Eine Luftaufnahme zeigt überflutete Gebäude in Cesena (Italien)
APA/AFP/Alessandro Serrano
Italien

Opferzahl nach Unwettern steigt

Nach den schweren Unwettern in der Emilia-Romagna im Norden Italiens ist die Opferzahl am Donnerstag auf 14 gestiegen. Tausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Die Schäden in den für die Region wichtigen Wirtschaftssektoren Landwirtschaft und Viehzucht sind enorm.

Unter den jüngst gemeldeten Todesopfern ist ein älteres Ehepaar. Die Leichen des 73-Jährigen und seiner 71 Jahre alten Gattin wurden in ihrem überschwemmten Haus gefunden. Alarm geschlagen hatte der Sohn, nachdem er seine Eltern telefonisch nicht erreichen konnte.

Es wird vermutet, dass das Ehepaar in das Haus zurückgekehrt war, um ein Elektrogerät vor dem Wasser zu bergen, berichteten italienische Medien. Die genaue Todesursache wird noch untersucht. Auch Tod durch Stromschlag werde nicht ausgeschlossen, hieß es. Weitere zwei Tote wurden in der Provinz Ravenna geborgen.

23 Flüsse traten über die Ufer

Am stärksten betroffen sind die Provinzen Ravenna, Forli-Cesena und Rimini – dort insbesondere die Städte Faenza, Cesena und Forli. 23 Flüsse in der Region waren nach Angaben der Behörden am Mittwoch über die Ufer getreten.

Italien: Hoher Schaden in der Landwirtschaft

Die schweren Unwetter in Norditalien haben eines der wichtigsten Obst- und Gemüseanbaugebiete Italiens zerstört. 1,5 Milliarden Euro Schaden sollen bereits entstanden sein.

41 Gemeinden waren vom Hochwasser betroffen. Die Behörden registrierten zudem 280 Erdrutsche und 400 blockierte Straßen. Die Feuerwehr rückte in den vergangenen 48 Stunden zu rund 2.000 Einsätzen aus, bei denen mehr als 900 Einsatzkräfte mit 300 Fahrzeugen an Ort und Stelle waren.

Wetterextreme & Klimakrise

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut dem aktuellen IPCC-Bericht aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Trinkwasser mit Tankwagen verteilt

Die Stadtverwaltung von Ravenna forderte mit Unterstützung der örtlichen Polizei die Bürgerinnen und Bürger, die in der Nähe von Flüssen wohnen, auf, sich in die oberen Stockwerke zu begeben, wie italienische Medien berichteten. Angeboten wurden Unterkünfte in Sporthallen. In der Kleinstadt Castel Bolognese, in der es Probleme mit der Trinkwasserversorgung gab, wurden mehrere Menschen aus ihren Wohnungen gebracht. Trinkwasser wurde mit einem Tankwagen verteilt.

Der Vizepräsidentin der Region, Irene Priolo, zufolge wurden „mehr als 10.000 Menschen“ in Sicherheit gebracht. 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner der Katastrophenregion waren laut der Zivilschutzbehörde am Mittwoch ohne Strom. Im Bahnsystem kam es zu Verspätungen, die auch die Hochgeschwindigkeitszüge auf der Nord-Süd-Achse Mailand – Rom betrafen. Auch das Straßennetz in dem betroffenen Gebiet kam zum Erliegen.

Überflutete Wohnstraße in Italien
AP/LaPresse/Michele Nucci
Ganze Orte in Norditalien sind überflutet – viele Menschen mussten aus ihren Häusern gebracht werden

Obst- und Gemüseanbaugebiete zerstört

In der Romagna und im Raum Bologna zerstörten die Unwetter und die Überschwemmungen eines der wichtigsten Obst- und Gemüseanbaugebiete Italiens. Tausende von Hektar stehen unter Wasser, mehrere Hektar Obstplantagen sind überschwemmt. Ställe sind ohne Strom, Lagerhäuser wurden überflutet. Außerdem gingen ganze Getreideernten verloren. Probleme gab es auch bei der Lieferung verderblicher Lebensmittel, die durch die Schließung der Autobahn A14 zum Erliegen kam, was zu weiteren Verlusten für die Landwirtschaftsunternehmen führte.

5.000 Landwirtschaftsbetriebe hätten Schäden zu verzeichnen, berichtete der Landwirtschaftsverband Coldiretti. Betroffen seien unter anderem Weinberge, Äpfel- und Birnenplantagen sowie Gemüsefelder.

Schäden nach Überflutung in Italien
Reuters/Jennifer Lorenzini
Das Ausmaß der Katastrophe wird erst langsam sichtbar

Der italienische Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida versicherte, dass die Regierung schnell eingreifen werde, um den von den Unwettern und den schwersten Niederschlägen der vergangenen 30 Jahre betroffenen Gemeinden zu helfen. Er versprach ein Regierungsdekret und die Bereitstellung angemessener Mittel zur Bewältigung der Schäden. Die Landwirtschaftsverbände fordern ein sofortiges Eingreifen der Regierung mit Notstandsgesetzen wie im Falle des Erdbebens, das die Gegend im Jahr 2012 erschüttert hatte.

Meloni setzt Krisensitzung an

Die Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni will jetzt der Region Emilia-Romagna unter die Arme greifen. Sie berief für Dienstag eine Ministerratssitzung ein, bei der Finanzierungen für die vom Unwetternotstand betroffenen Gebiete lockergemacht werden sollen.

Ein alter Mann sitzt in Faenza (Italien) vor geretteten Möbeln auf einer verschlammten Straße
Reuters/Claudia Greco
Die Regierung kündigte rasche Hilfe für die Betroffenen an

Mindestens zehn Millionen Euro will das Kabinett für erste Maßnahmen zur Verfügung stellen. Außerdem sollen strukturelle Maßnahmen gegen Erdrutsche und Überschwemmungen diskutiert werden. So will die Regierung unter anderem die vernachlässigten Ufer der Flüsse unter die Lupe nehmen.

Umweltminister Gilberto Pichetto Fratin kündigte an, dass die Regierung den Notstand für die Emilia-Romagna ausrufen werde. Damit sollen Gelder zügiger lockergemacht und bürokratische Hürden umgangen werden. Außerdem will die italienische Regierung die EU-Kommission um den Zugang zum europäischen Solidaritätsfonds für Katastrophen bitten.

Millionenspende von Ferrari

Wegen der Unwetter wurde das Formel-1-Rennens in Imola abgesagt. Ferrari kündigte eine Spende in Höhe von einer Million Euro für die Krisenregion an. Das Geld soll den Betroffenen der Überschwemmungen zugutekommen und dabei vor allem in Umwelt- und Klimaschutzprojekte fließen. Der Grand Prix in Imola wäre für Ferrari ein Heimrennen gewesen. Die Formel-1-Fabrik der „Scuderia“ liegt rund eine Autostunde vom Autodromo Enzo e Dino Ferrari entfernt.

Eine Frau trägt in Lugo (Italien) eine Tiertransportbox durch knietiefes Wasser
APA/AFP/Andreas Solaro
Tausende musste ihre Häuser verlassen

Papst drückt Opfern sein Mitgefühl aus

Papst Franziskus drückte den Opfern der Überschwemmungen und deren Angehörigen sein Mitgefühl aus. Das Oberhaupt der katholischen Kirche bete für die Verstorbenen und ihre Familien, die ebenso von der „gewaltigen Katastrophe“ betroffen seien, hieß es in einem Telegramm an den Erzbischof von Bologna, Matteo Maria Zuppi.