Solarpark in Dänemark
AP/Ritzau Scanpix/Mads Claus Rasmussen
Streit über Atomkraft

Einigung bei Erneuerbaren-Ausbau wackelt

In der EU dürfte eines der wichtigsten Gesetze zur Erreichung der Klimaziele wackeln: Eine formale Abstimmung über die Erneuerbaren-Energie-Richtlinie ist am Mittwoch überraschend vertagt worden, wie ein Sprecher der schwedischen Ratspräsidentschaft bestätigt. Die Richtlinie sieht vor, dass bis 2030 mindestens 42,5 Prozent der Energie aus Erneuerbaren kommen soll. Hintergrund dürfte ein Streit über die künftige Rolle von Atomkraft sein.

Ähnlich wie im von Deutschland angeführten Streit über das Verbrenner-Aus dürfte die Richtlinie über den Ausbau erneuerbarer Energien aus Strom, Wind und Wasser auf den letzten Metern ausgebremst werden: Verhandlungsführer der 27 EU-Staaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission hatten sich eigentlich Ende März auf die Ausbauziele verständigt. Fast zwei Jahre war über die entsprechende Richtlinie (RED III) verhandelt worden.

Eine bevorstehende Bestätigung des Deals durch die EU-Staaten – eigentlich eine Formalie – wurde nun vorerst auf Eis gelegt. Einige EU-Staaten, allen voran das Atomland Frankreich, seien unzufrieden mit der im März mit dem EU-Parlament erzielten Einigung zu den erneuerbaren Energien, erklärte eine mit der Sache vertraute Person am Mittwoch. Die genauen Forderungen seien noch unklar.

Unterhändler von EU-Parlament und Ministerrat einigten sich im März darauf, dass die Richtlinie Ländern wie Frankreich zwar ermögliche, aus Atomkraft hergestellten Wasserstoff auf ihr Erneuerbaren-Ziel für die Industrie anzurechnen, aber nur wenn das ihre Gesamtanstrengungen zum Ausbau von Wind- und Sonnenkraft nicht gefährdet. Damit wird Atomkraft jedoch eine relativ kleine Rolle in dem EU-Gesetz eingeräumt. Neben Frankreich stellten sich dem Vernehmen nach auch die Slowakei, Ungarn, Polen, Tschechien, Bulgarien und Rumänien dagegen.

Sprecher: „Weitere Gespräche sind nötig“

Die Abstimmung wurde von der Tagesordnung des Treffens der Botschafterinnen und Botschafter der EU-Staaten genommen, bestätigte ein Sprecher des schwedischen Ratsvorsitzes: „Weitere Gespräche sind nötig“, so der Sprecher. Dass Frankreich die schwedische Ratspräsidentschaft gebeten habe, die Erneuerbaren-Richtlinie von der Tagesordnung zu nehmen, wollte ein Sprecher der Ständigen Vertretung Frankreichs in der EU dem ORF nicht bestätigen. Frankreich sehe bei der Thematik allerdings noch einige offene Punkte.

Aus dem österreichischen Klimaschutzministerium kam indes Kritik: „Der erneute Blockadeversuch der neuen Richtlinie für erneuerbare Energien in Europa durch die Nuklearlobby unter Führung von Frankreich gefährdet unsere gemeinsamen Klimaziele“, hieß es in einer Stellungnahme. „Diese Vorgehensweise, fertig verhandelte Gesetze in letzter Sekunde zu blockieren, entspricht nicht der Art und Weise, wie wir in der EU gemeinsam arbeiten“, so das Ministerium.

Streit erinnert an Debatte über Verbrenner-Aus

Die Verzögerung erinnert an den Streit um das Aus des Verbrennungsmotors Anfang des Jahres. Deutschland hatte mit Unterstützung Österreichs in letzter Minute darauf gedrängt, E-Fuels in die Verordnung aufzunehmen. Nach ein paar Wochen gelang es schließlich, mit der EU-Kommission eine Lösung zu finden. Frankreich war über das Vorgehen damals empört. Fachleute warnten, dass Deutschland damit einen „gefährlichen Präzedenzfall“ geschaffen habe.

Bisher lag das EU-Ziel beim Erneuerbaren-Ausbau bei 32 Prozent. Durch freiwillige Initiativen oder gemeinsame Projekte soll der Anteil der erneuerbaren Energien nach Möglichkeit von 42,5 auf 45 Prozent steigen. 2021 bezog die EU 22 Prozent ihrer Energie aus Strom, Wind, Wasser und anderen alternativen Quellen. Dieser Anteil schwankt allerdings von Land zu Land stark.

Wichtiger Teil des „Fit for 55“-Klimapakets

Der Einsatz erneuerbarer Energien ist für die EU sehr wichtig, da sie zum einen ihren CO2-Ausstoß bis 2030 deutlich herunterschrauben muss. Zum anderen will sie nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im vergangenen Jahr unabhängig werden von fossilen Energien aus Russland. Die neuen, ehrgeizigen Ziele erfordern nun große Investitionen, etwa in den Ausbau von Wind- und Solarparks.

Österreich setzte sich im Zuge der Verhandlungen dafür ein, dass auch Holz und andere Arten der Biomasse als erneuerbar gelten. Die spezifischen CO2-Emissionen beim Verbrennen von Holz sind höher als bei fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas. Wird aber nur so viel Holz verbrannt, wie wieder nachwachsen kann, ist die Nutzung CO2-neutral, da Holz beim Wachsen genau so viel Kohlendioxid aus der Atmosphäre bindet wie später bei der Verbrennung wieder frei wird.

Die Richtlinie ist Teil des „Fit for 55“-Klimapakets der EU-Kommission. Es zielt darauf, schädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken. So soll es zum Gesamtziel beitragen, bis 2050 klimaneutral zu werden.