Minensuche in der Ukraine
Reuters/Bernadett Szabo
Entminungshilfe für Ukraine

Kontroverse nach Kritik von Van der Bellen

Im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat sich in Österreich erneut eine Debatte über die Neutralität entsponnen. Konkret geht es um die Frage, ob eine Unterstützung bei der Minenbeseitigung in der Ukraine der österreichischen Neutralität entsprechen würde. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) erteilte einer Entminungshilfe eine Absage, trotz deutlicher Kritik von Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Tanner hatte sich bereits gegen eine Beteiligung an der Entminung in ukrainischen Gebieten ausgesprochen. Am Mittwoch jedoch widersprach Van der Bellen im Rahmen des Europaratgipfels im isländischen Reykjavik. Nicht an der Front, aber in zivilen Bereichen sei eine österreichische Unterstützung durchaus möglich.

„Ich verstehe nicht, warum die Bundesregierung bei der Frage der Entminung immer noch zögert. (…) Unterstützung bei der Entminung ziviler Bereiche wie Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten oder landwirtschaftlicher Gebiete widerspricht sicher nicht der österreichischen Neutralität, sondern ist eine humanitäre Angelegenheit“, so Van der Bellen, der zugleich Oberbefehlshaber des Bundesheeres ist, gegenüber der APA. Gegenüber der ZIB sagte Van der Bellen, ein solcher Einsatz „widerspricht sicher nicht der militärischen Neutralität“.

Tanner bleibt bei Absage

Tanner jedoch bleibt bei ihrem Standpunkt, wie sie am Donnerstag gegenüber Ö1 betonte. Es sei aktuell nicht möglich, in der Ukraine „zwischen einer humanitären und einer militärischen Entminung unterscheiden zu können“. Zudem seien die österreichischen Entminungsgeräte aktuell im Westbalkan im Einsatz. Eine europaweite humanitäre Entminungsaktion in der Ukraine würde Österreich aber finanziell unterstützen, so Tanner.

Auch der ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer sprach sich in einer Aussendung gegen eine österreichische Unterstützung bei der Entminung in der Ukraine aus: „Es darf kein Sicherheitsrisiko für österreichische Soldaten eingegangen werden. Die Lage in der Ukraine ist instabil und unvorhersehbar.“

Klaudia Tanner und Alexander Van der Bellen
APA/Helmut Fohringer
Tanner und Van der Bellen sind uneinig über die Unterstützung bei der Entminung

Einer Meinung ist die ÖVP dabei mit der FPÖ, die Probleme mit der österreichischen Neutralität ortete. FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte in einer Aussendung, dass ein Entminungsdienst in der Ukraine der österreichischen Neutralität widerspreche: „Van der Bellen begibt sich auf ein gefährliches politisches Glatteis, wenn er meint, dass österreichische Soldaten in der Ukraine Minen entschärfen könnten“, so Kickl.

Unterstützung bekam Van der Bellen hingegen vom Sicherheits- und Verteidigungssprecher von NEOS, Douglas Hoyos: „Wir freuen uns über die klare Ansage des Bundespräsidenten. Wenn sich selbst der Oberbefehlshaber über das österreichische Bundesheer für eine Unterstützung bei der Entminung ziviler Bereiche in der Ukraine ausspricht, kann Verteidigungsministerin Tanner den Vorschlag nicht länger von vornherein ablehnen.“ Er forderte die Verteidigungsministerin auf, eine Unterstützung Österreichs bei der Entminung in nicht mehr vom Krieg betroffenen Gebieten „ernsthaft zu prüfen“.

Debatte über Entminung in Ukraine

Eine Fläche, die doppelt so groß ist wie Österreich, soll in der Ukraine bereits mit Minen verseucht sein. Bundespräsident Alexander Van der Bellen spricht sich für die Entminungshilfe in zivilen Bereichen aus. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ist dagegen.

Fachleute sehen Hilfe gedeckt

Der Völkerrechtler Ralph Janik sah zuletzt durch den EU-Ratsbeschluss über die Unterstützung der Ukraine Hilfe bei der Entminung verfassungsrechtlich gedeckt. Auch Franz Eder vom Foreign Policy Lab der Uni Innsbruck sagte gegenüber dem „Standard“, er sehe rein rechtlich keine Bedenken für eine Unterstützung bei der humanitären Entminung, „sofern es sich eben um keine militärische Entminung handelt, die den direkten Kriegszielen der Ukraine nützt“.

Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatte sich für die Unterstützung der Ukraine in diesem Punkt ausgesprochen. „Das ist keine Neutralitätsfrage, weil es um eine humanitäre Aufgabe geht“, sagte er vorige Woche gegenüber der „Presse“. Im ÖVP-geführten Außenministerium sei „hinter vorgehaltener Hand Ähnliches zu hören“, so die Zeitung, die auch daran erinnerte, dass das ebenfalls neutrale Irland etwa Ausbildungen für Minenräumer anbietet.