Unterstützer der Republikanischen Volkspartei (CHP)
Reuters/Cagla Gurdogan
Türkei-Wahl

Streit über veröffentlichte Ergebnisse

Über die veröffentlichten Ergebnisse der türkischen Präsidentschafts- und Parlamentswahl am Sonntag ist ein heftiger Streit entbrannt. Medienberichten zufolge liegt Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan knapp vor seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu. Erdogan warf der Opposition „Betrug am nationalen Willen“ vor, die Opposition ortete taktische Manöver, mit denen die Regierung die Stimmauszählung verlangsamen wolle.

Sonntagabend meldeten türkische Medien unter Berufung auf Zahlen der staatlichen Agentur Anadolu, Erdogan komme nach Auszählung von rund 89 Prozent der Wahlurnen auf 49,94 Prozent und Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu auf 44,3 Prozent.

Damit würde eine Stichwahl notwendig werden, da keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit erzielen kann. Termin ist der 28. Mai. Der Abstand zwischen Erdogan und seinem Herausforderer in den von Anadolu veröffentlichten Ergebnissen hatte sich im Laufe des Sonntagabends immer weiter verringert.

ORF-Korrespondentin Wagner zur Türkei-Wahl

ZIB-Korrespondentin Katharina Wagner spricht unter anderem über den Streit über die Auszählungsergebnisse sowie darüber, ob es in zwei Wochen eine Stichwahl geben wird.

Neben den beiden gab es in der ersten Wahlrunde noch einen anderen, unbekannteren Kandidaten, nämlich Sinan Ogan, der nach vorläufigen Ergebnissen auf 5,3 Prozent kam. Ein weiterer Kandidat, Muharram Ince, hatte sich aus dem Rennen genommen, trotzdem aber 0,5 Prozent der Stimmen erhalten.

Opposition sieht taktische Manöver

Kilicdaroglus oppositionelle CHP übte scharfe Kritik an den Zahlen von Anadolu und hält diese für nicht belastbar. Die Staatsagentur veröffentlicht in der Regel zunächst die Auszählungsergebnisse in Erdogan-Hochburgen. CHP-Sprecher Faik Öztrak warf Anadolu „Manipulation“ vor und sprach von „äußerst positiven Daten“ für die CHP. Kilicdaroglu zeigte sich Sonntagabend optimistisch. „Wir liegen vorn“, so der 74-Jährige. Die CHP warf der Regierungspartei AKP taktische Manöver bei der Auszählung vor.

Türkei-Wahl: Knappes Rennen zeichnet sich ab

Bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei zeichnet sich ersten Ergebnissen zufolge ein knappes Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu ab.

In Hochburgen der Opposition lege die islamisch-konservative AKP bewusst Einspruch gegen die Ergebnisse ein, sagte der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der größten Oppositionspartei CHP am Sonntagabend in Ankara. Dadurch werde die Auszählung langsamer gemacht, und das Ergebnis falle zunächst zugunsten der Regierung aus.

Imamoglu: Abwärtstrend bei AKP

Nach den ihnen vorliegenden Zahlen zeichne sich bei der Regierung ein Abwärtstrend ab, „das ist eindeutig“, sagte Imamoglu. Der Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas, sagte unter Berufung auf Wahlprotokolle, Oppositionsführer Kilicdaroglu liege mit rund 47,4 Prozent knapp vorne.

Präsident Erdogan komme demzufolge auf rund 46,8 Prozent der Stimmen. Rund 92.000 Wahlurnen von insgesamt rund 192.000 seien ausgezählt. Er gehe davon aus, dass die Präsidentenwahl schon in der ersten Runde entschieden werde.

Erdogan: „Betrug am nationalen Willen“

Erdogan meldete sich Sonntagabend auf Twitter zu Wort. Er kritisierte die Opposition für das Öffentlichmachen von Wahlergebnissen und sprach von „Betrug am nationalen Willen“. Frühzeitig ein Ergebnis bekanntzugeben sei „politischer Raub“, sagte auch der Sprecher der regierenden AKP, Ömer Celik.

Hohe Wahlbeteiligung erwartet

Die Wahlkommission in der Türkei hatte das Verbot zur vorzeitigen Veröffentlichung von Wahlergebnissen Sonntagabend zwei Stunden früher als erwartet aufgehoben. Die Wahlbeteiligung dürfte laut unbestätigten Meldungen jenseits der 90 Prozent liegen, was von Beobachterinnen und Beobachtern als Vorteil für Kilicdaroglu gewertet wurde. Der Oppositionskandidat lag zuletzt in den Umfragen voran, vor allem in den Großstädten.

Unterstützer von Kemal Kilicdaroglu
APA/AFP/Adem Altan
Die Wahlbeteiligung in der Türkei dürfte hoch sein

Der seit über zwei Jahrzehnten regierende Erdogan ist inzwischen der mächtigste Staatschef der Türkei seit Atatürk. Allerdings hat seine Popularität gelitten, unter anderem wegen der hohen Inflation, die die Lebenshaltungshaltungskosten für viele Menschen in der Türkei drastisch erhöht.

Unterstützer von Präsident Recep Tayyip Erdogan
AP/Emrah Gurel
Erdogan-Anhängerinnen und -Anhänger: Der Langzeitmachthaber lag in Umfragen hinter dem Oppositionskandidaten

Kilicdaroglu hat angekündigt, die Türkei wieder zu einer parlamentarischen Demokratie zu machen, die Befugnisse des Präsidenten zu beschneiden und die Unabhängigkeit der Justiz zu sichern. Zudem will er die Friedenssicherung zum zentralen Bestandteil seiner Außenpolitik machen.

Wahlbeobachter aus Österreich im Einsatz

Die Wahl wird von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beobachtet. Teil der Mission sind auch die österreichischen Politikerinnen und Politiker Selma Yildirim und Stefan Schennach (SPÖ), Stephanie Krisper (NEOS), Andreas Minnich (ÖVP) und Christan Ries (FPÖ). Sie habe den Eindruck, dass die „Wahlbeteiligung immens hoch ist“, berichtete Yildirim gegenüber der APA aus dem Istanbuler Stadtteil Üsküdar.

Die Auszählung laufe sehr transparent ab, so Yildirim. Auf eigene Faust in der Türkei unterwegs ist die grüne Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. „Die Nerven liegen blank“, berichtete sie der APA aus der Region Agri im Osten der Türkei. „Manipulationen sind an der Tagesordnung“, sagte sie.