Die ungarische Regierung lässt Tausende ausländische Strafgefangene frei, die derzeit Haftstrafen wegen Menschenschmuggels verbüßen. Einzige Bedingung ist, dass sie Ungarn innerhalb von 72 Stunden verlassen. Das geht aus einer Verordnung hervor, die Ministerpräsident Viktor Orban Ende des Vormonats erließ. Die Freilassung der Schlepper kam überraschend und ist nicht daran gebunden, dass die Betroffenen in ihre Heimat zurückkehren und dort ihre Reststrafen verbüßen.
Der private TV-Sender RTL-Klub zeigte gestern Abend einen mit versteckter Kamera aufgenommenen Bericht, in dem zu sehen war, wie fünf Menschen am Bahnhof von Szombathely (Westungarn) aus einem Kleinbus der örtlichen Justizvollzugsanstalt stiegen. Das Innenministerium dementierte auf Anfrage des Senders nicht, dass es sich bei den gezeigten Personen um freigelassene Schlepper handelte.
Das ungarische Strafrecht sieht an sich langjährige Haftstrafen für Menschenschmuggel vor. Das Strafausmaß reicht von zwei bis 20 Jahren. Ungarn liegt an der Balkan-Route, über die Schutzsuchende von der Türkei nach Westeuropa gelangen.
Kanzleramtsminister: „Inhaftierung zu teuer“
Kanzleramtsminister Gergely Gulyas begründete den Schritt damit, dass die Inhaftierung ausländischer Straftäter zu teuer käme. Offiziellen Angaben zufolge sitzen derzeit 2.600 Ausländer in Ungarn ein, beim überwiegenden Teil von ihnen handelt es sich um Straftäter, die wegen Schlepperei verurteilt sind.
Das Nachrichtenportal Hvg.hu berichtete von einem afghanischen Menschenschmuggler, der sich nach seiner Freilassung nach Frankreich begab. Aber auch viele rumänische, bulgarische und serbische Schlepper würden nach dem Verlassen des Gefängnisses in Ungarn nach Österreich oder in ein anderes westliches Land fahren, so das Portal.
Österreich zeigt sich irritiert
In Österreich reagierte man auf diese Entscheidung irritiert. Wie auf APA-Anfrage aus dem Innenministerium mitgeteilt wurde, sind „allfällige Gegenmaßnahmen“ ein Thema. „Innenminister Gerhard Karner hat den Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit beauftragt, sofort Kontakt zu den ungarischen Behörden aufzunehmen und allfällige Gegenmaßnahmen vorzubereiten“, hieß es heute Mittag aus dem Innenministerium.
Bei Schleppern handle es sich „um Kriminelle, die der organisierten Kriminalität zuzuordnen sind. Durch ihre brutalen Tathandlungen werden Menschenleben gefährdet“, gab man im Ministerium zu bedenken.
Kritik von NEOS
„Dass Österreichs ,Best Buddy’ Ungarn in Sachen Asyl und Migration kein verlässlicher Partner ist, war von Anfang an klar“, sagte NEOS-Asylsprecherin Stephanie Krisper. „Trotzdem ließen sich Kanzler und Innenministerium von Orban am Nasenring durch die Manege führen und täuschen – nur um mit ein paar gut klingende Schlagzeilen im rechten Wählerteich fischen zu können“, kritisierte sie.