Abgeordnete bei G7-Treffen
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G-7 zu China

Zwischen Rivalität und Kooperation

Die Haltung zu China ist für die G-7-Staaten ein Balanceakt gewesen. Bei ihrem Gipfel in Hiroshima boten sie Peking am Samstag „konstruktive und stabile Beziehungen“ an, knüpften das aber an Bedingungen. Sie warnten die Volksrepublik dabei vor „Aktivitäten zur Militarisierung“ im asiatisch-pazifischen Raum. Wirtschaftlich will man sich nicht von China abkoppeln – Risiken sollen allerdings minimiert werden. Peking reagierte scharf.

Wegen seiner guten Beziehungen zu Moskau wurde China in einem Kommunique aufgefordert, „Druck auf Russland ausüben“, den Krieg in der Ukraine zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen. Seit der russischen Invasion in der Ukraine hat China die Aggression bisher allerdings nicht verurteilt, sondern Präsident Wladimir Putin Rückendeckung gegeben.

Mit Sorge wird auch das angriffslustige Auftreten von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping beobachtet. Die Spannungen wachsen: China drohte mit einer Eroberung des demokratischen Taiwan und erhebt umstrittene Machtansprüche im Ost- und Südchinesischen Meer, durch das wichtige Schifffahrtswege führen. Kritik gibt es auch an Menschenrechtsverletzungen.

China warf den G-7-Staaten seinerseits verunglimpfende Angriffe und „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vor. In einer ungewöhnlich scharfen Reaktion auf den G-7-Gipfel sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Samstag in Peking: „Die G-7 ignoriert die ernsten Bedenken Chinas und besteht darauf, Angelegenheiten im Zusammenhang mit China zu manipulieren, China zu verleumden und anzugreifen und sich grob in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen.“

Unterschiedliche Interessen

Die Gespräche der G-7-Staaten zu China galten im Vorfeld des Gipfels wegen unterschiedlicher Interessen als schwierig. Angesichts wachsender militärischer Rivalität haben die USA auch im Wirtschaftsbereich einen aggressiven Kurs gegenüber Peking eingeschlagen. Washington versucht dabei insbesondere, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt von Lieferungen weit entwickelter Computerchips abzuschneiden.

Die engen Wirtschaftsverflechtungen mit China sind aber für viele europäische Staaten wichtig. Deutschlands Kanzler Olaf Scholz etwa stemmte sich angesichts der großen Bedeutung Chinas für die Industrie seines Landes bei dem Gipfel gegen eine „Abkoppelung“. Er plädierte stattdessen dafür, Lieferketten zu diversifizieren, um Risiken bei der Abhängigkeit von China zu verringern.

Chinesische Kriegsschiffe nahe Taiwan
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Chinesische Kriegsmarine bei Übung vor Taiwan: Die G-7 sieht Xis angriffslustiges Auftreten mit Sorge

„Wir koppeln uns nicht ab“, heißt es nun in der Gipfelerklärung. Ziel der G-7 sei es nicht, „China zu schaden“ oder seinen wirtschaftlichen Fortschritt zu behindern. Denn es sei „notwendig, mit China bei globalen Herausforderungen und in Bereichen gemeinsamer Interessen zu kooperieren“. Die G-7 rief Peking dabei speziell zur Zusammenarbeit bei Klimaschutz, Gesundheitspolitik, der Schuldenproblematik armer Länder und Wirtschaftsstabilität auf.

Die Sprache gegenüber China sei nicht von Feindseligkeit geprägt, sondern „völlig geradlinig“ und „direkt und offen“, sagte US-Sicherheitsberater Jake Sullivan. Es handele sich um eine „mehrdimensionale, komplexe Politik“ gegenüber Peking.

„Wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit“

Eine separate Gipfelerklärung zu „wirtschaftlicher Widerstandsfähigkeit und Sicherheit“ nennt China nicht ausdrücklich, greift aber eine Reihe von Sorgen mit Blick auf die Volksrepublik auf. „Versuche, wirtschaftliche Abhängigkeiten als Waffe einzusetzen“ würden „Konsequenzen nach sich ziehen“, heißt es darin.

USA: F-16-Flugzeuge für Ukraine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nimmt am Samstag am G-7-Gipfel teil. US-Präsident Biden hat bereits die Lieferung von F-16-Flugzeugen an die Ukraine angekündigt.

Die Welt sei „mit einer beunruhigenden Zunahme von Fällen wirtschaftlicher Nötigung konfrontiert“. Diese zielten darauf ab, „wirtschaftliche Schwachstellen und Abhängigkeiten auszunutzen“, um die Außen- und Innenpolitik der G-7-Mitglieder und ihrer Partner „in aller Welt zu untergraben“.

Die G-7-Länder zeigten sich zugleich entschlossen zu verhindern, „dass die von uns entwickelten Spitzentechnologien zur Förderung militärischer Fähigkeiten genutzt werden, die den internationalen Frieden und die Sicherheit bedrohen“. Falls nötig, würden hier Maßnahmen im Bereich der Ausfuhr oder bei Investitionen in betroffenen Ländern vorgenommen.

Maßnahmen für Klimaschutz

Forcieren will die G-7 den Klimaschutz. Sie bekannten sich in Japan zu dem Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dazu will die G-7 bis 2035 unter anderem ihre Fahrzeugflotte dekarbonisieren.

Tesla Gigafactory in Deutschland
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Tesla-Fabrik im deutschen Brandenburg: Die G-7 will den Verkauf von E- und Hybridfahrzeugen forcieren

Ziel sei es, bis 2035 beim Neuwagenverkauf zu hundert Prozent elektrifizierte Fahrzeuge zu erreichen, bei denen es sich um reine Elektroautos und Hybridfahrzeuge handelt. Dazu sollen die zugehörige Infrastruktur „und nachhaltige kohlenstoffneutrale Kraftstoffe einschließlich nachhaltiger Bio- und synthetischer Kraftstoffe“ gefördert werden. Insgesamt sollen weltweit bis 2030 mehr als 50 Prozent der Autos emissionsfrei fahren.

Die G-7-Staaten halten es der Erklärung zufolge für möglich, dass die CO2-Autoemissionen in ihren Ländern bis spätestens 2035 um 50 Prozent sinken. Die Fortschritte sollen jährlich überprüft werden. Der internationale Schiffsverkehr soll spätestens 2050 klimaneutral sein. Die von Menschen verursachten Methanausstöße sollen bis zum Jahr 2030 um mindestens 30 Prozent unter das Niveau von 2020 sinken. Methan gilt als besonders schädliches Treibhausgas.

Technische Standards für KI

Weiters wollen die G7-Staats- und Regierungsspitzen internationale technische Standards für vertrauenswürdige künstliche Intelligenz (KI). Diese müssten entwickelt und beschlossen werden, heißt es dazu in einer Erklärung. Die Ansätze dafür könnten in verschiedenen Staaten jeweils andere sein. Für die Steuerung der digitalen Wirtschaft sei es aber wichtig, dass die Technologie „im Einklang mit unseren gemeinsamen demokratischen Werten aktualisiert werden sollte“.

Chatbot-Funktion von Bing
APA/AFP/Jason Redmond
Für die KI-Entwicklung will die G-7 technische Standards festlegen

Generative KI, die durch die App ChatGPT populär gewordene Untergruppe der KI, fand besondere Erwähnung. Die G-7 erklärte, sie müsse „unverzüglich eine Bestandsaufnahme der Chancen und Herausforderungen der generativen KI vornehmen“. Bis Jahresende soll ein Ministerforum mit dem Namen „Hiroshima-KI-Prozess“ eingerichtet werden, um Fragen rund um generative KI-Tools wie geistige Eigentumsrechte und Desinformation zu diskutieren.