Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj
AP/Matthias Schrader
Selenskyj in Berlin

Deutschland für Kiew „wahrer Freund“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am Sonntag vom deutschen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier und von Kanzler Olaf Scholz empfangen worden. Er traf Steinmeier im Schloss Bellevue in Berlin und trug sich auch in das Gästebuch ein. Darin nannte er Deutschland einen „wahren Freund und verlässlichen Verbündeten“. Im Anschluss wurde er von Scholz mit militärischen Ehren empfangen.

„In der schwierigsten Zeit in der modernen Geschichte der Ukraine hat sich Deutschland als unser wahrer Freund und verlässlicher Verbündeter erwiesen, der im Kampf für die Verteidigung von Freiheit und demokratischen Werten entschieden an der Seite des ukrainischen Volkes steht“, schrieb Selenskyj. Ausdrücklich bedankte sich der ukrainische Präsident bei Steinmeier persönlich für dessen Unterstützung. Er schrieb: „Vielen Dank, Herr Bundespräsident, für Ihre persönliche Unterstützung der Ukraine und Gastfreundschaft.“ Er dankte auch den Menschen in Deutschland für deren „fantastische Solidarität“. Auf Deutsch ergänzte er: „Danke, Deutschland!“

Das Verhältnis zwischen Steinmeier und Selenskyj war anfangs nicht einfach – ein Besuch des deutschen Staatsoberhaupts in der Ukraine klappte erst Ende Oktober im dritten Anlauf. Im April 2022 hatte Steinmeier eine gemeinsame Reise mit den Staatspräsidenten aus Polen, Lettland, Litauen und Estland in letzter Minute absagen müssen. Kiew hatte Steinmeier damals signalisiert, dass er nicht willkommen sei. Dem früheren SPD-Außenminister Steinmeier wurde in der Ukraine lange eine russlandfreundliche Politik angekreidet.

Frank-Walter Steinmeier und Wolodymyr Selenskyj
Reuters/Christophe Gateau
Selenskyj wurde vom deutschen Präsidenten Steinmeier empfangen

Scholz empfing Selenskyj

Im Anschluss an das Treffen mit Steinmeier empfing Scholz den Präsidenten im deutschen Kanzleramt. Selenskyj legte seine rechte Hand aufs Herz und sang mit, als die ukrainische Nationalhymne gespielt wurde. Vorbereitet wurde der Besuch in Deutschland mit der Zusage weiterer militärischer Unterstützung für die Ukraine im Wert von zusätzlichen 2,7 Milliarden Euro. Unter anderem sollen 20 weitere Marder-Schützenpanzer, 30 Leopard-1-Panzer und vier Flugabwehrsysteme IRIS-T SLM von der deutschen Rüstungsindustrie bereitgestellt werden, wie das deutsche Verteidigungsministerium am Samstag mitteilte.

Selenskyj trat Befürchtungen entgegen, seine Streitkräfte könnten mit moderneren westlichen Waffen auch russisches Staatsgebiet angreifen. „Wir greifen das russische Territorium nicht an. Wir befreien unser gesetzmäßiges Gebiet“, sagte Selenskyj bei seinem Besuch. „Wir haben dafür keine Zeit, keine Kräfte und keine überzähligen Waffen.“

Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj
Reuters/Fabrizio Bensch
Selenskyj bekam Unterstützung aus Deutschland zugesichert

Scholz zurückhaltend bei „Jetkoalition“

Selenskyj arbeite eigenen Angaben nach auch an einer Koalition für die Lieferung von Kampfjets. „Ich denke, ich werde mich auch an die deutsche Seite wenden, um hier Unterstützung zu finden“, sagte er. Scholz betonte, dass sich Deutschland auf die bisher gelieferten Waffensysteme konzentrieren werde. Auf die Frage, ob die Waffenlieferungen aus dem Westen für eine Offensive ausreichten, sagte er lächelnd: „Noch einige Besuche, dann ist es ausreichend.“

Scholz äußerte sich dazu zurückhaltend. Deutschland habe der Ukraine sehr viel geliefert. „Gerade was die Luftverteidigung betrifft, sind das sehr moderne Waffen mit dem PATRIOT-System, mit IRIS-T, was wir zur Verfügung stellen, was auch sehr wirksam ist.“ Deutschland konzentriere sich auf die Unterstützung der Ukraine bei ihrem Verteidigungskampf. Nach den USA sei Deutschland zweitgrößter Unterstützer der Ukraine. „Wir werden das auch weiter bleiben.“

Letzter Besuch im Februar 2022

In Deutschland war Selenskyj zuletzt wenige Tage vor Kriegsbeginn im Februar 2022 bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Die ersten zehn Monate nach der russischen Invasion hatte er das Land gar nicht mehr verlassen. Das änderte er Ende vergangenen Jahres. Inzwischen war der ukrainische Präsident schon in Washington, Warschau, Paris, London, Brüssel, Helsinki und Den Haag.

Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj
AP/Markus Schreiber
Mit militärischen Ehren empfing Scholz Selenskyj in Berlin

Nach Kriegsbeginn hatte Selenskyj der Bundesregierung Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen in die Ukraine vorgeworfen. Spätestens seit der Zusage von Leopard-2-Kampfpanzern hat sich das aber gelegt. Deutschland gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine – sowohl militärisch als auch finanziell. Seit Kriegsbeginn genehmigte die Bundesregierung Waffenlieferungen im Wert von 2,75 Milliarden Euro.

Selenskyj auch in Rom

Am Sonntagnachmittag sollen Selenskyj und das ukrainische Volk in Aachen mit dem Karlspreis für Verdienste um die Einheit Europas geehrt werden. Selenskyj kam am Nachmittag im Bundesland Nordrhein-Westfalen an. Selenskyj und das ukrainische Volk erhalten den Preis für ihre Verdienste um Europa. Nach seinem Deutschland-Besuch wird Selenskyj voraussichtlich noch am Sonntagabend in Paris eintreffen, berichten der Sender BFM TV, die Zeitung „Le Figaro“ und die Nachrichtenagentur AFP.

In Rom traf Selenskyj zuvor Staatspräsident Sergio Mattarella und Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und warb um Unterstützung und für eine Aufnahme seines Landes in die EU. „Die Zukunft der Ukraine ist eine Zukunft des Friedens und der Freiheit in Europa“, sagte Meloni, die der Ukraine volle Unterstützung mit Waffenlieferungen und humanitärer Hilfe garantierte.

Selenskyj in Rom

Unter höchster Geheimhaltung hat der Präsident der Ukraine, Selenskyj, am Samstag in Italien seine EU-Visite mit einem Besuch bei der italienischen Staatsführung und einer Audienz beim Papst begonnen.

Die Ukraine sei ein „Sicherheitsvorposten des gesamten europäischen Kontinents“. Sie appellierte an Moskau, die Aggression zu beenden und seine Truppen abzuziehen. Mattarella betonte nach dem Gespräch, es müsse ein „echter Frieden sein und keine Kapitulation“. Selenskyj sprach eine Gegeneinladung in die Ukraine aus, damit sich seine Gesprächspartner selbst ein Bild davon machen könnten, was Russland durch seinen Angriffskrieg angerichtet habe.

Audienz bei Papst Franziskus

Am Samstagnachmittag stand auch noch eine Audienz bei Papst Franziskus auf dem Programm. Das 40-minütige Gespräch wurde von einem Dolmetscher begleitet. „Ich danke Ihnen für diesen Besuch“, sagte der Papst, als er Selenskyj begrüßte. „Es ist eine große Ehre“, antwortete der Präsident. Er habe den Papst in einem persönlichen Gespräch aufgefordert, Russlands Verbrechen im Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen, teilte Selenskyj danach in Twitter mit. „Opfer und Aggressor können nicht gleichgesetzt werden.“

Das Treffen war mit Spannung erwartet worden, denn der Papst betont immer wieder, jede Gelegenheit ergreifen zu wollen, um für Frieden in der Ukraine zu werben. Den Angreifer Russland nennt er bei solchen Gelegenheiten zumeist allerdings nicht. Er hatte sich mehrmals zu einer Reise nach Kiew bereiterklärt – allerdings nur unter der Bedingung, dann auch nach Moskau reisen zu können. Nur so könne man neutraler Vermittler für den Frieden sein, argumentierte der Papst.

Papst Franziskus empfängt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Vatikan
Reuters/Vatican Media
Selenskyj bezeichnete den Empfang beim Papst als „große Ehre“

Der Papst persönlich war es, der von einer möglichen vatikanischen Friedensmission zwischen Russland und der Ukraine sprach. Da sei etwas im Gange, teilte er am 30. April im Luftraum zwischen Budapest und Rom der Öffentlichkeit überraschend mit. Mehr wollte er damals jedoch nicht sagen.

Differenzen zwischen Papst und Selenskyj

In einem Fernsehinterview nach der Audienz beim Papst machte Selenskyj deutlich, dass die Ukraine keine Vermittler brauche. Mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin könne man nicht verhandeln: „Der Krieg ist in der Ukraine, und der Friedensplan muss ukrainisch sein.“

Unterdessen verbreitete das vatikanische Portal Vatican News Aufnahmen von der Begegnung des ukrainischen Präsidenten mit dem Papst, die zeigen, wie Selenskyj sich vor seinem Gastgeber hinsetzte und sich zur Begrüßung einer weiteren Person nicht vom Platz erhob, während der Papst weiterhin stand. Bilder vom langen Gespräch mit dem Papst, bei dem vor Selenskyj ausführliche Sprechzettel auf dem Tisch lagen, zeigten Papst Franziskus und seinen Gast in angespannter Haltung.