitigen Aufhebung am Freitag gab es am Samstag laut Reuters erneut Berichte über gesperrte Facebook-, YouTube- und Twitter-Zugänge.

Geht die Regierung allerdings zu hart gegen die Demonstrierenden vor, könnte das der Unterstützung, die das Militär in der Bevölkerung auch hat, schaden. Viele Pakistanis sehen das Militär zwar immer noch als mäßigende Kraft, die dabei hilft, korrupte politische Dynastien in Schach zu halten. Doch spätestens seit Khans Entmachtung durch das Parlament und der Kritik Khans an den Militärs ist deren Popularität stark gesunken.
Khan durch Misstrauensvotum abgesetzt
Der ehemalige Kricket-Star Khan kam bei den Parlamentswahlen 2018 an die Macht, überschattet von Vorwürfen, das mächtige Militär habe die Abstimmung zu seinen Gunsten manipuliert. Trotz seiner großen Popularität enttäuschte der Ex-Premier in seiner Amtszeit. Auch unter Khan wurde die damalige Opposition mit Anklagen gelähmt. Schon während seiner Regierungszeit verschlechterte sich Khans Verhältnis zum Militär. Im April 2022 wurde er schließlich durch ein Misstrauensvotum gestürzt.
Die Kritik am Militär setzte Khan nach seinem Ausscheiden aus der Politik fort. Er beschuldigte etwa einen ranghohen General des pakistanischen Militärgeheimdiensts, hinter einer Schießerei zu stecken, bei der er im November verletzt wurde. Und er hatte Gerichtstermine in einer Reihe von Korruptionsfällen, die gegen ihn angestrengt worden waren, ignoriert und damit die Behörden geradezu herausgefordert, ihn zu verhaften. Seine Anhänger taten es ihm gleich und nutzten die sozialen Netzwerke, um das Militär zu verunglimpfen und es der Untergrabung der Demokratie zu beschuldigen.