Die als Zeugin geladene Sabine Beinschab im Rahmen des Prozesses gegen ehemalige Familienministerin Karmasin wegen Betrugs
APA/Roland Schlager
Beinschab belastet Karmasin

„Sie hat mich ausgenutzt“

Am dritten Verhandlungstag im Prozess gegen Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin und einen mitangeklagten Abteilungsleiter im Sportministerium ist Sabine Beinschab, Karmasins Ex-Mitarbeiterin und nunmehr Kronzeugin der Anklage, als Zeugin vernommen worden. Beinschab belastete am Dienstag am Wiener Landesgericht die angeklagte Ex-Politikerin schwer. Im Zuge dessen sprach sie über ihr damaliges Verhältnis zu ihrer „Mentorin“ Karmasin: „Sie hat mich ausgenutzt.“

Karmasin werden schwerer Betrug und Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen vorgeworfen. Die Ex-Ministerin soll sich laut Anklage nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen in Höhe von 78.589,95 Euro erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramtes verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortgesetzt hat.

Von der Anklage umfasst sind insgesamt drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt. Laut Anklageschrift brachte sie zwei Mitbewerberinnen – darunter ihre frühere Mitarbeiterin Beinschab – dazu, „von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde“.

Widerspruch in Sachen Zuverdienst

Im Zuge der stundenlangen Befragung gab Beinschab an, dass Karmasin entgegen eigenen Aussagen sehr wohl gewusst habe, dass sie als Ministerin und auch während der Entgeltfortzahlung danach nichts dazuverdienen durfte – Karmasin habe aber etwa gezielt Vermittlungshonorar verlangt.

Die als Zeugin geladene Sabine Beinschab und ihre Anwältin Kathrin Blecha-Ehrbar im Rahmen des Prozesses gegen die ehemalige Familienministerin Karmasin wegen Betrugs
APA/Roland Schlager
Beinschab (r.) mit ihrer Anwältin Katrin Blecha-Ehrbar

Laut Beinschab wurde sie von Karmasin nach deren Ausscheiden aus der Politik kontaktiert und bekam von dieser gesagt, sie brauche Vergleichsangebote, damit sie den Zuschlag für eine Studie für das Sportministerium bekomme, so die Zeugin. „Damit Sophie Karmasin sicher den Zuschlag bekommt, wäre es super, wenn ich auch ein Angebot vorlege. Außerdem sollte ich einen dritten Kontakt nennen“, erklärte Beinschab.

„Ich war ein bisserl ein Trottel“

Das habe sie auch getan, bei insgesamt jenen drei Studien, die von der Anklage umfasst sind. Profitiert habe sie davon aber nicht, es sei ein Gefallen für ihre ehemalige Chefin und „Mentorin“ gewesen: „Ich war ein bisserl ein Trottel. Es war ein Fehler, man darf das einfach nicht.“ „Für die Schublade“ sei ihr Angebot nicht gewesen: „Ich bin davon ausgegangen, dass die Angebote abgegeben wurden, so dass das Sportministerium das beste und billigste herausnehmen kann.“

Beinschab belastet Ex-Ministerin Karmasin schwer

Der Prozess gegen die einstige ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin ist am Dienstag in Wien fortgesetzt worden, bei dem die Kronzeugin Sabine Beinschab ausgesagt hat. Sie hat ihre ehemalige Chefin Karmasin, der schwerer Betrug und Preisabsprachen vorgeworfen werden, belastet. Karmasin bestreitet die Vorwürfe.

Von Karmasin habe sie konkrete Anweisungen für ihr Angebot bekommen. „Teilweise habe ich vorgeschriebene Unterlagen bekommen.“ Mit der dritten, von ihr vorgeschlagenen Meinungsforscherin habe sie besprochen, „wer welche Preisvorschläge nimmt“. Was Karmasin tatsächlich für die Studien bekam, habe sie nicht gewusst.

„Das hätte ich auch machen können“

„Auf jeden Fall wäre das eine Studie gewesen, die ich selber machen hätte können“, widersprach Beinschab Karmasins Aussage, wonach diese nicht allein dazu imstande gewesen wäre und deshalb lediglich der Formalitäten wegen Vergleichsangebote einholen sollte. „Ich bin sicher, alles was die Sophie gemacht hat, hätte ich auch machen können. Weil sie so etwas wie meine Mentorin war.“ Und weiters: „Sicher waren wir (Karmasin und Beinschab, Anm.) spezialisiert, aber das kann so ziemlich jedes Institut.“

Außerdem hätte Karmasin Beinschabs Briefkopf auf ihre eigenen Angebote gesetzt und sich so „im Prinzip selbst beauftragt“, wie auch der Richter festhielt. „Sie hat gewusst, sie kann eh alles machen mit mir“, sagte Beinschab, Karmasin habe sie ausgenutzt.

Aus „Sorge“ vor Auftragsstopp mitgezogen

Wenn sich Karmasin bei Beinschab nach Preisen erkundigt habe, beispielsweise wie viel diese ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für die Moderation von Tiefeninterviews bezahle, „wollte Sophie immer, dass es so niedrig ist wie möglich, damit ihr so viel wie möglich überbleibt“, sagte Beinschab.

Die Meinungsforscherin widersprach auch der Rechtsansicht von Karmasins Verteidigern, wonach die akkordierten Vergleichsangebote kartellrechtlich unproblematisch waren. Sie sei von der Bundeswettbewerbsbehörde deswegen belangt und kartellrechtlich zur Verantwortung gezogen und am Dienstag letzter Woche zu einer Geldbuße in Höhe von 6.000 Euro verurteilt worden, so Beinschab.

Das Gericht sei davon ausgegangen, dass sie und Karmasin regelmäßig Preisabsprachen getätigt und ihr wettbewerbsbeschränkendes System beibehalten hätten, erläuterte Beinschab. Sie habe gegen ihre Verurteilung keine Rechtsmittel eingelegt. Ihr sei klar gewesen, dass es sich bei dem Ganzen um „Scheinangebote“ handelte, betonte die Zeugin: „Die Sophie hat gesagt: ‚Schick! Passt schon!‘“ Sie habe sich auf das „aus Sorge“ eingelassen, dass sie ansonsten von Karmasin keine Subaufträge mehr bekommen könnte.

Kontakt zu Schmid vermittelt

Um Karmasins Rolle in der ÖVP-Umfrageaffäre geht es in der gegenständlichen Verhandlung zwar noch nicht. Allerdings wurden die über das Finanzministerium abgerechneten Studien, die die ÖVP bzw. den späteren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) pushen sollten, von Richter Patrick Aulebauer sehr wohl thematisiert.

Karmasin habe ihr den Kontakt zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vermittelt, schilderte Beinschab. In weiterer Folge wurde das „Beinschab-Tool“ entwickelt, das Gegenstand eines separaten Ermittlungsverfahrens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist.

„Sie hat gesagt, sie will inkludiert sein in diesem Paket“

„Bei Sophie Karmasin war auch der Gedanke dabei, da kann ich etwas mitverdienen“, schilderte Beinschab. Inhaltlich habe Karmasin an den Studien für das Finanzministerium zwar nicht mitgewirkt, sie habe aber von sich aus 20 Prozent Umsatzbeteiligung für Kontaktvermittlung und Beratung verlangt: „Sie hat gesagt, sie will inkludiert sein in diesem Paket.“

Diese 20 Prozent auf den Umsatz aller für das Finanzministerium erstellten Studien seien die Gegenleistung dafür gewesen, dass Karmasin den Kontakt zwischen Beinschab und Schmid, aber auch zu den Fellner-Brüdern hergestellt hatte. Für die Studien für die Mediengruppe „Österreich“ erhielt Karmasin keine Provision, „weil die Umsätze für die Studien so gering waren, dass ich sonst wohl Minus gemacht hätte“, sagte Beinschab. „Viel ist da nicht übergeblieben.“

„Fehler, dass ich mich auf manches eingelassen habe“

20 Prozent seien natürlich viel Geld, Beinschab sehe sich selbst aber nicht nur als das Opfer, betonte sie. „Ich habe schon was verdient, das hat schon gepasst. Ich habe meine Arbeit einfach gerne gemacht.“ Rückblickend denke sie sich, „es wäre das Beste für Sophie gewesen, sie wäre im Unternehmen geblieben, und wir hätten weiter legale Marktforschung betreiben können. Für sie war es wahrscheinlich ein Fehler, in die Politik zu gehen. Für mich war es ein Fehler, dass ich mich auf manche Dinge eingelassen habe.“

„Fragen bitte mit Frischi abklären“

Die Fragen der Studien, die sie im Auftrag Schmids für das Finanzministerium erstellt habe, habe sie im Vorhinein absprechen müssen. „Fragen bitte mit Frischi abklären“, liest sich eine Chatnachricht von Karmasin an Beinschab, die Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic an die Wand des Großen Schwurgerichtssaals projizieren ließ.

Gemeint ist damit der ehemalige Pressesprecher von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, Johannes Frischmann. Das sei auch Karmasin klar gewesen, betonte Beinschab. Ihre Ansprechpartner im Finanzministerium seien in den meisten Nachrichten zwischen Beinschab und Karmasin als „Freunde“ bezeichnet worden.

„Sie wollte so schnell wie möglich ihr Geld haben“

Aus Beinschabs Sicht, die sich zu diesem Zeitpunkt selbstständig gemacht hatte und als Subunternehmerin für Karmasin tätig war, war Karmasin informiert, wer die Studien bezahlt. Für Karmasin sei es vor allem um die Frage gegangen, „wie kommt sie zu ihrem Geld“, berichtete Beinschab.

Da Karmasin bis Dezember 2017 Ministerin war und ihre Nebeneinkünfte nicht aufscheinen sollten, habe man die Abrechnungen über die Firma ihres Mannes laufen lassen: „Die Sophie Karmasin ist auf diese Idee gekommen. Natürlich wollte die Sophie Karmasin so schnell wie möglich ihr Geld haben.“ Es habe noch 2018 Studien fürs Finanzministerium gegeben, „das genaue Datum kann ich nicht sagen“, erklärte Beinschab.

Unmittelbar nach Polit-Aus ernsthafte Jobaussichten

Bevor Beinschab zu Wort kam, hatte Richter Aulebauer Karmasin mit Unterlagen konfrontiert, aus denen hervorging, dass diese schon Ende 2017 – unmittelbar nach dem Ende ihrer politischen Tätigkeit – ernsthafte Jobaussichten hatte. Dessen ungeachtet hatte die Ex-Ministerin die gesetzlich vorgesehenen Entgeltfortzahlungen aus ihrem früheren Ministeramt beantragt und nahm diese in weiterer Folge auch in Anspruch.

Die frühere Familienministerin Sophie Karmasin
APA/Georg Hochmuth
Karmasin sieht sich schweren Vorwürfen ihrer ehemaligen Mitarbeiterin ausgesetzt

Zum einen entwickelte Karmasin mit Beinschab schon im November 2017 eine geschäftliche Kooperation, zum anderen hatte sie Mitte Dezember 2017 Aussichten auf einen beruflichen Einstieg bei einem Schweizer Beratungsunternehmen. „Ich bin nicht ganz naiv, es war ja noch kein Vertrag unterschrieben“, meinte dazu die Ex-Politikerin. Karmasin räumte jedoch ein, „heilfroh“ über dieses Angebot aus der Schweiz gewesen zu sein: „Deshalb habe ich mich in Verhaltensökonomie so spezialisiert.“ Wenn sie von dem Schweizer Kollegen engagiert worden wäre, „hätte ich keine Entgeltfortzahlung gemacht. Leider hat er sich nicht gemeldet.“

Vorträge gehalten

Ab Anfang 2018 hielt Karmasin – wenn auch nicht in hoher Zahl – entgeltlich Vorträge und bezog weiter Bezüge aus ihrer früheren ministeriellen Tätigkeit. Dazu hielt die Angeklagte fest: „Es ist ja keine berufliche Tätigkeit, um 300 Euro einen Vortrag zu halten. Das ist maximal eine Veranstaltung, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich wollte schon einen 40-Stunden-Job in einer gewissen Tätigkeit.“ Sie sei „keine Vortragsrednerin.“ Ein Vortrag sei „ein Strohhalm, an eine berufliche Tätigkeit zu kommen“.

Urteile womöglich schon in einer Woche

Fortgesetzt wird der Prozess in einer Woche – am kommenden Dienstag. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten angekündigt, noch ergänzende Fragen an den Zweitangeklagten stellen zu wollen. Auch die Urteile im Prozess sind für kommenden Dienstag geplant.