Die als Zeugin geladene Sabine Beinschab
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Kronzeugin

Beinschab belastet Karmasin schwer

Im Prozess gegen Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin hat ihre ehemalige Mitarbeiterin und nunmehrige Kronzeugin Sabine Beinschab die Angeklagte am Dienstag schwer belastet. Karmasin habe entgegen eigenen Aussagen sehr wohl gewusst, dass sie als Ministerin und auch während der Entgeltfortzahlung danach nichts dazuverdienen durfte, so Beinschab – Karmasin habe aber etwa gezielt Vermittlungshonorar verlangt.

Im aktuellen Verfahren geht es nicht um Karmasins Rolle in der ÖVP-Umfrageaffäre, auch wenn diese übers Finanzministerium abgerechneten Studien, die die ÖVP und den späteren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fördern sollten, von Richter Patrick Aulebauer thematisiert wurden.

Karmasin habe ihr den Kontakt zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vermittelt, sagte Beinschab. In weiterer Folge wurde das „Beinschab-Tool“ entwickelt, das Gegenstand eines separaten Ermittlungsverfahrens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist.

Karmasin-Prozess fortgesetzt

Der Prozess gegen die ehemalige, von der ÖVP nominierte Familienministerin Sophie Karmasin wurde am Dienstag am Straflandesgericht Wien fortgesetzt. Es geht um schweren Betrug, unter anderem wegen Preisabsprachen bei Studien nach ihrer Zeit als Ministerin.

„Bei Sophie Karmasin war auch der Gedanke dabei, da kann ich etwas mitverdienen“, sagte Beinschab bei ihrer Befragung. Inhaltlich habe Karmasin an den Studien fürs Finanzministerium zwar nicht mitgewirkt, sie habe aber von sich aus 20 Prozent Umsatzbeteiligung für Kontaktvermittlung ins Ministerium und zu den Fellner-Brüdern der Zeitungsgruppe „Österreich“ sowie Beratung verlangt: „Sie hat gesagt, sie will inkludiert sein in diesem Paket.“

Kein Geld für „Österreich“-Studien

Für die Studien für die Mediengruppe „Österreich“ erhielt Karmasin keine Provision, „weil die Umsätze für die Studien so gering waren, dass ich sonst wohl Minus gemacht hätte“, sagte Beinschab: „Viel ist da nicht übergeblieben.“ Sie sehe sich selbst aber nicht nur als Opfer. „Ich habe schon was verdient, das hat schon gepasst. Ich habe meine Arbeit einfach gerne gemacht.“

Die Fragen der Studien für das Finanzministerium habe sie im Vorhinein absprechen müssen. „Fragen bitte mit Frischi abklären“, heißt es in einer Chatnachricht von Karmasin an Beinschab, die bei der Vernehmung gezeigt wurde. Gemeint ist der ehemalige Pressesprecher von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Johannes Frischmann. Ihre Ansprechpartner im Ministerium seien in den meisten Nachrichten zwischen Beinschab und Karmasin als „Freunde“ bezeichnet worden.

Rückblickend denke sie sich, „es wäre das Beste für Sophie gewesen, sie wäre im Unternehmen geblieben, und wir hätten weiter legale Marktforschung betreiben können. Für sie war es wahrscheinlich ein Fehler, in die Politik zu gehen. Für mich war es ein Fehler, dass ich mich auf manche Dinge eingelassen habe.“

„Wie kommt sie zu ihrem Geld?“

Als Karmasin noch Ministerin war, so Beinschab, sei über die Firma von Karmasins Mann abgerechnet worden – auf Vorschlag von Sophie Karmasin selbst. Karmasin habe gewusst, dass sie – auch während der Entgeltfortzahlung nach ihrer Tätigkeit als Ministerin – nichts dazuverdienen durfte, gab die Kronzeugin an. Für Karmasin sei es vor allem um die Frage gegangen, „wie kommt sie zu ihrem Geld?“ Für Beinschab, die zu dem Zeitpunkt selbstständig und als Subunternehmerin für Karmasin tätig war, war Karmasin informiert, wer die Studien bezahlt.

Kronzeugin Sabine Beinschab
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Für Beinschab war Karmasin einst ein Vorbild – sich selbst bezeichnete Beinschab als verblendet

Beinschab widersprach zudem Karmasin, wonnach sie, Beinschab, Druck bei der ersten Abrechnung 2017 gemacht habe. Vielmehr habe Karmasin schnell an ihr Geld kommen wollen. Später habe Karmasin selbst Studien gemacht, dabei sei Beinschab Subauftragnehmerin gewesen – Honorare seien gegenverrechnet worden. Für die Vermittlung von Vorträgen hätte Karmasin Beinschab zehn Prozent Provision zahlen sollen, was Karmasin aber nicht recht gewesen sei, so Beinschab. Sie habe mit den Rechnungen für die Vorträge aber nichts zu tun gehabt.

Beinschab: „Im Prinzip ein Trottel gewesen“

Gefragt nach den Vergleichsangeboten bei den Studien für das Sportministerium gab Beinschab an, dass sie Karmasin einen Gefallen getan habe, finanziell habe sie nicht davon profitiert. Sie sei „im Prinzip ein Trottel“, das Ganze sei ein Fehler gewesen. Preis und Inhalte habe Karmasin vorgegeben und im Gegenzug Subaufträge an Beinschab versprochen. Es sei klar gewesen, dass Karmasin die Studie bekommen sollte. Dass nur sie auch das dafür nötige Know-how gehabt habe, dem widersprach Beinschab: Es sei keine „Rocket-Science“ nötig gewesen.

Karmasin habe Beinschab nach ihrem Ausscheiden aus der Politik kontaktiert und gesagt, sie brauche Vergleichsangebote, damit sie den Zuschlag für eine Studie für das Sportministerium bekomme, so die Zeugin auf Fragen der Staatsanwaltschaft. Beinschab sollte selbst ein Angebot legen und einen dritten Kontakt nennen. Das habe sie auch getan, bei insgesamt drei Studien. Was Karmasin tatsächlich für die Studien bekam, habe sie nicht gewusst.

Karmasin beauftragte sich selbst

Die Meinungsforscherin widersprach auch der Rechtsansicht von Karmasins Verteidigern, wonach die akkordierten Vergleichsangebote kartellrechtlich unproblematisch waren. Sie sei von der Bundeswettbewerbsbehörde deswegen belangt und kartellrechtlich zur Verantwortung gezogen und am Dienstag letzter Woche zu einer Geldbuße in Höhe von 6.000 Euro verurteilt worden, so Beinschab.

Das Kartellgericht sei davon ausgegangen, dass sie und Karmasin regelmäßig Preisabsprachen getätigt und ihr wettbewerbsbeschränkendes System beibehalten hätten, erläuterte Beinschab. Sie habe gegen ihre Verurteilung keine Rechtsmittel eingelegt. Ihr sei klar gewesen, dass es sich bei dem Ganzen um „Scheinangebote“ handelte, so die Zeugin: „Die Sophie hat gesagt, ‚Schick! Passt schon!‘“ Sie habe sich auf das „aus Sorge“ eingelassen, dass sie ansonsten von Karmasin keine Subaufträge mehr bekommen könnte.

Die frühere Familienministerin Sophie Karmasin
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Karmasin sieht sich schweren Vorwürfen ihrer ehemaligen Mitarbeiterin augesetzt

Einmal habe sich Karmasin de facto auch selbst beauftragt, mit Beinschab als Vermittlerin: Das Angebot für eine Studie für einen Verein wurde unter dem Namen Beinschabs abgegeben, ausführen wollte ihn aber Karmasin – und genehmigte sich als Geschäftsführerin des auftraggebenden Vereins den Auftrag quasi selber. „Sie hat mich ausgenutzt, sie hat gewusst, sie kann eh alles machen mit mir“, sagte Beinschab.

Karmasin war für Beinschab „Vorbild“

Beinschab bezeichnete Karmasin zu Beginn als ihr Vorbild. Sie habe Karmasin bei einem Vortrag im Rahmen ihres Studiums an der FH Wiener Neustadt kennengelernt, sagte Beinschab. Daraus sei zuerst eine Nebenbeschäftigung bei Karmasin entstanden und später eine Fixanstellung, bei der Karmasin ihr ermöglicht habe, in der Marktforschung zu arbeiten. Auf die Tätigkeit für und mit Karmasin sei sie sehr stolz gewesen, so Beinschab. Man sei zwar lose befreundet gewesen, aber es sei auch klar gewesen, dass Karmasin die Chefin und sie die Angestellte war – selbst mit einer eigenen Firma.

Als Karmasin Ende 2013 Ministerin wurde, sei das ein Schock gewesen, ein Schlag für sie. Sie habe sich in weiterer Folge 2015 selbstständig gemacht, so Beinschab. Schließlich sei der Kontakt zu Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, entstanden, für den Karmasin früher bereits Studien erstellt habe. Karmasin habe dann erklärt, dass sie gerne ein Vermittlungsprovision hätte – es habe dazu auch Excel-Listen gegeben. Karmasin sei durchaus informiert gewesen, so Beinschab.

Auch Karmasin erneut befragt

Zu Beginn des Befragungstags war Karmasin selbst erneut befragt worden. Sie sagte, dass sie eine Kooperation mit einem Schweizer Unternehmen angestrebt habe, daraus sei aber nichts geworden. Beinschab sei „sehr interessiert“ an einer Zusammenarbeit mit ihr, Karmasin, gewesen, von den Kontakten in der Schweiz habe sie Beinschab aber nicht erzählt. Als die Kooperation mit der Schweiz nichts wurde, habe sie frustriert die Entgeltfortzahlungen in Anspruch genommen. Sie sei naiv gewesen, gab Karmasin an.

Gefragt von Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic von der WKStA nach ihren Rechnungslegungen sagte Karmasin, sie habe nach ihrer Tätigkeit in der Politik als Alleinunternehmerin ihre erste Rechnung selbst geschrieben. Karmasin wird vorgeworfen, Rechnungen deutlich später als die erbrachte Leistung ausgestellt zu haben. Karmasin sagte weiters, dass sie mit Beinschab viele berufliche Überlegungen angestellt habe, daraus sei aber nichts geworden. Es sei „wirklich schwierig“, nach der Politik beruflich wieder Fuß zu fassen.

Vorträge als „Strohhalm“

Ab Anfang 2018 hielt Karmasin entgeltlich Vorträge und bezog weiter Bezüge aus ihrer früheren ministeriellen Tätigkeit. Dazu hielt die Angeklagte fest: „Es ist ja keine berufliche Tätigkeit, um 300 Euro einen Vortrag zu halten. Das ist maximal eine Veranstaltung, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich wollte schon einen 40-Stunden-Job in einer gewissen Tätigkeit.“ Sie sei „keine Vortragsrednerin“. Vorträge seien „eine Möglichkeit, sich zu präsentieren“. Ein Vortrag sei „ein Strohhalm, an eine berufliche Tätigkeit zu kommen“.

Für einen Vortrag habe Karmasin konkret 3.500 Euro plus Spesen bekommen, hielt ihr Adamovic vor. „Das ist großartig“, gestand Karmasin ein, das passiere aber nicht oft. Die Entgeltfortzahlungen lukriert und ihre Vorträge nicht gemeldet zu haben sei „im Nachhinein unbedacht“ gewesen. Im Februar 2018 mahnte Karmasin bezüglich eines Auftrags schriftlich ein, vorerst nichts zu verrechnen, sie dürfe nichts verdienen. Darauf angesprochen sagte Karmasin: „Es war ein Wegschieben des Themas. Im Nachhinein war es nicht die richtige Vorgangsweise.“

Ebenfalls befragt wurde Karmasin erneut zum zweiten Punkt der Anklage, den etwaigen Preisabsprachen bei mehreren Studien für das Sportministerium. Mündliche Zusagen, auch über größere Summen, seien durchaus üblich gewesen, auch als sie noch Ministerin war, so Karmasin. „Ich habe sogar selber eine Zusage gegeben zu einem Förderprojekt“, sagte sie auf eine entsprechende Frage des Oberstaatsanwalts.

Der Vorwurf gegen Karmasin

Karmasin soll sich laut Anklage nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramts verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Ministerin nahtlos fortsetzte. Inkriminiert sind 78.589,95 Euro, die Karmasin von 19. Dezember 2017 bis 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Karmasin soll nach ihrem Ausscheiden aus der Politik zudem den Zuschlag für drei Studien für das Sportministerium erhalten haben, indem sie zwei Mitbewerberinnen dazu brachte, von ihr inhaltlich vorgegebene und vorab besprochene Scheinangebote an das Ministerium zu übermitteln. Bei der Einvernahme Ende April gab eine der Mitbewerberinnen im Zeugenstand an, dass die Absprache über Beinschab gelaufen sei.

Karmasin hatte zum Prozessauftakt gesagt, sie habe nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministeramt nicht in das Familienunternehmen zurückkehren können, das man aufgrund ihrer politischen Karriere habe abgeben müssen, und aus einem in Aussicht gestellten Job sei nichts geworden. Deshalb habe sie „sicherheitshalber Entgeltfortzahlung beantragt“. Ihr „naives Verständnis“ sei gewesen, dass ein solcher Antrag mit einem möglichen zukünftigen Beschäftigungsverhältnis zu vereinbaren gewesen sei. „Rückblickend war das ein Fehler. Es tut mir leid.“