Arbeiter vor dem Lusail Stadium in Doha
Reuters/Kai Pfaffenbach
Inmitten von Skandalen

UNO-Arbeitskonferenz will Katar an Spitze

Die Internationale Arbeitsorganisation der UNO (ILO) wird im Juni ihre jährliche Konferenz in Genf abhalten. Wie der „Guardian“ am Dienstag berichtete, könnte heuer ausgerechnet Katar den Vorsitz dafür bekommen. Das stößt auf heftige Kritik, denn das enge Verhältnis zwischen dem Emirat und der Organisation, die für die Stärkung der Arbeitsrechte eintritt, sorgt schon seit der Fußball-WM 2022 für Stirnrunzeln.

Das Großereignis in Katar löste international heftige Debatten aus, bei denen vor allem die Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt standen. Die Rede war damals von Zehntausenden Arbeitern, die in sklavenähnlichen Zuständen ausgebeutet worden sein sollen. Der „Guardian“ berichtete im Vorjahr von über 6.000 Migranten aus Ländern wie Indien, Bangladesch und Sri Lanka, die auf den Stadionbaustellen gestorben sein sollen – Katar wies diese Anschuldigungen stets zurück.

Auch die ILO äußerte sich damals zu Katar. Bei einem Arbeitsbesuch in Doha hieß es vom Generaldirektor der Organisation, Gilbert Houngbo, er „gratuliert Katar zu den Fortschritten, die in den letzten Jahren gemacht wurden“, Reformen hätten die Arbeitsrechte verbessert, auch die Sicherheitssituation habe sich zum Positiven verändert.

Arbeitsminister soll Konferenz vorsitzen

Jetzt soll der zuständige katarische Arbeitsminister Ali bin Samich al-Marri laut dem „Guardian“-Bericht Präsident der im Juni stattfindenden ILO-Jahreskonferenz werden. Das kritisierte der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB), der „starke Bedenken“ äußerte. Die ILO würde damit ihren Ruf schädigen, so die Warnung der Organisation.

Die EU-Abegordnete Eva Kaili und Katars Arbeitsminister Ali bin Samich al-Marri
APA/AFP/Qatar’s Ministery of Labour
Arbeitsminister Marri traf sich auch mit der ehemaligen Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili

Im „Guardian“ erhob auch ein ehemaliger ILO-Beamter, der anonym mit dem Blatt sprach, schwere Vorwürfe gegen die UNO-Behörde. Die ILO habe „Whitewashing“ bei Katar vor der WM betrieben und „voreingenommen“ über die Arbeitsrechtsreform des Landes berichtet. Und er wies auf eine Investition von 25 Millionen Euro aus dem Jahr 2017 hin, mit der Katar das ILO-Büro in Doha unterstützt. Die ILO sei „mit Sicherheit“ auf dieses Geld angewiesen gewesen, so der ehemalige ILO-Beamte.

Katar auch in EU-Korruptionsskandal verwickelt

Die ILO-Aussagen zu Katar befeuerten damit auch einen anderen Skandal. In der Korruptionsaffäre im EU-Parlament soll Katar ja Einfluss auf politische Entscheidungen ausgeübt haben. Eine der Verdächtigen, die ehemalige Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili, zitierte die positiven Resümees der UNO zu den Reformen in Katar und bezeichnete Katar als „Vorreiter“ bei den Arbeitsrechten.

Auch Arbeitsminister Marri wurde in diesem Zusammenhang genannt: Er soll den Hauptverdächtigen, den ehemaligen italienischen Europaabgeordneten Pier Antonio Panzeri, in einem Hotel in Brüssel getroffen haben. Konkrete Vorwürfe gegen Marri wurden bisher nicht geäußert, schreibt der „Guardian“. Panzeri erklärte sich Anfang des Jahres bereit, mit den Behörden zu kooperieren und befindet sich wie Kaili seit geraumer Zeit unter Hausarrest.

Scharfe Kritik von NGOs

Die Aussagen der ILO und des EU-Parlaments von damals stehen im Gegensatz zu den Berichten von NGOs, die die Situation in Katar scharf kritisierten. Von Human Rights Watch heißt es etwa, dass Katar zwar „wichtige Arbeitsreformen“ durchgeführt habe, die sich jedoch als „völlig unzureichend für den Schutz der Arbeitnehmerrechte“ erwiesen und darüber hinaus „nur unzureichend durchgesetzt“ würden, heißt es von der NGO.

Arbeiter im Lusail Stadium in Doha
Reuters/Kai Pfaffenbach
NGOs kritisieren die Arbeitsbedingungen in Katar

Die NGO FairSquare sagte dem „Guardian“, es wäre eine „monumentale Torheit“, Katar die Präsidentschaft der Konferenz zu übertragen, „zu einer Zeit, in der sie dringend ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit unter Beweis stellen muss“.

Doch selbst der Gewerkschaftsbund, der nun die ILO kritisiert, ist in der Vergangenheit durch widersprüchliche Aussagen zu Katar aufgefallen. So sagte ihre ehemalige Generalsekretärin Sharan Burrow, man solle die WM ruhig genießen angesichts der zahlreichen Reformen in dem Land. Berichte über Tausende Tote bezeichnete sie als „Mythos“. Ihr Nachfolger Luca Visentini wurde sein Amt schnell wieder los, nachdem bekanntwurde, dass er vom beschuldigten EU-Abgeordneten Panzeri Geld angenommen haben soll. Er weist die Vorwürfe zurück.

ILO: Nehmen Vorwürfe ernst

In einer Erklärung der ILO, aus der der „Guardian“ zitiert, heißt es, man nehme die vom IGB angesprochenen Probleme sehr ernst. „Während es unbestreitbare Fortschritte bei den Arbeitsreformen in Katar gegeben hat, erkennen alle Parteien an, dass noch viel zu tun bleibt. Die in dem Schreiben des IGB geäußerten Bedenken sowie andere kritische Fragen werden von der ILO gegenüber der katarischen Regierung angesprochen“, hieß es.

Auch die Zahlung Katars an die ILO verteidigte man: Es sei „nicht ungewöhnlich“, dass Regierungen ein Büro in ihrem eigenen Land finanzieren, das beeinträchtige die Unabhängigkeit der ILO nicht. Zur Kritik an der Berichterstattung aus Katar hieß es, dass man stets auf „spezifische Lücken und Herausforderungen“ hingewiesen habe.

Ganz fix ist die Konferenzpräsidentschaft des Landes allerdings noch nicht. Die Entscheidung über den Vorsitz der Konferenz muss von den ILO-Mitgliedsstaaten, Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertretern noch bestätigt werden. Die Konferenz in Genf findet von 5. bis 16. Juni statt.