die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin
APA/Georg Hochmuth
Erster Prozess zu Kurz-Zeit

Urteil in Karmasin-Prozess erwartet

Im Prozess gegen die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) wegen Betrugs wird ein Urteil erwartet. Es ist der erste Prozess einer Vertrauten des Ex-Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP), allerdings in einer Nebencausa. Trotzdem gilt das Verfahren auch als Gradmesser für die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der Anklagebehörde.

Zu Beginn des vermutlich finalen Verhandlungstags legte der vorsitzende Richter Karmasins Vermögensverhältnisse offen, die dazu beim Prozessauftakt keine Angaben hatte machen wollen. Der Richter hatte daraufhin eine Anfrage an den Rechnungshof gerichtet, die Antwort verlas er nun im Großen Schwurgerichtssaal.

Demnach besaß Karmasin zuletzt zwei Eigentumswohnungen am Mondsee, eine Eigentumswohnung in Wien-Josefstadt, eine weitere Mieteigentumswohnung in der Bundeshauptstadt, Unternehmensanteile an mehreren Firmen sowie ein Barvermögen in Höhe von einer Million Euro. Dazu kommt ein Grundstück in Klosterneuburg, auf dem – wie Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic zunächst bemerkte – ein Haus steht. „Ein schönes Haus“, wie er hinzufügte, nachdem sich Verteidiger Norbert Wess über diese Anmerkung beschwert hatte. Wess berichtete daraufhin, mittlerweile würden fremde Leute vor Karmasins Haus auftauchen und seine Mandantin bedrohen: „Die Situation ist nicht lustig.“

Beamte „schlicht und einfach angelogen“

Um 13.40 Uhr begann Adamovic mit seinem Schlussvortrag. „Die Beweismittel zeigen ein eindeutiges Bild und lassen keinen Spielraum für Zweifel“, fasste Adamovic das Beweisverfahren zusammen. Und in Richtung der Angeklagten stellte der Vertreter der WKStA klar: „Sie hat konsequent gegen das Gesetz verstoßen.“ Karmasin habe „schon lange vor Beendigung ihrer Ministerschaft“ Verdienstmöglichkeiten geplant und unmittelbar nach ihrer politischen Karriere nahtlos entgeltliche berufliche Tätigkeiten aufgenommen.

Dessen ungeachtet habe sie bis zum 23. Mai 2018 auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler Bezüge als Ex-Ministerin bezogen. „Sie hat sich die ganze Zeit über das Tätigkeitsverbot hinweggesetzt und den Sachbearbeiter im Bundeskanzleramt schlicht und einfach angelogen“, sagte Adamovic.

Keine Rede von Reue

Der Oberstaatsanwalt warf der Ex-Politikerin weiters vor, diese habe „einen ordentlichen Aufwand betrieben, um ihre Zuverdienste zu verschleiern“. Karmasin habe Honorare und Provisionen bezogen und diese über die Firma ihres Mannes verdeckt abgerechnet. Adamovic sprach von Scheinrechnungen und betonte, Karmasin habe ihre Einkünfte weder dem Parlament noch dem Rechnungshof gemeldet. Ihre Tathandlungen habe die Ex-Ministerin „erst beendet, als sie öffentliche Aufdeckung befürchten musste“. Von Reue bzw. tätiger Reue könne bei Karmasin im Sinne des Gesetzes keine Rede sein.

Oberstaatsanwalt Koch hob die Stellung Karmasins hervor, die jahrelang eines der höchsten Ämter der Republik bekleidet habe. Sie habe „schwere Schuld“ auf sich geladen. Der Bevölkerung müsse gezeigt werden, dass auch für eine ehemalige Ministerin „schwere Straftaten schwere Folgen haben. Denn ansonsten denkt sich die Bevölkerung, was sie sich eh schon denkt: Denen da oben passiert nix.“

„Ich bin zutiefst überzeugt, dass Frau Doktor Karmasin kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden darf“, forderte Verteidiger Wess dagegen einen Freispruch. Bezüglich des angeblichen Betrugs habe Karmasin der Republik um 27.000 Euro zu viel refundiert – „rechtzeitig und freiwillig“, wie Wess betonte. „Wenn Sie vor diesem Hintergrund annehmen, tätige Reue wäre nicht erfüllt, müssen wir uns das im Rechtsmittel ansehen“, meinte der Verteidiger in Richtung der Oberstaatsanwälte. Hinsichtlich der behaupteten wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen waren laut Wess „alle im Ministerium eingeweiht“. Wenn ein Wettbewerb nicht organisiert wird, könne dieser in weiterer Folge nicht beschränkt werden. „Das steht so im Gesetz“, gab Wess zu bedenken, „das Wirtschaftsstrafrecht fällt nicht vom Himmel.“

Karmasin: „Es gibt keinen Schaden“

Karmasin selbst betonte in ihrem Schlusswort noch einmal, sie habe sich strafrechtlich nichts zu Schulden kommen lassen. Hinsichtlich des Vorwurfs, nach ihrer Tätigkeit als Ministerin betrügerisch Bezüge weiter bezogen zu haben, habe sie „unbedacht, unvorsichtig, vielleicht naiv“ gehandelt: „Ich hatte aber nicht die Absicht, die Republik zu schädigen.“ Sie habe sich in einer „Ausnahmesituation“ befunden und angesichts ihrer unklaren beruflichen Zukunft um Bezugsfortzahlung angesucht.

Zu den inkriminierten Studien für das Sportministerium bemerkte Karmasin, sie habe sich dafür vom Ministerium „einspannen“ lassen. „Bei mir stellt sich nicht die Frage, was war meine Leistung. Bei mir stellt sich die Frage, wo ist der Schaden“, sinnierte die Meinungsforscherin, um sogleich festzuhalten: „Es gibt keinen Schaden.“

Karmasin beklagte sich, dass sie in während ihrer U-Haft „nicht besonders gut“ behandelt worden sei. So habe man in ihrer Zelle „viermal in der Nacht das Licht aufgedreht“. An ihrer ehemaligen Mitarbeiterin und Vertrauten Sabine Beinschab, die in der Vorwoche gegen sie ausgesagt hatte, ließ die Ex-Ministerin kein gutes Haar. Diese sei „eine toughe Geschäftsfrau und sicher kein Opfer“ und nutze ihren Status als Kronzeugin aus. Seinerzeit habe sie bei bzw. mit ihr, Karmasin, gut verdient und sich von ihren Einkünften ein Haus in Kärnten gekauft.

Bis zu drei Jahre Haft drohen

Sollte es zu Schuldsprüchen kommen, drohen bis zu drei Jahre Haft, wobei Karmasin die in der U-Haft verbrachte Zeit auf die Strafe anzurechnen wäre. Die Meinungsforscherin und Ex-Politikerin war am 2. März 2022 fest- und zwei Tage später wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen worden. Erst am 28. März gab das Oberlandesgericht (OLG) Wien einer Haftbeschwerde ihrer Anwälte Norbert Wess und Philipp Wolm Folge – Karmasin war somit immerhin 26 Tage in einer Zelle der Justizanstalt Josefstadt gesessen.

Karmasin werden schwerer Betrug und Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen vorgeworfen. Die Ex-Ministerin soll sich laut Anklage nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen in Höhe von 78.589,95 Euro erschlichen haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramtes verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortgesetzt hat.

Drei Studien für Sportministerium

Von der Anklage umfasst sind insgesamt drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt. Laut Anklageschrift brachte sie zwei Mitbewerberinnen – darunter ihre frühere Mitarbeiterin Beinschab – dazu, „von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde“.

Die frühere Familienministerin Sophie Karmasin
APA/Georg Hochmuth
Karmasin sieht sich schweren Vorwürfen ihrer ehemaligen Mitarbeiterin ausgesetzt

Beinschab belastete Karmasin schwer

Am dritten Verhandlungstag Dienstag letzter Woche trat Beinschab, Karmasins ehemalige Mitarbeiterin und nunmehr Kronzeugin der Anklage, als Zeugin auf. Beinschab belastete dabei die Ex-Politikerin schwer.

Zudem trat die Meinungsforscherin der Rechtsansicht von Karmasins Verteidigern entgegen, das Einreichen von mit Karmasin akkordierten Vergleichsangeboten sei kartellrechtlich unproblematisch gewesen. Sie sei von der Bundeswettbewerbsbehörde deswegen belangt und kartellrechtlich zur Verantwortung gezogen und zu einer Geldbuße in Höhe von 6.000 Euro verurteilt worden, offenbarte Beinschab: „Die Geldbuße ist höher als das, was ich verdient habe. Es ist genug für mich zu knabbern.“

Das Kartellgericht sei davon ausgegangen, dass sie und Karmasin regelmäßig Preisabsprachen getätigt und ihr wettbewerbsbeschränkendes System beibehalten hätten, erläuterte Beinschab. Sie habe gegen ihre Verurteilung keine Rechtsmittel eingelegt.

Die als Zeugin geladene Sabine Beinschab und ihre Anwältin Kathrin Blecha-Ehrbar im Rahmen des Prozesses gegen die ehemalige Familienministerin Karmasin wegen Betrugs
APA/Roland Schlager
Beinschab (r.) mit ihrer Anwältin Katrin Blecha-Ehrbar

„Ich war ein bisserl ein Trottel“

Laut Beinschab wurde sie von Karmasin nach deren Ausscheiden aus der Politik kontaktiert und bekam von dieser gesagt, sie brauche Vergleichsangebote, damit sie den Zuschlag für eine Studie für das Sportministerium bekomme, so die Zeugin. „Damit Sophie Karmasin sicher den Zuschlag bekommt, wäre es super, wenn ich auch ein Angebot vorlege. Außerdem sollte ich einen dritten Kontakt nennen“, erklärte Beinschab.

Das habe sie auch getan, bei insgesamt drei Studien. Profitiert habe sie davon aber nicht, es sei ein Gefallen für ihre ehemalige Chefin und „Mentorin“ gewesen: „Ich war ein bisserl ein Trottel. Es war ein Fehler, man darf das einfach nicht.“ „Für die Schublade“ sei ihr Angebot nicht gewesen: „Ich bin davon ausgegangen, dass die Angebote abgegeben wurden, sodass das Sportministerium das beste und billigste herausnehmen kann.“

Von Karmasin habe sie konkrete Anweisungen für ihr Angebot bekommen. Mit der dritten, von ihr vorgeschlagenen Meinungsforscherin habe sie besprochen, „wer welche Preisvorschläge nimmt“. Was Karmasin tatsächlich für die Studien bekam, habe sie nicht gewusst.

Außerdem hätte Karmasin Beinschabs Briefkopf auf ihre eigenen Angebote gesetzt und sich so „im Prinzip selbst beauftragt“, wie auch der Richter festhielt. „Sie hat mich ausgenutzt, sie hat gewusst, sie kann eh alles machen mit mir“, sagte Beinschab.

Ihr sei klar gewesen, dass es sich bei dem Ganzen um „Scheinangebote“ handelte, betonte die Zeugin: „Die Sophie hat gesagt: ‚Schick! Passt schon!‘“ Sie habe sich darauf „aus Sorge“ eingelassen, dass sie ansonsten von Karmasin keine Subaufträge mehr bekommen könnte.

Auch ÖVP-Umfrageaffäre Thema

Um Karmasins Rolle in der ÖVP-Umfrageaffäre geht es im gegenständlichen Verfahren zwar noch nicht. Allerdings wurden die übers Finanzministerium abgerechneten Studien, die die ÖVP bzw. den späteren Bundeskanzler Sebastian Kurz pushen sollten, von Richter Patrick Aulebauer sehr wohl thematisiert.

Karmasin habe ihr den Kontakt zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vermittelt, schilderte Beinschab. In weiterer Folge wurde das „Beinschab-Tool“ entwickelt, das Gegenstand eines separaten Ermittlungsverfahrens der WKStA ist. „Bei Sophie Karmasin war auch der Gedanke dabei, da kann ich etwas mitverdienen“, schilderte Beinschab.