Überschwemmung in San Pancrazio nahe Ravenna, Italien
Reuters/Antonio Denti
Unwetter in Italien

Neue Evakuierungen in Ravenna angeordnet

Während das Ausmaß der Schäden erst nach und nach sichtbar wird, bleibt die Lage in den von schweren Unwettern getroffenen Gebieten in Italien weiter angespannt. In Teilen der Emilia-Romagna galt auch am Freitag die höchste Alarmstufe Rot, wobei etwa in Ravenna erneut Menschen ihre Häuser verlassen mussten. Dazu kommen anhaltende bzw. erneut prognostizierte starke Niederschläge.

Laut Angaben der Stadtverwaltung von Ravenna sei am Freitag unter anderem die „vollständige und sofortige Evakuierung“ der Ortsteile bzw. Ortschaften Piangipane, Santerno Case und Borgo Faina angeordnet worden. Dazu kommt ein „Appell an die Bevölkerung“, die Häuser nur zu verlassen, wenn es dringend nötig ist. Man habe es mit einem Notfall zu tun, „wie es ihn seit mehr als hundert Jahren nicht mehr gegeben hat“, zitierte dazu die Zeitung „Il Resto del Carlino“ den Präfekten von Ravenna, Castrese De Rosa.

Den Angaben zufolge gebe es auch in vielen anderen Orten noch immer Häuser und Stadtteile ohne Strom und Trinkwasser, während in den Apenninen einige Orte aufgrund von Erdrutschen isoliert sind, insbesondere im Gebiet der Provinz Forli-Cesena. Laut Medienberichten wurden zuletzt unter anderem aus den Städten Cesena, Faenza und Lugo auch mit Hilfe von Militärhubschraubern mehr als 300 Menschen in Sicherheit gebracht. Auch die Ortschaft Conselice wird Medienberichten zufolge geräumt, da eine Wasserpumpe wegen des dort ausgefallenen Stromnetzes nicht funktioniert.

Überschwemmung in San Pancrazio nahe Ravenna, Italien
Reuters/Antonio Denti
Tausende Menschen mussten in der Region ihre Häuser verlassen

Nach Angaben aus der Regionalverwaltung sei die Zahl der Menschen, die aufgrund der Überschwemmungen ihre Häuser verlassen mussten, auf 15.000 gestiegen. 8.000 Menschen seien in Hotels und in den von Gemeinden in Schulen, Sporthallen und auch Museen eingerichteten Notunterkünften untergebracht – die anderen seien bei Freunden, Verwandten und in Zweitunterkünften untergekommen.

Hunderte Erdrutsche

Etliche Straßen sind wegen Murenabgängen und Überschwemmungen gesperrt. „Wir haben 92 Kilometer Gemeindestraßen, die alle gesperrt sind. Wegen der Erdrutsche ist unser Gebiet vom Rest der Welt abgeschnitten“, zitiert die Nachrichtenagentur ANSA dazu den Bürgermeister der 2.500-Einwohner-Ortschaft Casola Valsenio. Aufgrund von Überschwemmungen war im Unwettergebiet am Freitagvormittag auch die Adriatica-Staatsstraße weiter gesperrt. Seit der Früh wieder geöffnet ist indes der Autobahnabschnitt zwischen Faenza und Forli (A14).

Weiter Anlass zur Sorge sind die anhaltenden bzw. erneut prognostizierten Regenfälle. Selbst bei geringen Niederschlägen komme es in den Vorgebirgen mittlerweile „ständig zu Erdrutschen“, wie ANSA mit Verweis auf über 250 Erdrutsche in 48 Gemeinden berichtete. Am Freitag habe es in mehreren Gebieten, die bereits von den Überschwemmungen der letzten Tage betroffen waren, erneut zu regnen begonnen. Wie ANSA zu Mittag berichtete, regnete es etwa in Bologna „seit der Früh unaufhörlich“.

Nach Angaben der öffentlich-rechtlichen RAI seien in der Region zeitweise 23 Flüsse über die Ufer gelaufen. Am Freitag lagen noch der Tiepido, der Rabbi und der Ronco über der Alarmschwelle. In den Fokus rückte zuletzt der Canale Emiliano Romagnolo, ein quer durch die Region verlaufenden Kanal. Nach Angaben der Bügermeisterin Valentina Palli sei der Kanal etwa bei der Stadt Russi bereits übergelaufen. Die am Kanal wohnende Bevölkerung wurde aufgerufen, zu Freunden und Verwandten – und sollte das nicht möglich sein, in höhere Stockwerke – zu gehen.

„Wieder großflächige Niederschläge erwartet“

Auch für Samstag werden in der Emilia-Romagna „wieder großflächige Niederschläge erwartet“. Für das Gebiet von Bologna bis Rimini sei damit die Alarmstufe Rot bestätigt. Angesichts der erwarteten Niederschläge werde mit einem erneuten Anstieg der Pegelstände gerechnet.

Weiter Überflutungen in Italien

Mindestens 14 Menschen sind durch die starken Regenfälle in Norditalien ums Leben gekommen. Auch nach Regenende kommt es immer noch zu Überflutungen.

Vielerorts in der Region Emilia-Romagna, darunter neben Ravenna etwa auch in Imola, Forli und Cesena, waren die Schulen auch am Freitag weiter geschlossen. In Bologna wurde hingegen der Unterricht in den meisten Schulen wieder aufgenommen. Auch die Hauptstadt der Region Emilia-Romagna war in der vergangenen Tagen von Überflutungen schwer getroffen – nun gilt es auch dort die Spuren der Unwetter zu beseitigen.

Hunderte Einsatzkräfte

Am Freitag waren in der Emilia-Romagna weiter über 1.000 Feuerwehrleute mit im Einsatz – mit über 600 kam der Großteil davon aus anderen Regionen des Landes. Den Angaben zufolge gab es bisher 2.175 Feuerwehreinsätze – davon 891 in Bologna, 610 in Ravenna, 411 in Forli Cesena, 263 in Rimini. Neben der Feuerwehr ist unter anderem auch das Militär am Hilfseinsatz beteiligt. Italienische Medien verweisen zudem auf die zahllosen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die der betroffenen Bevölkerung beim Beseitigen von Schlamm und Schutt zur Seite stehen.

Das gesamte Ausmaß der Schäden lässt sich ANSA-Angaben zufolge derzeit noch nicht abschätzen. Italien werde auch auf EU-Ebene um Hilfe ansuchen, konkret wolle die Regierung den Europäischen Solidaritätsfonds aktivieren. Von der Region Emilia-Romagna kam zudem der Ruf nach einem Sondergesetz für die durch das Unwetter besonders betroffene Landwirtschaft.

Luftbild der Stadt Lugo nahe Ravenna
IMAGO/Cecilia Fasciani
Am Freitag war unter anderem auch die Stadt Lugo weiter unter Wasser

Kritik an Bruce-Springsteen-Konzert

Weiter für Gesprächsstoff sorgt das am Donnerstagabend in Ferrara vor rund 50.000 Besucherinnen und Besuchern über die Bühne gegangene Konzert von Bruce Springsteen. Der US-Musiker sieht sich mit reichlich Kritik konfrontiert, da er trotz der schweren Unwetter in der Region mit mindestens 14 Todesopfern das Konzert nicht abgesagt hat.

Auch die Region Emilia-Romagna erklärte sich in einem Schreiben darüber erstaunt, dass das Bruce-Springsteen-Konzert nicht abgesagt worden sei, „angesichts der Tatsache, dass ein großer Teil der Region von einem sehr ernsten Notfall betroffen ist“. Die Entscheidung, ob das Konzert in Ferrara stattfinden sollte oder nicht, lag nicht in der Verantwortung der Region. Die Konzertveranstalter beriefen sich indes darauf, dass Ferrara nicht in „roten“ Unwetterzone liege.

Abgesagt haben die Behörden den Formel-1-Grand-Prix am Sonntag in Imola, der in der Nähe vieler der am stärksten von den Überschwemmungen betroffenen Gebieten hätte stattfinden sollen.